Bauwerk

Einkaufszentrum Europark
Massimiliano Fuksas - Salzburg (A) - 1997
Einkaufszentrum Europark, Foto: Philippe Ruault
Einkaufszentrum Europark, Foto: Philippe Ruault

Flanieren unter Glaswolken

Normalerweise sind Einkaufszentren öde Schachteln, phantasielos in die Landschaft gestellt. In Salzburg Kleßheim hat Massimiliano Fuksas ein etwas anderes „EKZ“ errichtet. Begegnung mit einem Architekturspektakel.

27. Dezember 1997 - Liesbeth Waechter-Böhm
Es zählt zu den unverständlichen Phänomenen, daß Einkaufszentren im Normalfall eine vernachlässigbare architektonische Größe darstellen. Sie wirken durchwegs billig, haben auch räumlich nichts zu bieten. Man fragt sich, warum man sein Geld dort ausgeben soll. Es gibt nur ein einziges Argument, das für Einkaufszentren spricht: Man kann dort relativ viel auf relativ kurzem Weg erledigen. Aber zum qualitativen „Freizeiterlebnis“ wird Shopping an solchen Orten nicht.

Oder doch? An der Autobahnabfahrt Salzburg-Kleßheim steht neuerdings ein Einkaufszentrum, das den Gegenbeweis liefert. Es wurde im Auftrag der Spar-Gruppe errichtet und ist das Resultat eines Gutachterverfahrens, zu dem drei Architekten geladen waren: der Salzburger Robert Wimmer, der Wiener Adolf Krischanitz und der Römer Massimiliano Fuksas. Letzterer erhielt den Zuschlag. Und er hat ein Einkaufszentrum hingestellt, über das man reden muß.

Das Haus ist riesig. Es ist 320 Meter lang und 140 Meter breit und wurde in zwei Etappen errichtet. Auf dem Gelände stand ein „alter“ Spar, der erst weggerissen wurde, nachdem die erste Bauphase abgeschlossen war. Fuksas hatte eine geniale Ausgangsidee: Er hat dem Gebäude eine zweischalige Glasfassade angemessen, die vom Schriftzug des Gebäudenamens - Europark - lebt. In großen Lettern zieht sich dieser Name um das Haus herum, in leicht verschobenen Rasterpunkten auf beide Fassadenschalen aufgebracht, sodaß sich eine plastische, fast holographische Wirkung einstellt.

Die Gebäudehülle fungiert so zwar als Werbeträger, aber ohne das unsägliche Chaos, das üblicherweise durch die verschiedenen Geschäftslogos entsteht. Diese Architektur leistet genau das, was man von einem Einkaufszentrum erwartet: Sie ist signifikant. Und sie verspricht jenes zusätzliche Erlebnis, das man wohl einfordern darf, wenn man dort schon sein Geld ausgeben soll.

Es hat sich aber auch der Bauherr angestrengt: Er hat - auf eigene Rechnung - eine ampelfreie Zufahrt mit Kreisverkehr geschaffen, und er hat zumindest versucht, das öde Parkplatz-Meer zu verhindern, von dem solche Häuser normalerweise umgeben sind, indem er 2300 Parkplätze zum Teil auf dem Dach, zum Teil unterirdisch einrichtete.

Der Architekt wußte auch diese Anforderung zu einer räumlichen Qualität umzumünzen: Die Tiefgarage ist farblich und typographisch so gelöst, daß man sich auf Grund des ornamentalen Einsatzes der Platzbeschriftungen hervorragend orientieren kann. Und die Auffahrt zum Parkdeck auf dem Dach schiebt sich als Spirale plastisch aus dem Gebäude heraus - eine Art Guggenheim-Museum ohne Außenhaut - und führt auf eine Dachlandschaft, die von einer leuchtend roten Streckmetallgitter-Welle überspannt ist und einen Ausblick bietet, der, ohne Übertreibung, einfach phantastisch ist.

Fuksas hat diesen Ausblick natürlich „inszeniert“. Er hat einen Aussichtsturm auf das Gebäude gesetzt, nutzlos, sinnlos, wenn man so will. Aber zum Erlebniswert des Hauses trägt diese Nutzlosigkeit, diese Sinnlosigkeit ohne Zweifel bei. Und auf dieser Basis funktioniert sozusagen die gesamte Anlage.

Auch die seichten schwarzen Wasserbecken, die sich um das Gebäude ziehen, sind irgendwo - nutzlos. Aber der optische Effekt, der vor allem bei Dunkelheit entsteht, wenn sich das Gebäude im Wasser spiegelt, ist großartig. Man meint, vor einem Abgrund zu stehen, dabei sind die Becken vielleicht zehn Zentimeter tief.

Fuksas hat das Haus drinnen ganz einfach organisiert. Es ist zweigeschoßig, und die Geschäfte sind um großzügige, von oben belichtete Malls angeordnet. Man findet sich zurecht, die Erschließung ist auf Anhieb verständlich. Es gibt natürlich alles: von den verglasten Liften über Rolltreppen bis zu Stiegen. Und es gibt jede Menge Anlässe, sich über das „Shopping“ hinaus hier aufzuhalten, weil es auch ein differenziertes gastronomisches Angebot gibt: von der kleinen Bar, dem Café über das Pub bis hin zum Restaurant mit großer Terrasse und eigenem Aufgang, auch noch nach Ladenschluß.

Das Haus lädt zum Flanieren ein. Es ist lichtdurchflutet und freundlich, was sicher auch dem Bartenbach LichtLabor angerechnet werden muß, das ein erstklassiges Lichtkonzept entwickelt hat. Es bietet aber andererseits auch etwas, was für ein Einkaufszentrum eine Art Basisqualität darstellt: Es bietet sehr unterschiedliche Raummilieus. Und die machen einen neugierig, sie sind quasi das Argument, daß man weitergeht, daß man alles sehen will.

Ein besonders wichtiger Punkt ist auch, daß es überall Durchblicke und Ausblicke gibt. Man fühlt sich nie eingesperrt in eine Schachtel. Diese Beengtheit, die in vergleichbaren Häusern so stört, stellt sich im „Europark“ einfach nicht ein, selbst wenn viele Leute da sind. Das konnte man bei der Eröffnung sehr gut überprüfen.

Apropos Eröffnung: Fuksas stand bei dieser Gelegenheit vor seinem Haus und hat festgestellt, daß es überhaupt nicht wie ein Einkaufszentrum aussieht. Da hat er recht. Dabei wurde nichts weggelassen, was für solche Orte charakteristisch ist. Selbst der unvermeidliche Brunnen ist da. Aber er wurde von Fuksas selbst entworfen, und daher ist er besser als vergleichbare. Wie hier überhaupt alles besser ist, weil es ein qualifizierter Architekt gemacht hat.

Zum Beispiel das angesprochene Gastronomieangebot: Es ist durch farbige Glaswolken-Formationen kenntlich gemacht, nicht aufdringlich, aber doch so, daß man es von weitem sieht. Denn Fuksas hat der Ausbildung der Decke besondere Aufmerksamkeit geschenkt: Er hat eigene Aluminiumpaneele entwickelt und damit eine elegante Beruhigung im Raum hergestellt, die nur durch die Glaswolken „gestört“ wird.

Eleganz muß man auch dem Bodenbelag attestieren, einem hellen - und teuren - Granit (Kashmir white). Und wo Holz verwendet wurde, sind es Doussié-Parketten. Keine Frage, hier wurde wirklich kein Aufwand gescheut.

Speziell auf die Kunst- und Tageslichtsituation trifft das in höchstem Maße zu. Das Bartenbach LichtLabor hat auf diesem Gebiet Außerordentliches geleistet. Durch die Oberlichtverglasungen kommt schon ausreichend Tageslicht herein, Blendschutz-Screens bieten aber auch die Möglichkeit, diese Verglasung zu beschatten. Nur: Zwischen den einzelnen Screens kommen auf jeden Fall einzelne Sonnenstrahlen herein und bilden sich als Sonnenflecken in der Mall ab.

Diesem Tageslichtszenarium entspricht auch die Kunstlichtsituation. Strahler werfen das Licht an die Decke, die es gleichmäßig und blendfrei im Raum verteilt. Die Glaswolken in den Gastronomiebereichen sind auch als Lichtwolken aufgefaßt, die Rolltreppenantritte sowie die Ausgänge zur Tiefgarage und zum Parkdeck sind aber von der Beleuchtung her spezifisch interpretiert. Und was ganz wichtig für die Raumdynamik ist: Es gibt einen rhythmischen Wechsel zwischen helleren und dunkleren Zonen.

Licht spielt beim „Europark“ nicht nur drinnen eine Rolle. Denn was dieses Einkaufszentrum von außen zum Architekturspektakel macht, ist seine Fassade. Fuksas hat eine zweischalige Glasfassade entwickelt, die bei Tag und bei Nacht gleichermaßen spektakulär ist: Bei Tag, weil sie durch den gebäudehohen Schriftzug „Europark“ als Werbeträger fungiert; bei Nacht, weil dann das Gebäude geradezu kristalline Eigenschaften annimmt und die Fassade eine Lebendigkeit entwickelt, die ihresgleichen sucht. Denn zwischen den Fassadenschichten ist eine Beleuchtung installiert, der man zumindest eine gewisse Theatralik attestieren muß. Aber braucht es die nicht, wenn ein Einkaufszentrum die Aufmerksamkeit auf sich ziehen will?

Natürlich ist mit Architektur allein der Erfolg eines Einkaufszentrums nicht herzustellen. Es muß auch auf einer anderen, mehr profanen Ebene etwas bieten. Es mag ein Glücksfall sein, aber selbst das ist in Salzburg-Kleßheim gelungen. Nur: Damit wird das architektonische Outfit dem inhaltlichen Angebot auch gerecht.

Man mag darüber streiten, ob es wirklich nötig ist, vom Kinderspielplatz bis zum Biotop alle Dinge anzubieten, die „zeitgeistig angesagt“ sind, aber möglicherweise nicht sonderlich begründet. Und man kann vor allem darüber streiten, ob es sehr fair war, den Architekten nach der ersten Bauetappe mehr oder weniger auszubooten und den Bau zwar nach seinen Plänen - und sehr, sehr sorgfältig überwacht von einem asiatischen Generalunternehmer - , aber praktisch ohne ihn, ohne den Autor selbst, zu vollenden.

Oder vielmehr: Über diese Vorgangsweise kann man eigentlich nicht streiten.

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