Bauwerk

Fabios
BEHF Architects - Wien (A) - 2002
Fabios, Foto: Alexander Eugen Koller

Ein Film aus Raumsequenzen

Restaurant und Bar von zeitloser Materialität; 120 großzügig dimensionierte Sitzplätze mit klassisch gedeckten Tischen; das Ambiente ein Bühnenbild für die Auftritte einer gehobenen Klientel: nobel, nobel. Das „Fabios“ von BEHF in der Wiener Innenstadt.

29. Juni 2002 - Liesbeth Waechter-Böhm
Nicht nur gastronomisch, auch architektonisch ist die Wiener Lokalszene schon seit langem speziell. Von Hermann Czech über Eichinger oder Knechtl bis Helmut Richter - um ein paar extreme Positionen zu nennen - ließe sich hierzulande ein breites Spektrum unterschiedlicher architektonischer Haltungen nur anhand von Lokalen auffächern. Das neue „Fabios“ in den Wiener Tuchlauben gehört da auch dazu, obwohl es atmosphärisch einen Ton anschlägt, dem gerade das Spezielle dieser sehr persönlichen Architektur-Statements fehlt. Das heißt, auf Anhieb würde wohl kaum jemand auf den Gedanken kommen, daß es sich hier um einen Entwurf von BEHF handelt.

Von diesem Büro, das sich vor allem auf dem Gebiet der Verkaufsketten- und Geschäftsarchitektur (Libro zum Beispiel) verdient gemacht hat, ist man anderes gewöhnt: zumindest eine Materialität, die stärker mit dem Zeitgeist operiert. Nichts - oder fast nichts - davon im „Fabios“. Armin Ebner von BEHF (Projektleitung: Petra Simon) hat hier ganz auf Zeitlosigkeit gesetzt, auf Langlebigkeit und natürlich auf Noblesse. Denn das sollte es schließlich sein: ein großstädtisches Nobellokal, Restaurant und Bar, mit 120 Sitzplätzen und einem Ambiente, das als Bühnenbild für den Auftritt einer gehobenen Klientel funktioniert.

Holz, Leder und Glas, auch in Form von Spiegeln, darauf läßt sich die Materialsprache des „Fabios“ im wesentlichen reduzieren. Vor allem das Glas drängt sich straßenseitig sehr signifikant ins Bild. Denn das Lokal, das sich über zwei Liegenschaften erstreckt, nützt einen Rücksprung in der bestehenden Bauflucht für einen etwa drei Meter tiefen Glasvorbau aus. Daß es dafür eine Genehmigung gab, ist bemerkenswert und wohl auch dem routinierten Baumanagement der Werkstatt Wien zu verdanken. Tatsache ist jedenfalls, daß die neue Glasfront ein architektonisches Signal setzt, das den Tuchlauben an dieser Stelle ausgesprochen gut tut - und das bei jedem Wetter, also auch jetzt im Sommer, wenn die Glasscheiben hochgeklappt sind.

Wie gesagt: zwei Liegenschaften - ein Lokal. Das Restaurant zieht sich um die Ecke, in die Milchgasse hinein, Eingang und Bar sind im zweiten Haus. Wobei der Eingang schon fast unscheinbar ist, so bescheiden gibt er sich: Nur ein ganz kleines Emblem zwischen dem Eingang und einer raumhohen Fensterscheibe, die jetzt im Sommer offen ist, trägt den Schriftzug „Fabios“ (übrigens entworfen von „designwerk“). Nobel eben.

In der Bar selbst ist man dann ein erstes Mal jener zeitlosen Materialität konfrontiert, die sich durch das ganze Lokal zieht: Nußholz auf dem Boden und an der Decke, die eine Längswand mit dunkelbraunem Leder gepolstert; in diese Wand eingeschnitten kleine Nischen, wo man ganz angenehm sitzen kann; an der schmalen Rückwand eine Verglasung, in die ein Videoscreen eingelassen ist; links an der Bar entlang der Weg vom Restaurant zu den Toiletten, von der Bar aus geht man am besten andersherum dorthin - den Waschräumen ist nämlich ein verglaster (nicht transparent) Durchgangsraum vorgeschoben.

Man sitzt auf Leder oder steht an der 13 Meter langen Bar. Und man hat merkwürdigerweise nicht das Gefühl, daß der Raum zu niedrig ist, obwohl er die im sozialen Wohnbau übliche Raumhöhe nur um 20 Zentimeter (!) überschreitet. Das ist sehr geschickt gelöst. Ebenso bemerkenswert, daß man nicht wirklich merkt, daß der Fußboden in die Raumtiefe hinein ein Gefälle von immerhin 40 Zentimetern aufweist. Nur wenn man vom Eingang her in den Raum schaut, nimmt man den Eindruck einer perspektivischen Manipulation flüchtig wahr. Dabei war dieser Kunstgriff gar nicht gewollt, sondern erzwungen: Denn unten drunter ist die Tiefgarage der Ersten Österreichischen, und das brachte eine Vielzahl von Zwängen mit sich.

Am Restaurant überrascht zuallererst die ungewohnte räumliche Großzügigkeit. Es heißt zwar, daß sich ein Restaurant dieser Kategorie nicht unter 110 oder 120 Sitzplätzen ökonomisch führen läßt - und die gibt es hier ja auch -, aber der Raum ist trotzdem nicht vollgestellt. Sogar die Logen an der Rückwand sind so dimensioniert, daß zum Nachbartisch reichlich Abstand besteht. Überhaupt ging es ja darum, gleichwertige Plätze zu schaffen. Denn wer geht schon gern gut (und eher teuer) essen, um dann an einem schlechten Tisch zu sitzen.

Es ist alles vom Feinsten. In den Ledersesseln sitzt man hervorragend, die Tische sind richtig dimensioniert. Und gedeckt sind die Tische gewissermaßen „klassisch“, also mit weißen Tischtüchern. Ausgesprochen raffiniert ist das Lichtkonzept: Christian Ploderer mischt weißes und oranges Licht, so daß eine sehr warme und angenehme Lichtmalerei auf den Tischen entsteht - sie tut den Gesichtern gut, aber auch den Speisen. Und auf beides kommt es an.

Ein intelligentes Ausstattungsdetail ist die durchgehend verspiegelte Rückwand des Raumes. Sie ist sehr dunkel getönt, und ein weißer Store ist darübergezogen. Das ergibt einen ausgesprochen interessanten Effekt.

Denn das Geschehen draußen auf der Straße bildet sich dort als unscharfe, schemenhafte Bewegung ab. Mit der Penetranz herkömmlich verspiegelter Räume, in denen man sich ständig selbst beobachtet, hat das nicht das geringste zu tun. Es ist ganz unaufdringlich. Eine Art lebendes Bild, das aber nicht mit den Mitteln bloßer Dekoration erzeugt wird.

Auf einen solchen Nenner läßt sich diese Lokalarchitektur von BEHF vielleicht überhaupt reduzieren. So dekorativ sie sich in der Summe der Einzelmaßnahmen auch präsentiert, bloßes Dekor kommt trotzdem nicht vor.

Es handelt sich eher um eine subtile Komposition aus bildhaft umgesetzten Informationen, auch um eine Addition von Raumsequenzen, die alle zusammen eine Art Kurzfilm ergeben. Daß dieser Kurzfilm eher von den Reichen, zumindest den Erfolgreichen handelt, schreckt manchen vielleicht. Andererseits - lügen wir uns doch nicht selbst in den Sack - gehört auch so etwas zur Großstadtszene dazu.

Am ehesten könnte man noch mit seiner „weltläufigen“ Konservativität gegen diese Lokalarchitektur anargumentieren. Denn auf eine neue Art konservativ - oder vielleicht richtiger: traditionell - ist das Lokal schon. Aber da bin ich Fatalist: Wenn ich gut essen gehe, kommt es mir auf die Qualität der Speisen und die angenehme Gesellschaft an. Und der Rest soll mich auf keinen Fall belästigen, wenn er erfreulich ist, umso besser. Unter diesen Vorzeichen gibt es nur ein Fazit aus dem Ambiente des „Fabios“: Nobel, nobel.

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