Bauwerk

Wiener Werkbundsiedlung
Josef Frank - Wien (A) - 1932

„Adolf Loos würde sich erschießen“

Die Werkbundsiedlung in Wien-Hietzing, entworfen als Musterbeispiel fürs Wohnen im Einfamilienhaus, muss dringend saniert werden. Dabei sollen Veränderungen rückgebaut werden - sehr zum Ärger der Bewohner.

18. August 2009 - Tobias Müller
An heißen Tagen badet die Sprechstundenhilfe Franziska Ehrenreich gerne im Pool ihres Hauses in Hietzing. Abends grillt sie auf ihrer Terrasse. Seit die beiden Kinder ausgezogen sind, haben sie und ihr Mann Wolfgang die ganzen 56 Quadratmeter Wohnfläche für sich. 250 Euro Miete zahlen sie dafür pro Monat.

Doch das Idyll droht zu verfallen: Die Terrasse senkt sich ab, wenn es regnet, rinnt Wasser durch die Dachluken. Wegen der schlechten Isolierung zahlt Frau Ehrenreich fast mehr für die Heizung als für die Miete. Doch reparieren darf sie ihr Schmuckstück nicht. Das darf nur das Denkmalamt. Frau Ehrenreich wohnt in der Werkbundsiedlung in Hietzing, die 1932 erbaut wurde und unter Denkmalschutz steht.

Im Herbst wird das Amt mit Untersuchungen an zwei leerstehenden Häusern beginnen, um die Kosten einer Generalsanierung zu errechnen. Für Friedrich Dahm, Landeskonservator von Wien, ist die Siedlung ein „Weltdenkmal“, das unbedingt erhalten werden muss. Ziel der Sanierung wird es sein, den Zustand von 1932 möglichst genau wiederherzustellen. Griller und Swimmingpools gab es damals keine.

1932 wurde die Siedlung als Ausstellung des Österreichischen Werkbundes gebaut, zu dem sich Künstler, Industrielle und Handwerker zusammengeschlossen hatten. Die 70 Häuser wurden von den wichtigsten Architekten der Zeit als Modelle für das Wohnen der Zukunft entworfen: Adolf Loos, Margarethe Schütte-Lihotzky, Thomas Rietfeld, Josef Frank oder Clemens Holzmeister machten mit. 100.000 Menschen besuchten 1932 die Ausstellung. Heute besichtigen immer noch zwei Busladungen pro Woche die Werkbundsiedlung.

Gartenstadt statt Volkspalast

Der Architekt Josef Frank organisierte die Ausschreibung und gab das Motto vor: Mit dem geringsten Aufwand sollte die größte Wirkung erzielt werden. Frank lehnte die Gemeindebauten des roten Wien als „kleinbürgerlich“ ab. Er wollte eine „Gartenstadt“ statt „Volkspalästen“. Arbeiter, Handwerker oder kleine Gewerbetreibende sollten wohnen können wie bisher nur die Reichen: im Einfamilienhaus mit Garten.

Die Häuser sind zwischen 50 und 110 Quadratmeter groß. Von außen wirken manche wie zu kleine Modelle. Trotzdem lebten und leben hier Familien mit mehreren Kindern. Möglich macht das eine optimale Raumnutzung, die Landeskonservator Dahm noch heute ins Schwärmen bringt. „Schauen Sie sich zum Beispiel das Looshaus an. Da passt einfach alles, das ist perfekt.“

Die Sanierung der Siedlung wird schwieriger als bei anderen Denkmälern. Im Stephansdom wohnt niemand, der eine Grillstation angemauert hat. Friedrich Dahm setzt auf das Gespräch mit den Bewohnern. Er will ihnen zeigen, wie die Häuser einmal waren, und erklären, was sich die Architekten dabei gedacht haben. Statt alte Fenster auszutauschen, will er sie reparieren, sichtbare Veränderungen will er prüfen und dabei mit den Mietern einen Kompromiss finden.

Verhandlungsgeschick wird er vor allem bei den Arbeiten an seinem Lieblingshaus in der Siedlung brauchen - dem Haus, das Adolf Loos seinerzeit entworfen hat. Dort wohnt seit vierzig Jahren Margot Hruby. „Adolf Loos würde sich erschießen, wenn er hören würde, dass wir nichts verändern dürfen“, sagt sie. „Seine Idee war, Häuser zum Leben zu bauen. Häuser, in denen sich die Bewohner wohlfühlen. Wenn sich die Bewohner nicht um die Siedlung kümmern würden, gäbe es sie schon längst nicht mehr. Wir sind das Herz dieser Häuser.“

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