Bauwerk

Heiligengeistplatz
Gasparin & Meier - Klagenfurt (A) - 1995
Heiligengeistplatz, Foto: Margherita Spiluttini
Heiligengeistplatz, Foto: Margherita Spiluttini

Von der Angst der Leere

Großzügiger Freiraum, Dynamik, Reduktion: Sonja Gasparin und Benny Meier haben den Klagenfurter Heiligengeistplatz neu gestaltet. Anmerkungen zu einer Kontroverse.

3. Februar 1996 - Margit Ulama
Was die Idee einer Stadt betrifft, nämlich die Vorstellung, was eine Stadt ausmache oder wie sie konzipiert sein solle, äußert sich die Gegenwart ambivalent. Einerseits existieren nach wie vor Interesse und Vorliebe für historische Städte mit ihren beein-druckenden geschlossenen Plätzen, von Rom über Venedig, Siena bis Santiago de Compostela. Andererseits ist die Idee von definierten Straßen und Plätzen jedoch überholt, da unsere Städte sich entwickeln und dabei immer weiter ausgreifen, also periphere Gebiete erfassen, in denen der Begriff Stadt etwas völlig anderes bedeutet als im traditionellen Zusammenhang.

In den siebziger Jahren formulierten Colin Rowe und Fred Koetter eine nach wie vor aktuelle These, nach der die raum-schaffende architektonische Textur - womit eben die traditionellen historischen Städte gemeint sind - vom raumverdrängenden Objekt abgelöst wurde. In dem einen Fall stehen nicht die Geäude, sondern die städtischen Plätze im Vordergrund; in dem anderen ist eben das einzelne architektonische Objekt prmär geworden. Rowe & Koetter führen zur Illustration ihrer Idee von „Raumkörper“ versus „Bakörper“ Vasaris Uffizien in Florenz und Le Corbusiers Unité d’Habitation in Marseille an. Während diese dominant in der freien Wiese steht, ohne einen spezifischen Außenraum zu formen, bilden die Uffizien einen Innenhof mit identen Abmessungen wie die Unité.

Diese beiden Modelle der Stadt bilden die Folie, vor der sich gegenwärtige Entwicklun-gen vollziehen. Sie sind als ge-dankliche Referenz für Planungen im städtischen Umfeld insofern aktuell, als sie spezifische räumliche Situationen charakterisieren; letzteres bildet das Thema jeder architektonischen Planung im städtischen Kontext. Im konkreten Fall, beim Heiligengeistplatz im Zentrum von Klagenfurt, handelt es sich um einen Platz im traditionellen Sinn, um einen freien „Raum“ zwischen Gebäuden, auch wenn diesem die Geschlossenheit und klare Form von exemplarischen historischen Plätzen fehlt. Die Ostseite ist sogar völlig offen, der Heiligengeistplatz geht hier in den Landhauspark über, das Landhaus selbst tritt als Volumen in den Vordergrund.

Insgesamt ergibt sich im Zentrum von Klagenfurt eine Abfolge von drei Plätzen, an die beiden genannten reiht sich der Neue Platz mit dem berühmten Lindwurm. So bemerkt man in tangentialer Folge rechts und links der Wiesbadener Straße und deren Verlängerung öffentliche Räume mit verschiedenen Funktionen: einen repräsentativen, von alten Bäumen eingerahmten Platz, einen Park und den als Busbahnhof genutzten Heiligengeistplatz. In ihrer Gegensätzlichkeit prägen diese drei Plätze das Bild der Stadt, jeder Bereich wirkt sowohl für sich als auch im Kontext.

Der Heiligengeistplatz stand in den letzten Jahren im Zentrum heftiger Diskussionen. Lange Zeit waren die Busse über den gesamten Platz bis vor die Heiligengeistkirche verteilt, in der Lebendigkeit des Ortes grenzten profane und sakrale Funktionen hart aneinander. Insgesamt bestand also das vertraute Bild eines ausschließlich dem Verkehr dienenden Platzes, und Busbahnhöfe dieser Art üben einen eigenen Reiz aus. Begrenzt wurde der Bereich zum Park hin von einem ebenerdigen, elegant geschwungenen Pavillon mit Flachdach, in den fünfziger Jahren erbaut und somit aus einer Zeit, die bereits ihre Renaissance erlebt.

Diesen Bau wollte die Stadt vor einigen Jahren vergrößern und durch einen zweigeschoßigen Neubau ersetzen, dessen Plumpheit mit dem am gegenüberliegenden Platzende stehenden Quellehaus korrespondiert hätte. Der Bereich Heiligengeistkirche, Ursulinenkloster und Landhaus hätte damit seine architektonische Qualität eingebüßt; nur auf Grund vehementen Protestes besonders der Architekten Kärntens konnte die Realisierung verhindert werden. Es folgte ein Wettbewerb und eine lange, konfliktreiche Planungsgeschichte. Daß das schließlich realisierte Projekt von Gasparin & Meier auch im Sinne der Architekten umgesetzt wurde, beruht auf deren Hartnäckigkeit und Ausdauer.

Natürlich folgte auch hier prompt die Kritik. Von Steinwüste war die Rede, ohne die ästhetischen Qualitäten der Wüste zu bedenken, sodaß das, was eigentlich als Kritik gemeint war, sich in deren Gegenteil verkehrt. Von Verkehrschaos ist die Rede, ohne zu bedenken, daß einerseits noch im Frühjahr die Umfahrung von Klagenfurt fertiggestellt wird, andererseits das langfristige Verkehrskonzept die Innenstadt vom Durchzugsverkehr freihalten will. Und natürlich ist ein von Autos oder Bussen verparkter Platz einfach schöner als ein leerer - oder?

Hat man Angst vor der Leere? Städtischer Freiraum konstituiert eine Stadt, gibt ihr weite Dimensionen und läßt so öffentliche Gebäude wirken. Dabei kommt es eben nicht nur auf die Besonderheit der angrenzenden Gebäude an, sondern ebenso auf Maßstab und Konzeption der Freiräume selbst. Plätze sind auch in den bekannten italienischen Städten traditionell gepflastert, und zwar aus praktischen und ästhetischen Gründen. Der Boden bildet dadurch eine einheitliche Fläche und - mit den Hausfassaden als Wänden - einen klaren, nach oben hin offenen Raum.

Am Heiligengeistplatz waren die Rahmenbedingungen für die Gestaltung vorgegeben, inner-halb der bestehenden Situation konnten die Architekten aber modellieren. Sie sahen den Platz vor der Kirche im Gegensatz zu jenem vor dem Landhaus und wollten diese Dualität in einem befestigten und einem begrünten Bereich klar definieren und sichtbar machen. Dabei zeigt sich der Landhauspark momentan - auch auf Grund von Windbruch - weniger denn je als Park, sodaß dessen Gestaltung unbedingt notwendig wäre.

Gasparin & Meier schlagen ein kreuzförmiges Wegesystem vor, mit dem sie die Idee einer früheren Sternallee aufnehmen, und markieren die Grenze von Park und Straße durch eine Baumreihe. Diese derzeit noch nicht existierenden Bäume führen sie am angrenzenden Heiligengeistplatz mit einemzylindrischen Turm und den einzelnen Inseln der Haltestellen weiter und grenzen so auch hier den Platz von der Straße ab. Die hohen Solarleuchten wiederholen die Krümmung und markieren die Fahrlinie der Busse. Zwischen Leuchten und Kirche liegt der eigentliche Fußgängerbereich mit einzelnen Bänken und Bäumen (die man sich in ihrer späteren Größe vorstellen muß), und trotz dieser Teilung können die Fußgänger sich auf dem gesamten Platz frei bewegen.

Die Leistung der Architekten liegt vor allem in der subtilen Definition unterschiedlicher Bereiche des Platzes bei einheitlicher Pflasterung des Bodens. So entsteht ein großzügiger Freiraum vor der Kirche, die ungewöhnlicherweise mit der Längsseite zum Platz schaut. In der Nacht wird diese Fassade jetzt angestrahlt, ebenso jene des Landhauses gegenüber. Die Beleuchtung modelliert den Platz auf neue Art, hebt die Trennung von Fußgänger- und Busbereich hervor und ist dort am stärksten, wo die hohen Leuchten dichter stehen, metaphorisch einen Wald bilden. Diese unterschiedliche Wirkung bei Tag und Nacht korrespondiert mit dem Gegensatz von Platz und Park.

Die Gestaltung bezieht alle Elemente ein, auch die Kioske an der Stelle des früheren Pavillons und die darunterliegenden Toiletten. In das System der Stadtwerke einzugreifen erfordert natürlich viel Energie, doch jetzt stehen an Stelle der üblichen schweren Anzeigen für die Buslinien schlanke, rote Stelen bei den Haltestellen. Die reduzierte, abstrakte Gestaltung ist in eine allgemeine Entwicklung mit ausgeprägter österreichisch-schweizerischer Verbindungslinie eingebettet. Und in Barcelona wurden bereits in den achtziger Jahren ambitionierte Platzgestaltungen realisiert, einigen von diesen liegt eine ähnliche Haltung zugrunde.

Gasparin & Meier verbinden ihre Architektur aber mit Anspielungen und Dynamik. Die dichter stehenden Lampen und die schnittigen Warteinseln wecken Assoziationen, der Glaskubus mit der Treppe zu den Toiletten scheint im Wasser zu versinken, der Turm am äußersten Eck erinnert an eine überdimensionale Litfaßsäule. Der genaue Blick entdeckt eine Fülle von Details; gleichzeitig ist Klagenfurts Busbahnhof nun ein ungewöhnlich „moderner“ Platz, auf der Höhe der Zeit, mit einer weiten, befreienden Geste.

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