Bauwerk

IBM redesign DIANA
Rudolf Prohazka - Wien (A) - 2001
IBM redesign DIANA, Foto: Margherita Spiluttini
IBM redesign DIANA, Foto: Margherita Spiluttini

Von der Luft über den Köpfen

Beispielhaft für den Umgang mit der nicht unproblematischen Bausubstanz vom Ende der sechziger Jahre: Rudolf Prohazkas Überformung des IBM-Gebäudes am linken Donaukanalufer, Wien-Leopoldstadt.

26. Oktober 2001 - Walter Zschokke
Zueinander stehen sie orthogonal, aber städtebaulich beziehen sie sich auf gar nichts. Die beiden Scheibenhäuser am Donaukanal zwischen Salztor-und Marienbrücke mit Rasterfassaden aus Betonelementen erleichterten die Aufgabe einer architektonischen neben der gebäudetechnischen Erneuerung keineswegs. Hermann Czech bemerkt dazu: „Wenn Fehler groß genug sind, nennt man sie Stadtentwicklung, und mittlerweile sind diese beiden Baukörper gleicher Fassadenstruktur, aber unterschiedlicher Proportion Teil der Wahrnehmung des Donaukanals. Soweit Czech zur normativen Kraft des Faktischen.

Als daher die Wiener Städtische Versicherung als Eigentümerin und die Österreich-Zentrale von IBM als langjährige Mieterin des südlichen Baukörpers –der nördliche gehört Raiffeisen –eine Erneuerung ins Auge faßten, riet Czech zu einem geladenen Wettbewerb und leitete die Jury. Es wurden Konzepte gesucht, die bei laufendem Betrieb das Gebäude strukturell und technisch auf einen zeitgemäßen Stand bringen und eine architektonische Verbesserung bewirken sollten.

Rudolf Prohazka, Wiener Architekt der mittleren Generation, der den Wettbewerb gewann, schlug an drei Seiten eine zusätzliche Glashaut vor, legte im Inneren großflächig die Deckenstruktur frei, durchbrach an mehreren Stellen den langgezogenen Kern im Mittelbereich und erweiterte das Attikageschoß zu einem Sitzungs- und Seminarzentrum.

Die vor die alte Fassade gesetzte Schicht aus Glas verbessert den Schallschutz und verändert die bauphysikalische Disposition. Der Sonnenschutz kann vor den Fenstern geführt werden, ist aber windgeschützt und damit weniger störanfällig; und die Betonstruktur der Fassade, vorher im Winter als Kühlrippen wirkend –innen (!)waren als „Dämmung“ drei Zentimeter Heraklith angebracht –ist weniger ausgesetzt und gleicht als Speichermasse Schwankungen aus. Die vom Treibhauseffekt erwärmte Luft zwischen alter und neuer Fassade kann zuoberst durch automatisch bedienbare Öffnungen entweichen. Gitterstege dienen der Reinigung, mit Brandüberschlagsklappen alle drei Geschoße dem Brandschutz.

Architektonisch gelang es Rudolf Prohazka, unter Verzicht auf zusätzlich sichtbare Elemente wie Verspannungen und dergleichen, bloß mit der Konstruktion der Putzstege sowie über oben und unten aufgeklebte Edelstahlbleche, die Glastafeln vor der alten Fassade solcherart zu befestigen, daß eine dichte Haut entsteht. Mit der genialen Idee einer flachen Vorwölbung der gesamten Südseite verleiht er der äußeren Hülle Spannung, die in jeder einzelnen Glastafel besteht und sich im Großen ganzheitlich auswirkt, weil die gebäudehohe Fläche nicht in kleine Facetten zerfällt. Mit der leichten Wölbung gelingt dem Architekten auch eine städtebauliche Bezugnahme auf die Flußbiegung. Vertikale und horizontale Krümmung treten in eine feinsinnige Beziehung.

Da die äußerste Hülle nur aus einer einzigen Schicht Glas besteht, wirkt sie wasserartig durchsichtig, anders als man es von Isolierglas gewöhnt ist, wo vier Reflexionsebenen die Transparenz reduzieren. Daher ist die alte Fassadenstruktur weiterhin gut erkennbar. Alt und neu verbinden sich zu einem neuartigen, beide Komponenten übersteigenden architektonischen Ausdruck.

Im Inneren ging es vor allem um eine Reorganisation der Bürostruktur, vom abgeschlossenen Einzelbüro zu offenen Gruppenbüros. Das Entkleiden der Tragstruktur an der Deckenuntersicht, das heißt der Wegfall der abgehängten Decken und die Konzentration von Installationen auf einen Kernbereich, bewirkte vor allem zweierlei: Erstens gewinnt der Charakter der Baustruktur an Prägnanz, die räumliche Amalgamierung der Geschoße durch die flache Rasterdecke entfällt. Doch stärker fällt zweitens der Gewinn an Raumhöhe ins Gewicht, es entsteht spürbar mehr „Luft“ über den Köpfen, was den Mitarbeitern sicher nicht unangenehm ist.

Für die Kästen der Standardmöblierung wurden gelochte Türblätter mit schallabsorbierender Wirkung verwendet. Und für die temporär anwesenden Mitarbeitern, die auf Telearbeit und Desksharing umstellen wollten, teilweise auch mußten, entwarf Prohazka einen Caddy, der im individuellen Schrank abgestellt, mit dem Nötigen gefüllt und zum ausgewählten Arbeitsplatz gerollt werden kann.

Eine hochdrehbare Arbeitsplatte erlaubt sogar das stehende Arbeiten am Laptop. Dies mag auf den ersten Blick befremden, Arbeitsphysiologen betonen jedoch, daß ein Wechsel von sitzender und stehender Arbeitsweise Rückenbeschwerden vorbeugt. Wen wundert es, daß der Desksharing-Caddy kürzlich die Nomination zum Staatspreis für Design erhalten hat.

Beim Eingangsgeschoß und beim Dach griff der Architekt stärker ein. Um das Foyer großzügiger zu machen, ließ er in diesem Bereich die Deckenelemente herausheben, sodaß eine repräsentative Eingangshalle entstand. Das Firmenrestaurant wurde ebenfalls aufgefrischt, der Garten einbezogen und ein Café für kurze Pausen eingerichtet. Unaufdringlich zeitgemäß trifft der Gestalter den Stil für ein zukunftsorientiertes Unternehmen: Standardisierung und Individualität mischen sich in angenehmer Weise.

Im Attikageschoß konnten die Rohbaustrukturen der alten Klimazentrale zu Seminar- und Sitzungszimmern umgestaltet werden. Ihre größere Höhe bietet repräsentative Raumproportionen, die Aussicht auf die Wiener Innenstadt ist schlicht erhebend. Der südseitig über die gesamte Länge gezogene Wintergarten dient als Wandelgang, Pausen- und Erholungsbereich. Die neue Klimazentrale fand darüber, unter der neuen Dachtonne, ihren Platz.

Über die grundsätzliche Qualität der gesamten Entwurfsarbeit hinaus ist die Erneuerung des aus den späten sechziger Jahren stammenden, von Architekt Georg Lippert geplanten Gebäudes beispielhaft für den Umgang mit der nicht unproblematischen Bausubstanz aus dieser Zeit. Das eine zu tun, das andere nicht einfach zu lassen, diese schwierige Gratwanderung ist Rudolf Prohazka gemeinsam mit der Bauherrschaft zweifelsfrei gelungen.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
IBM Österreich

Tragwerksplanung

Fotografie