Bauwerk

Arbeitsamt Liesing
Ernst A. Plischke - Wien (A) - 1932
Arbeitsamt Liesing, Foto: Manfred Seidl
Arbeitsamt Liesing, Foto: Manfred Seidl

Wohnen und Arbeiten im Juwel der Moderne

Jahrelang verfiel das Arbeitsamt in Liesing unter den Händen des Wirtschaftsministeriums. Einer Privatinitiative ist es nun zu verdanken, daß dieses seltene Beispiel der Moderne in Österreich gerettet wird.

16. April 1997 - Gert Walden
Die Wiener „Stadterneuerungs- und Eigentumsges.m.b.H.“ (SEG) konnte das Gebäude von Ernst Anton Plischke (1903-1992) aus dem Fundus der Bundesimmobiliengesellschaft für 7,5 Mio.S ersteigern und läßt es von Architekt Hermann Czech mit dem beträchtlichen Aufwand von 16 Mio. S restaurieren. Dafür entstehen eine Büroeinheit mit 335 Quadratmetern und zwei Wohnung mit je 66,5 Quadratmetern und 99 Quadratmetern Fläche.

Ökonomisch betrachtet ist das Unternehmen der SEG eine Liebhaberei, denn die Auflagen des Denkmalschutzes und die periphere Lage gestalten die Verwertung schwierig. Für alle jene, die eine kulturelle Verantwortlichkeit von Immobilien-Developern einfordern, dient das Projekt der Rettung eines Gebäudes, das die spezifischen Qualitäten der österreichischen Moderne vermittelt.

Ernst Anton Plischkes Werk muß im Rahmen der funktionalistischen Architektur gesehen werden. Der pädagogische Anspruch wird eingefordert und baulich mit einer transparenten Hülle als Synonym für Öffnung der staatlichen Behörde umgesetzt. Materielle Grundlage für diese Programmatik ist die Konstruktion in Stahlbeton-Skelettbauweise. Ihre Trägerelemente bestimmen die räumliche Disposition und sind Haltepunkte für großzügige Fensterflächen, die den funktionalen Ablauf im Haus sichtbar machen.

Aber die Architektur des Arbeitsamtes vermochte noch mehr zu leisten als die proklamierte Änderung von Arbeitsbedingungen. Die Funktion des Gebäudes transzendierte mit seinen ausgefeilten Proportionen zur reinen Form, die in ihrem bestimmten Minimalismus Bescheidenheit und Selbstbewußtsein der Architektur erklärte. Die Verbindung von Transparenz und Demokratie wurde vom NS-Regime sehr wohl verstanden und daher ein Mitschüler Plischkes beauftragt, diesen „Mißstand“ mittels einer dichten Verpackung der filigranen Konstruktionen zu ändern. Die 2.Republik ignorierte schließlich das Gebäude.

Plischkes Schüler Hermann Czech plant nun an der Restaurierung der Hauses in der Neumanngasse. Die Konstruktion wird freigelegt und erneuert, spätere Zubauten müssen abgerissen werden. Neu ist auch der Verwendungszweck. Die SEG will hier ein zusammenhängendes Büro im pavillonähnlich strukturierten Erdgeschoß anbieten. Hier wird auch der nach außen hin sichtbarste Eingriff Czechs erfolgen, denn die Fenster der ehemaligen Warteräume müssen durch tieferliegende Öffnungen ergänzt werden, um eine direkte Belichtung der neuen Arbeitsplätze zu ermöglichen. Architektonisch betrachtet erhält die abstrakte Hülle Plischkes damit stark physiognomisch wirkende Details.

Pragmatischer – auf Grund der Bauvorschriften – sind die Änderungen in der Verglasung. Im Erdgeschoß sind Isolierglasscheiben vorgesehen, im Obergeschoß kommen wieder die Einfachverglasungen für den unbeheizten Korridor. Die Präzision der Restaurierung, die im Dezember abgeschlossen wird, läßt hoffen, daß ein Meisterwerk der Moderne wiederersteht. Ein künftiger Büromieter kann mit der Umwegrentabilität für das Marketing seines Unternehmens rechnen.

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