Bauwerk

Gasometer Simmering - Neubau und Revitalisierung
Coop Himmelb(l)au, Manfred Wehdorn, Wilhelm Holzbauer, Jean Nouvel - Wien (A) - 2001

Paradies für „Folks“ und „Dinks“

An der Frage ob das Gasometer-Projekt Urban Development oder Urban Entertainment bedeutet, scheiden sich die Geister.

23. Oktober 2000 - Reinhard Seiß
Die imposante Architektur der ehemaligen Gasbehälter stammt aus dem 19. Jahrhundert. Mitte der 80er Jahre verloren die 72 Meter hohen Backsteinbauten ihre eigentliche Funktion und wurden wegen ihres kulturhistorischen Werts unter Schutz gestellt. Heute stehen sie im Mittelpunkt der Stadtentwicklung: aus den periphären Industridenkmälern entsteht ein pulsierendes, multifunktionelles Zentrum.Riesenprojekt

Bis zum Frühjahr 2001 entstehen innerhalb der historischen Fragmente 600 modernste Wohnungen, ein Studentenheim, ein städtisches Archiv, zahlreiche Büros, eine Veranstaltungshalle für 4.000 Personen, 900 Tiefgaragenplätze sowie ein mehrgeschossiges Einkaufszentrum, das alle vier Gasometer verbindet.


Große Namen

Für die Stadt Wien und die beteiligten Bauträger ist es ein Prestigeprojekt, das über die Grenzen Österreichs hinaus strahlen - und natürlich auch Käufer und Mieter anziehen soll. Quasi als Garanten für den Erfolg wurden vier renomierte Architekturbüros mit dem Umbau je eines Gasometers beauftragt: Jean Nouvel, das Team Coop Himmelb(l)au, Manfred Wehdorn und Wilhelm Holzbauer. „Also ich glaube, dass die Wohnbedürfnisse bei Neubauten viel einfacher zu decken sind“, zeigt sich Holzbauer überzeugt, aber „Gasometer ist halt ein Begriff. Das hat einfach damit zu tun, dass Leute, die dort wohnen wollen, sich wünschen, in einem Gebäudekomplex zu wohnen, der einmalig ist.“


Entertainment inklusive

Der ausgelöste Boom setzt sich im Umfeld der Gasometer fort. Gleich vis-a-vis entsteht ein 9-geschoßiger Bürokomplex. Und direkt mit den vier Gastürmen verbunden - ein Entertainment Center samt weiteren 850 Parkplätzen. Dieser sogenannte „Pleasure Dome“ enthält künftig Unterhaltungs-, Gastronomie- und Einkaufseinrichtungen sowie - mit 12 Sälen - Österreichs zweitgrößtes Kinozentrum.

Mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 2,4 Milliarden Schilling werden binnen zwei Jahren insgesamt 220.000 qm Fläche verbaut. Das Gasometer-Projekt ist damit die größte Baustelle Mitteleuropas in diesen Jahren, noch vor dem Potsdamer Platz in Berlin. Der Architekt des „Pleasure Dome“, Rüdiger Lainer, sieht von dieser dynamischen Stadtentwicklung Impulse für ganz Wien ausgehen: „Dieses ganze Gasometer-Umfeld kann höchst wahrscheinlich einer der spannendsten Orte jetzt in Wien werden.“
Die imposante Architektur der ehemaligen Gasbehälter stammt aus dem 19. Jahrhundert. Mitte der 80er Jahre verloren die 72 Meter hohen Backsteinbauten ihre eigentliche Funktion und wurden wegen ihres kulturhistorischen Werts unter Schutz gestellt. Heute stehen sie im Mittelpunkt der Stadtentwicklung: aus den periphären Industridenkmälern entsteht ein pulsierendes, multifunktionelles Zentrum.


Riesenprojekt

Bis zum Frühjahr 2001 entstehen innerhalb der historischen Fragmente 600 modernste Wohnungen, ein Studentenheim, ein städtisches Archiv, zahlreiche Büros, eine Veranstaltungshalle für 4.000 Personen, 900 Tiefgaragenplätze sowie ein mehrgeschossiges Einkaufszentrum, das alle vier Gasometer verbindet.


Große Namen

Für die Stadt Wien und die beteiligten Bauträger ist es ein Prestigeprojekt, das über die Grenzen Österreichs hinaus strahlen - und natürlich auch Käufer und Mieter anziehen soll. Quasi als Garanten für den Erfolg wurden vier renomierte Architekturbüros mit dem Umbau je eines Gasometers beauftragt: Jean Nouvel, das Team Coop Himmelb(l)au, Manfred Wehdorn und Wilhelm Holzbauer. „Also ich glaube, dass die Wohnbedürfnisse bei Neubauten viel einfacher zu decken sind“, zeigt sich Holzbauer überzeugt, aber „Gasometer ist halt ein Begriff. Das hat einfach damit zu tun, dass Leute, die dort wohnen wollen, sich wünschen, in einem Gebäudekomplex zu wohnen, der einmalig ist.“


Entertainment inklusive

Der ausgelöste Boom setzt sich im Umfeld der Gasometer fort. Gleich vis-a-vis entsteht ein 9-geschoßiger Bürokomplex. Und direkt mit den vier Gastürmen verbunden - ein Entertainment Center samt weiteren 850 Parkplätzen. Dieser sogenannte „Pleasure Dome“ enthält künftig Unterhaltungs-, Gastronomie- und Einkaufseinrichtungen sowie - mit 12 Sälen - Österreichs zweitgrößtes Kinozentrum.

Mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 2,4 Milliarden Schilling werden binnen zwei Jahren insgesamt 220.000 qm Fläche verbaut. Das Gasometer-Projekt ist damit die größte Baustelle Mitteleuropas in diesen Jahren, noch vor dem Potsdamer Platz in Berlin. Der Architekt des „Pleasure Dome“, Rüdiger Lainer, sieht von dieser dynamischen Stadtentwicklung Impulse für ganz Wien ausgehen: „Dieses ganze Gasometer-Umfeld kann höchst wahrscheinlich einer der spannendsten Orte jetzt in Wien werden.“


Nichts für Kleinfamilien

Die teils nordseitig orientierten Wohnungen in den Gasometern werden ebenso wenig Sonnenlicht erhalten, wie viele innenliegende, an den Lichthöfen situierte Räume. Grün- und Erholungsflächen sind inmitten des Industrie- und Gewerbegebiets Mangelware. Und der Verkehrslärm von den nahen Stadtautobahnen ist 24 Stunden am Tag wahrzunehmen. Dementsprechend besteht das Zielpublikum für „Wohnen im Gasometer“ nicht aus klassischen Familien mit Kindern, sondern aus modernen, urbanen Singles mit flexiblem Freizeit- und Arbeitsrhythmus. „Unsere Zielgruppe definiert sich als die sogenannten Folks“, bestätigt Immobilien-Manager Erich Helm. „Das sind junge Menschen jeden Alters, und hier ist es besonders die Gruppe zwischen 15 und 35, die wir ganz bewusst ansprechen möchten.“


Erfolgreiches Marketing

Bereits ein halbes Jahr vor Fertigstellung ist das Einkauszentrum von attraktiven Handelsketten ausgebucht und die meisten Wohnungen vergeben. Anstelle herkömmlicher Inserate auf den Immobilienseiten der Tageszeitungen oder der Vermittlung durch Maklerbüros trat ein modernes Vermarktungskonzept, das insbesondere die Hauptzielgruppe der Young Urban People ansprach - Online-Marketing in-klusive.


Bewohnbares Disneyland?

Kritiker sehen im Gasometer-Projekt ein städtebauliches Disneyland, dessen Existenz auf permanentem Konsum und sofortiger Bedürfnisbefriedigung basiert. Eine künstliche Stadt, deren sogenannter „öffentliche Raum“ auch nicht mehr allen Menschen offensteht: Obdachlose, Bettler oder auffällige Jugendliche können jederzeit aus dieser Welt ausgeschlossen werden.

Die Architekturkritikerin Liesbeth Waechter-Böhm bemängelt am Gasometer-Umbau nicht nur fehlenden Respekt und Kreativität im Umgang mit den historischen Baudenkmälern - sie steht auch den gesellschaftlichen und soziokulturellen Aspekten skeptisch gegenüber: „Für mich ist es das Gegenteil von Urbanisierung, weil wir ja im Grunde genommen autarke Inseln damit bauen.“


Zukunftsmodell?

Nimmt das Gasometer-Projekt die künftige Stadtentwicklung Wiens vorweg? Kommt es nach dem Vorbild der Gasometer bald verstärkt zur Herausbildung hochgezüchteter Stadtinseln? Und was wären die Folgen für die gewachsene Stadtstruktur?

Der Architekturpublizist Friedrich Achleitner relativiert die Strahlkraft des Projekts: „Wien ist ja eigentlich eine Großstadt, die aus lauter Inseln, ehemaligen Dörfern oder ehemaligen Stadtteilen, zusammengesetzt ist. Diese Grätzelstruktur ist etwas typisch Wienerisches; Und insofern glaube ich, schaffen solche Anlagen, wie der Karl-Marx-Hof oder die Wohntürme in Alt-Erlaa, oder die Gasometer, eine gesellschaftliche Identifikation mit so einem Punkt mit sich bringen. Das Leben, das dort entsteht, hat etwas sehr Verortetes, sehr Spezifisches. In Wirklichkeit ist es ein Grätzel.“

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