Bauwerk

Stadthalle
Klaus Kada - Graz (A) - 2002
Stadthalle, Foto: Plösch

Stadloggia mit 6000 Sitzen

Ausgeschrieben hatte die Stadt Graz eine Messehalle. Klaus Kada projektierte ein Veranstaltungs- und Kongreßzentrum und baute nun jene multifunktionelle Halle, die den Grazern seit Jahren versprochen war.

19. Oktober 2002 - Karin Tschavgova
Ein zweites attraktives Stadtzentrum nicht weit vom Grazer Rathaus, wie Klaus Kada es sich erträumt, ist der Standort seiner neuen Grazer Stadthalle noch lange nicht. Noch ist dort eine „Gegend“, planlos verbaut und wenig einladend, wenn auch verkehrstechnisch günstig an Straßenbahn, der Bahnlinie und der Autobahnanbindung gelegen. Dominiert wird dieser Stadtteil vom Areal der Grazer Messe mit ihrem Wildwuchs an Hallenbauten, Kiosken, Bretterbuden und freien Ausstellungsparzellen.

Kadas Vision von der pulsierenden Mitte der Achse Hauptplatz - Liebenauer Stadion mit der Stadthalle als Attraktor ist dort schwer vorstellbar, wo Tankstellen, McDonald's-Drive-in, eine Gstätten als messeeigener Großparkplatz und ein Fußballplatz, der bessere Zeiten gesehen hat, den Rahmen bilden. Andererseits bergen solche Orte ein immenses Potential an Entwicklungsmöglichkeiten, sie bieten sich geradezu an für weit vorausschauende Planungen in größeren Zusammenhängen. Aus stadtplanerischer Sicht wäre diese Lage bestens geeignet für eine zentrumsnahe Stadtverdichtung, für eine gemischte Nutzung mit Wohnbauten, Bürohäusern und Gewerbe. Die Messeleitung jedoch zeigte Beharrungsvermögen gegenüber allen Absiedlungsplänen. Eine aktuelle Meldung, wonach man dem Bau der Stadthalle bis 2007 drei weitere Riesenhallen mit einem Investitionsvolumen von 60 Millionen Euro folgen lassen will, weist auf „einzementieren“ hin und legt nahe, daß die Chancen für jede andere Entwicklung verbaut sind.

Als Veranstaltungs- und Kongreßzentrum wertet die neue Stadthalle den Bezirk zweifellos auf und gibt ihm, an der Stelle des ehemaligen Haupteingangs zur Messe, ein signifikantes Zeichen. Kada hat sich nicht nur mit seiner Interpretation und Erweiterung des Raumprogramms zu einer multifunktionalen Halle über die Ausschreibungsvorgaben hinweggesetzt, er hat der horizontalen Ausrichtung der mit 96 mal 66 Meter etwa fußballfeldgroßen Halle auch ungefragt einen Turm als vertikales Pendant hinzugefügt. Diese Eigenmächtigkeit hat man ihm anfangs auch nicht nachgesehen. Gewonnen hat den Wettbewerb nämlich ein Projekt, das die Vorgaben erfüllt hat. Allzu brav und ohne Strahlkraft, wie die Stadtväter bald erkannten, worauf man Kadas Entwurf durch die Hintertür des Kleingedruckten über das Verhandlungsverfahren wieder zurückgeholt hat. Ein Anlaß mehr, präzise und sorgfältig vorbereitete Wettbewerbe einzumahnen.

Allenfalls, könnte man einwenden, heiligt das Ergebnis die Mittel (das unsaubere Vorgehen des Auslobers), und tatsächlich scheint schon jetzt die von Kada vorgeschlagene große Lösung die einzig richtige. Mit einer Einschränkung: Es ließe sich darüber streiten, ob die Positionierung des Turms an der stadtnahen Seite der Halle städtebaulich richtig ist. Ob dadurch nicht vielmehr der durch das mächtige Dach gedeckte Hallenvorplatz, vom Architekten als Stadtloggia bezeichnet, mit dem auffallend violetten skulpturalen Körper des Plenarsaals in seiner Einsehbarkeit eingeschränkt wird. Allerdings gab es die Auflage, eine innere Anbindung an die Halle 12 herzustellen, und ein in sich geschlossener Bauteil wie der Turm wäre dabei hinderlich gewesen. Daß die alte Halle nun doch abgetragen und die Anknüpfung vorerst obsolet wird, verweist weniger auf Ironie als auf das Manko vorausschauender Planung.

Der Architekt hingegen hat beharrlich seine Vorstellung von einer zeitgemäßen Halle umgesetzt. Sie beginnt im großen, transparenten und lichtdurchfluteten Foyer, das gemeinsam mit den beiden Seitenfoyers zum angenehm großzügigen Wandelgang in Ruhepausen wird. Räumliche Verschränkungen mit dem Tagungsbereich im Obergeschoß, die Integration des Cafés auf einer zusätzlich eingezogenen offenen Ebene im nördlichen Foyer und überall angestrebte Durchlässigkeit ermöglichen die Teilnahme am Geschehen in der Halle von fast jedem Punkt aus, wahlweise auch den Bezug zur Straße oder zum kleinen kastanienbestückten Park.

Tief in die Halle läßt Kada blicken; Transparenz vom Straßenraum durch das Foyer hindurch ist ihm ein Anliegen. Will man die 6500 Quadratmeter große stützenfreie Halle mit einer imposanten Höhe von 14 bis 18 Meter ganz verdunkeln, schließt man die raumhohen Vorhänge zum Foyer. Soll hingegen die für 6000 Sitzplätze oder 11.200 Stehplätze ausgelegte Halle ins Freie erweitert werden, so öffnet man jene elf spektakulären Tore der Rückfront zum Messeareal, von denen jedes die gewaltige Dimension von 4,4 mal 18 Meter aufweist und sich über eine außermittige Drehachse erstaunlich schnell und leise in die Längsachse drehen und auch wieder schließen läßt. Ebenso beeindruckend, vervollständigen bewegliche, raumhohe Wandelemente über ein Drittel der Längswand Kadas Idee vom fließenden Raum, der nach Bedarf und Jahreszeit zur gedeckten offenen Arena werden kann. Mit extrem hohen Anforderungen an Schall- und Brandschutz (Schallschutz für 100 dB und Brand-widerstandsklasse F 90 waren gefordert) ist dem Büro mit diesen hochkomplexen Bauteilen ein Husarenstück gelungen. Der Eindruck der vollkommenen Offenheit war nur erreichbar durch das Vermeiden eines zu engen Stützenrasters. Vier behäbige konische Ortbetonstützen mit einem Durchmesser von bis zu 2,8 Meter tragen das mächtige Dach von 150 Meter Länge und 70 Meter Breite, das an der Eingangsseite 46 Meter auskragt.

Mit ihrer Orientierung zum Straßenraum hält sich die Stadthalle alle Optionen offen. Sie eignet sich als integrierbarer Teil jeder weiteren Entwicklung der Grazer Messe an diesem Ort, könnte jedoch auch autonom, als Solitärbau bestehen. Mit der weiten Ausladung des Dachs ist sie jetzt gleichsam ein Fingerzeig auf das Brachland der anderen Straßenseite. Dort, wo sich hinter niedrigen Behelfsbauten der ehemalige Fußballplatz der „Roten Teufel“ nur mehr mühsam auf den Beinen hält, wäre ein ihr angemessenes Gegenüber mit ergänzender Infrastruktur denkbar in Form eines Kongreßhotels
mit Tiefgarage, Dienstleistungsbetrieben und Nahversorgern. Gemeinsam könnten beide eine weithin sichtbare optische Einschnürung des Straßenraums ergeben, ein städtebaulich markantes Halt!-Zeichen, das schon von weitem auf einen besonderen Ort verweist. Auf das neue Zentrum, von dem Klaus Kada träumt, in bester Auslegung des Berufsbildes eines Architekten als Vordenker.

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