Bauwerk

Vienna Biocenter 1, 2 + 3
Boris Podrecca - Wien (A) - 2008
Vienna Biocenter 1, 2 + 3, Foto: Pez Hejduk
Vienna Biocenter 1, 2 + 3, Foto: Pez Hejduk

„Die Künstler sind heute Wissenschafter“

Der Architekt Boris Podrecca plant ein Laborgebäude für die Akademie der Wissenschaften und stellte vor kurzem das Vienna Bio Center 2 fertig, beide auf dem Biotechnologiecampus in St. Marx. Ein Gespräch über das Bauen unter Laborbedingungen mit Oliver Elser.

2. August 2004 - Oliver Elser
Standard: Herr Podrecca, die Spielräume als Architekt sind bei einem Laborgebäude sehr eng. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?
Boris Podrecca: Die beste Freiheit ist die Freiheit, die auf Regeln beruht. Sonst gäbe es nur Launen und Willkür, das ist nichts für mich. Ich brauche präzise Regeln, um sie dann beim Entwerfen überwinden zu können.

STANDARD: Welche Erfahrungen haben Sie mit den Wissenschaftern als Ihre Auftraggeber gemacht?
Podrecca: Ich habe erst gedacht, das seien introvertierte Leute, die in ihren Kammern hocken. Ich habe dann schnell gemerkt, dass heute die Künstler eigentlich die Wissenschafter sind. Alle, mit denen ich zu tun hatte, waren kunstinteressierte Leute mit dem Lebensstil von Bohemiens. Sie schlafen eine Nacht lang gar nicht, sitzen vor ihren Computern, die nächste Nacht sind sie auf dem Weg nach Singapur. Die Künstler hingegen sind heute viel etablierter und angepasster.

STANDARD: Was bedeutete das für Ihren Entwurf?
Podrecca: Ich habe zuerst beobachtet, wie heute der Wissenstransfer funktioniert. Wenn sie forschen, kapseln sie sich ab, sind aber gleichzeitig angewiesen auf die Informationen von anderen. Äußerst wichtig sind daher Räume für ungeplante Begegnungen. Im Vienna Bio Center 2 gibt es dafür nun nicht so viele Orte, wie mir gewünscht hätte, aber es gibt sie. Innerhalb des Gebäudes habe ich eine Art kleine Stadt angelegt, mit Straßen, Kreuzungen und Plätzen. Natürlich ist so ein Gebäude auch extrem determiniert, für die Laboratorien werden riesige vertikale Schächte benötigt, in denen die ganzen Leitungen verlaufen. An denen sind die Labors quasi aufgefädelt. Aber dazwischen habe ich in einer Art Partisanenkampf Räume freigelassen, die jedem zugänglich sind.

STANDARD: Auf dem Grundriss ist zu sehen, dass die Labors eher kleine Einheiten bilden, zwischen denen Räume offen geblieben sind. Ist es leichter, eine Laborumgebung aufzulockern als ein Bürogeschoß?
Podrecca: Was Sie hier sehen, diese Laborinseln, das ist der Zustand, wie er jetzt gebaut wird und in den nächsten Jahren sicher so bleibt. Aber man muss sich das als riesige Fläche vorstellen, auf der unzählige Gruppierungen von Labors möglich sind. Zwingend ist lediglich, dass die Laborinsel an einen Schacht angeschlossen wird. Schächte gibt es genug. Das Forschungsgebäude für die Akademie der Wissenschaften besteht aus verschiedenen parallelen Schichten. Zuerst kommt der feste Rücken, der entlang der Straße verläuft, dort sind Büros untergebracht. Darauf folgt, was ich „Canyon“ nenne: Ein vertikaler Luftraum für die Aufzüge und Treppen. Eine Bewegungs- und Begegnungszone. Dann kommen Lager- und Nebenräume, die kein Tageslicht benötigen. Daran schließen die eigentlichen Laborbereiche an, flexibel aufteilbar, ganz nach Bedarf. Die letzte Schicht bildet ein Grünraum, ein Gewächshaus, das mit einer Glasfassade abgeschlossen ist und einen Klimapuffer für die Labors schafft. Einige Forscher züchten dort ihre Pflanzen.

STANDARD: Das Vienna Bio Center 2 ist eine Art biotechnologisches Gründerzentrum, errichtet von der privaten Prisma-Gruppe. Gibt es einen Unterschied zu dem noch nicht fertig gestellten Gebäudeteil für die Akademie der Wissenschaften?
Podrecca: Die beiden haben denselben Sockel und befinden sich in einer Art Symbiose. Die Unterschiede betreffen die Organisation innerhalb der Gebäude, flexibel nutzbar sind sie beide. Nur wurde das Vienna Bio Center früher fertig, wahrscheinlich weil ein privater Bauherr oft besser weiß, was er will.

STANDARD: Wie wichtig ist denn die Umgebung, wenn die Gebäude kleine Städte in der Stadt bilden?
Podrecca: Momentan ist da draußen in St. Marx noch eine Wüste. Aber ich würde mir wünschen, dass ein Campus entsteht, ich will weg von dieser habsburgischen aufgeräumten Ödnis. Wenn Wien einer der führenden Biotechnologiestandorte werden will, dann muss in eine attraktive Umgebung investiert werden. In München wurde schon viel früher mit der Ansiedlung von Universitätsinstituten und Firmen begonnen, dort gibt es einen Campus. Mein Gebäude hat eine städtische, steinerne Vorderseite, auf der Rückseite ist es transparent. Auch um den Wunsch nach einem Nachbarn auszudrücken. Dann könnten die Forscher dazwischen auf der Wiese sitzen und ihren Kollegen bei der Arbeit zusehen.

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