Bauwerk

Passerelle West Bahnhof Bern
smarch - Bern (CH) - 2005
Passerelle West Bahnhof Bern, Foto: Dominique Uldry
Passerelle West Bahnhof Bern, Foto: Dominique Uldry

Wellenschlag im Gleisfeld

22. Januar 2006 - Werner Huber
Stolz präsentierte der damalige Berner Planungsdirektor und heutige Stadtpräsident Alexander Tschäppät im April 2002 das siegreiche Wettbewerbsprojekt für die Überbauung Bahnhof Bern West (hpw 3/02). «Es wäre die erste grössere Bahnhofüberbauung der Schweiz», frohlockte er. Wäre gewesen, denn das Projekt kam bald ins Trudeln, röchelte kurz und scheiterte schnell. Dafür ging – noch als halbe Baustelle – im Dezember 2004 ‹die Welle› des Berner Büros Smarch Architekten in Betrieb. Jetzt ist sie fertig und wird fortan für 50 000 Personen täglich der Bahnhof sein.

Elegant stossen die sechs Dächer über den verlängerten Perrons aus Westen auf den Bahnhof zu, wölben sich, wie von der Schanzenbrücke gebremst, auf, verbreitern sich und schlüpfen im letzten Moment unter der Brücke durch. Wie ein Rechen kämmen die Perrons das Gleisfeld, bündeln die Schienenstränge und kündigen die Zäsur an, die den Verkehrsfluss bremst: den Bahnhof. Zwar weinen wir dem räumlich spannenden Überbauungsprojekt von 2002 eine kleine Träne nach, sind aber doch froh, dass die Gleise nun doch nicht unter einem Haus verschwunden sind. Das Bauwerk besteht aus zwei Hauptelementen: der Passerelle und den Dächern. Sechs Betontürme mit den verglasten Liften stehen auf den Perrons. Sie tragen die Passerelle und dienen als Auflager der hölzernen Dächer.

Zwischen die Betontürme sind Torsionsrohre gelegt, die die Glasdächer zwischen den Holzwellen tragen; eine leicht verständliche, schlüssig gelöste Tragkonstruktion. Doch damit steht das Bauwerk noch nicht. Um die Wellen und die schmalen Perrondächer zu tragen, braucht es zusätzliche Stützen, die in einer dichten Doppelreihe auf den schmalen Perrons stehen – an einzelnen Stellen sind sie noch knapp schulterbreit auseinander. Dazu gesellen sich die Fahrleitungsmasten, die, mal hier, mal dort, die Dächer durchstossen und wie die dicken Brüder der Dachstützen auf dem Perron stehen.

Den Architekten kann man nicht vorwerfen, sie hätten ihr Konzept nicht konsequent umgesetzt. Die Dächer liegen wie in den frühesten Modellen elegant auf der Betonkonstruktion und jede der Zutaten hat ihre Logik: Die Glasdächer brauchts, damit man nicht nass wird, aus Glas sollen sie sein, weil sie konzeptuell nicht zu den Wellendächern gehören, die Stützen brauchts, weil die Dächer ja nicht einfach schweben können, und schliesslich braucht es auch die zahlreichen Attribute, die aus der Passerelle einen funktionierenden Bahnhof machen. Die gewählten Lösungen sind pragmatisch, was sie wegen dem enormen Zeitdruck auch sein mussten. Doch insbesondere bei Sonnenschein erzeugen der Wechsel von offenen und geschlossenen Dachflächen, der ‹Wellengang› der Konstruktion, das Stahlgerüst der Glasdächer und die zahlreichen Zutaten ein unruhiges Spiel von Licht und Schatten. Der Raum unter der Welle zerfällt in Fragmente, das aus der Ferne so klare Konzept verliert seine Kraft.

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Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

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