Bauwerk

Café im Palmenhaus
Eichinger oder Knechtl - Wien (A) - 1998
Café im Palmenhaus, Foto: Margherita Spiluttini
Café im Palmenhaus, Foto: Margherita Spiluttini

Was auf den Teller kommt

Die Vorgaben waren rigoros, die Ansprüche hoch: Im Palmenhaus des Wiener Burggartens war ein vielseitig bespielbares Lokal auszustatten. Die Gestaltung durch Eichinger oder Knechtl setzt Maßstäbe für die Adaptierung von Räumen dieses Formats.

30. Januar 1999 - Liesbeth Waechter-Böhm
Am Palmenhaus des Friedrich Ohmann (1901 bis 1907 erbaut) im Wiener Burggarten ist man jahrzehntelang vorbeigegangen und dachte sich: Was für ein wunderbares Gebäude! Und: Ein Jammer, daß nichts damit geschieht. Das hat sich nun geändert. Denn inzwischen wurde es unter den kritischen Augen des Denkmalamtes von Herbert Prehsler renoviert.

Es ist nicht alles optimal gelungen: Zum Beispiel das Design des Windfangs des neuen Lokals, dessen Standort jetzt in den Mitteltrakt verlegt ist. Als dessen Betreiber Eichinger oder Knechtl mit der Ausstattung beauftragte, war der Raum schon mit allen Einrichtungen und Installationen, die ein Restaurantbetrieb braucht, ausgestattet: Das gilt nicht nur für den Windfang, sondern auch für den hellen Natursteinboden, für die Position der Küche, den WC-Abgang und die Ausstattung der WC-Anlagen, für Lüftung und Heizung. Im Grunde hatten sich Gregor Eichinger und Christian Knechtl also auf die – nennen wir es: Benutzeroberflächen für den Gast zu konzentrieren.

Vom Programm her ist das Lokal höchst vielschichtig konzipiert. Da das Glashaus an einer touristischen „Hauptverkehrsader“ liegt – auf dem Weg von der Oper zur Hofburg –, geht es schon vormittags los. Hier kann man daher frühstücken und mittagessen, nachmittags gibt es Kaffeehausbetrieb, abends Essen – wobei besonderer Wert auf ein spezielles Weinangebot gelegt wird –, nachts Barbetrieb, gelegentlich sogar mit DJ und zeitgenössischer Musik.

Obendrein soll das Lokal als Veranstaltungsort etabliert werden: etwa für Modeschauen. Und in der warmen Jahreszeit wird zu den150 Sitzplätzen im Glashaus noch ein gewaltiger Terrassenbetrieb hinzukommen, der sich nicht nur auf dem Niveau des Ohmann-Baus, sondern auch unten, auf der Ebene des Burggartens, abspielen wird und sage und schreibe 500 Sitzplätze umfassen soll.

Eigentlich würden diese unterschiedlichen Nutzungen nach entsprechend differenzierten „Milieus“ verlangen. Ein Kaffeehaus, ein anspruchsvolles Restaurant und eine Bar unter einen Hut zu bringen ist keine Kleinigkeit. Doch Eichinger oder Knechtl sind erfahrene Lokalarchitekten. Sie haben Restaurants, Kaffeehäuser, Bars gemacht, „Szenelokale“ gewissermaßen, und daher haben sie diese Gratwanderung auch mit Bravour absolviert. Funktionen wie Bar und Küche wurden an der (massiven) Rückwand des Glashauses angelagert, der Sitzbereich für die Gäste ist zwischen Glashaut und der Mittelachse des Bauwerks situiert, und dazwischen ist soviel Platz frei, daß man auch eine Modeschau durchführen kann. Wobei der linke Seitentrakt, in den die Schmetterlinge aus Schönbrunn Einzug gehalten haben,zwar tabu bleibt, der rechte aber, wo derzeit eine Fülle von Topfpflanzen überwintert, in der wärmeren Jahreszeit leer steht und bei solchen spezifischen Veranstaltungen mitbenützt werden könnte. Übrigens kommt diese Vorgabe, so einschränkend sie auf den ersten Blick sein mag, dem gesamten Raumklima eindeutig zugute. Denn die Möblierung wirkt dadurch sparsam, man hat nirgendwo das Gefühl, daß die Raumausnutzung auf die Spitze getrieben ist.

Eichinger oder Knechtl haben die Küche selbst offen konzipiert, nur ein funktionell notwendiger Zusatzbereich ist abgeschirmt. Ihm ist eine Stiege hinauf in eine neu eingeführte Ebene vorgelagert, auf der sich das kleine Büro des Betreibers befindet – eine Art Cockpit, von dem aus man den gesamten Mitteltrakt überblickt. Das schildartige Element, hinter dem sich der Zugang zum Küchenbereich und die Treppe verbergen, ist aus mattiertem Glas.

Die Bar mißt ungefähr acht Meter. Sie hat eine Art „Handlauf“, der abgehoben ist, auf den man sich aber sehr gut stützen kann – er ist sozusagen „körpergerecht“ konzipiert–,während man die Gläser auf dem Niveau der Arbeitsfläche des Barkeepers abstellt.

Hinter der Bar gibt es offene Regale mit Flaschen, wie das so üblich ist, es gibt aber vor allem auch gekühlte Vitrinen (mit Glastüren),in denen unter anderem die edlen Weißen verwahrt werden, die die Weinkarte bietet. Außerdem findet sich an der „massiven“ Gebäuderückwand noch ein beigefarbener, teflonbeschichteter Gitterscreen, der so durchscheinend ist, daß selbst das Denkmalamt nicht bemängeln konnte, daß er den Blick auf die historische Substanz verstellt. Er ist andererseits so funktionstauglich, daß man darauf projizieren kann. Nächtens, bei Barbetrieb, wirft derzeit ein einzelner Projektor Künstlervideos auf diesen Schirm; geplant ist eine Bespielung des gesamten Screens mit drei Projektoren.

Tische und Sessel sind, wie gesagt, locker gruppiert. Die Sessel stammen aus Italien, ein Serienprodukt, das einfach, aber bequem ist und das es derzeit praktisch noch nicht auf dem Markt gibt. Eichinger oder Knechtl haben die erste Serie dieses Produkts beauftragt, eine zweite ging nach Neuseeland; erst jetzt wird die Produktion wieder aufgenommen. Die Tische sind ein Entwurf von Eichinger oder Knechtl selbst. „Dabei“, sagt Gregor Eichinger, „sind wir kein Risiko eingegangen. Wir haben an die zehn Lokale in Wien exakt vermessen und gescannt, einschließlich traditioneller Vorstadtlokale, und dann erst – selbstverständlich unter Berücksichtigung der Tellergrößen – die exakte Dimensionierung der Tische festgelegt.“

Jetzt sitzt man jedenfalls sehr angenehm dort, man ist nicht zu weit voneinander entfernt, um auch intime Gespräche zu führen, man hat aber auch nicht zu wenig Platz. Solche Dinge tragen wesentlich zur funktionellen Qualität eines Lokals bei. Ebenso wie die Belichtung: Besonders in einem eher anspruchsvollen Restaurant will man sehen, was man auf dem Teller hat. Andererseits will man aber nicht in einem gleichmäßig ausgeleuchteten Raum sitzen, denn das widerspricht der Individualität des jeweiligen Tisches.

Mit dem Licht hat Gregor Eichinger so seine Erfahrungen: Er kenne ein Lokal, in dem in zwei Räumen unterschiedliche Belichtungssysteme eingesetzt wurden. In bei den Räumen wurde das gleiche Essen serviert. Dort, wo die Raumbeleuchtung gleichmäßig diffus gewesen sei, sei es immer wieder zu Reklamationen gekommen; dort, wo der einzelne Tisch ausgeleuchtet worden sei, habe alles bestens funktioniert.

Eine Lektion, der man im Palmenhaus nur unter extrem erschwerten Bedingungen Folge leisten kann. Denn der Raum mißt in der Höhe immerhin 15 Meter, und das bedeutet, daß für eine intime, aber effiziente Tischbeleuchtung sehr viel Licht benötigt wird. Gregor Eichinger meint, daß dieses Problem noch nicht optimal gelöst sei. Tatsächlich fühlt man sich aber ausgesprochen wohl. Und die Tatsache, daß auf Tage hinaus im Palmenhaus kein Tisch zu bekommen ist, dürfte das wohl bestätigen.

Räume, wie sie der Ohmann-Bau bietet, haben internationales Format. In Wien tendiert man dazu, dieses auch anderweitig reichlich vorhandene Potential zu vernachlässigen. Dem Burggarten-Lokal kommt bei der Behebung dieses Mankos möglicherweise Schrittmacherfunktion zu. Das gilt besonders im Hinblick auf den Terrassenbetrieb: Denn da braucht nicht um 22 Uhr Ruhe zu sein, er liegt schließlich in einem Park und weitab von jedem Wohnviertel, und da ist dann auch genügend Platz, um sich an einem spektakulären Ort zu verabreden, wo man aber nicht notwendigerweise zuvor einen Tisch reservieren muß, weil einfach so viele Sitzplätze da sind. Einer Großstadt steht das wohl an.

Eichinger oder Knechtl sind mit dem Palmenhaus souverän umgegangen. Tatsächlich gibt es hier ja nur sieben Palmen. Und die wachsen aus recht unschönen Töpfen. Aber natürlich mußten sie einbezogen werden. Das ist in der Hülle eines„technischen“ Möbels geschehen, das die Töpfe verbirgt, das gleichzeitig elektrische Installationen sowie die sogenannten Kellnerstationen beinhaltet und das obendrein eine starke Lichtquelle enthält, das die jeweilige Palme ausleuchtet.

Offen bleibt die Frage, wie sich das Palmenhaus im Sommer bewähren wird. Die Glashaut ist beschattbar, die Laternen und die Glasfront kann man öffnen, es wird – möglicherweise – ein Sog entstehen, der die heiße Luft nach oben abtransportiert. Ganz abgesehen davon, daß man in der wärmeren Jahreszeit natürlich draußen sitzen wird. Trotzdem: Erprobt ist das alles nicht. Denn als Eichinger oder Knechtl mit ihrer Planung begonnen haben, war das Glashaus vollständig eingerüstet. Und bis sie den Auftrag in der Tasche hatten, war räumlich und von den Installationen her das meiste vorgegeben.

Wie auch immer. Der Raum ist 15 Meter hoch und kann viel verkraften. Und was die rigorosen Ansprüche und Vorgaben betrifft, muß man einfach konstatieren: Eichinger oder Knechtl wissen Bescheid. Selbst wenn es um ein sehr spezifisches Programm geht: Auch sie können viel verkraften.

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