Bauwerk

Hypobank Klagenfurt
Morphosis, Thom Mayne - Klagenfurt (A) - 2000

Das Haus als manipulierte Landschaft

Ein neues Bankgebäude von Morphosis in Klagenfurt

Der in Los Angeles arbeitende Architekt Thom Mayne vom Büro Morphosis realisierte für eine Kärntner Regionalbank ein architektonisches Manifest. Mayne will mit seinem Bau die heutige Gesellschaft in ihrer Komplexität und Instabilität interpretieren. Mit dem ungewöhnlichen Bankgebäude gelang ihm darüber hinaus ein ausdrucksstarker Werbeträger.

3. September 1999 - Margit Ulama
Das südlichste Bundesland Österreichs kann kaum mit wegweisender Gegenwartsarchitektur brillieren. Seit kurzem sticht jedoch an einer Ausfallstrasse von Klagenfurt ein architektonisches Manifest ins Auge, das «Hypo Alpe-Adria-Zentrum» des in Los Angeles arbeitenden Architekten Thom Mayne. So ungewöhnlich der Neubau in Kärnten ist, so bewusst wurde er gleichzeitig initiiert. Noch vor wenigen Jahren war die Kärntner «Landes- und Hypothekenbank» eine kleine Regionalbank. Diese entschied sich jüngst für eine Vorwärtsstrategie im Sinne von «Aufgeschlossenheit, Modernität und Internationalität» und expandiert seither auch - zunehmend erfolgreich - nach Friaul, Slowenien und Kroatien. Als ein Neubau der Hypo-Zentrale zur Diskussion stand, wählte man bewusst ein auffälliges architektonisches Image. Trotz einer einschneidenden Abänderung beeindruckt das zügig realisierte Gebäude, und man spürt auf Bauherrenseite grosse Begeisterung für das Projekt.


Zwischen Architektur und Skulptur

Der Terminus Gebäude kann diese Art Architektur natürlich kaum fassen. In der gegenwärtigen Baukunst verschwimmen vielfach die Grenzen zwischen Architektur und Skulptur, und gerade in diesem Fall ergeben schräg liegende, geknickte, teilweise auch fragmentierte Teile ein dynamisches, gleichzeitig irritierendes skulpturales Gebilde, das anfangs schwer zu entziffern ist. Doch trotz den Brüchen und der ungewöhnlichen Syntax eines ebenso ungewöhnlichen Vokabulars entsteht im weitesten Sinn eine Harmonie der Teile. Die Hypo-Zentrale setzt ein auffälliges architektonisches Zeichen Richtung Innenstadt. Neben einem aufgestelzten schmalen und langen Bauteil an der Völkermarkter Strasse und einer gläsernen Stirnseite knickt ein flächenhaftes Element in die Höhe. Ergänzt wird diese Komposition durch eine effektvolle Beleuchtung des abgesenkten, mit Basaltsteinen verkleideten Grundes. Dass man hier letztlich auch zu den versteckt liegenden Eingängen der Bank und der Veranstaltungshalle gelangt, kann man nur erahnen. Doch es führt eine Brücke über die Senke, die den Besucher leitet.

Basaltgrund und Brücke schaffen eine neue, künstliche Landschaft und drücken auf diese Weise eine zentrale Idee des gesamten Entwurfes aus. Was im übrigen zur Metapher wird, äussert sich hier ganz unmittelbar. Mayne, der die Gruppe Morphosis 1971 gründete, lange Jahre eine Partnerschaft mit Michael Rotondi bildete und seit Beginn der neunziger Jahre alleine unter dem Label Morphosis arbeitet, entwickelte eine spezifische Entwurfsstrategie für Projekte grösseren Massstabs. Er bedient sich der durchgehenden Gebäudeoberfläche, um die eigentliche Landschaft zu modellieren beziehungsweise zu ersetzen. Dabei wird nicht nur das solitäre Bauwerk, sondern auch der Gegensatz von Bauwerk und Landschaft aufgelöst. Da das Grundstück an der Peripherie von Klagenfurt liegt, reflektierte der Architekt bei seinem Wettbewerbsprojekt das Thema des Ackers. Er legte die durchgehende Gebäudeoberfläche über einen breiten Streifen des Grundstücks entlang der Hauptstrasse und schnitt - die Furchen eines Ackers paraphrasierend - schmale Schlitze in diese Fläche. In der Ansicht artikulierte sich dies als langgestreckter Bauteil mit weit gekrümmtem Dach, das einem Kreis mit dem Radius von einer Meile folgte. Die solcherart zusammengefasste Architektur wurde durch Fragmente elliptischer Formen und gekreuzte gerade Volumen ergänzt, die zum Grundvokabular des Architekten zählen.

Mayne entwickelte eine neue städtebauliche Methodik für den suburbanen Kontext. Erst zu einem viel zu späten Zeitpunkt erfolgte jedoch eine entscheidende Änderung der Prämissen, indem man das grosse, trapezförmige Grundstück annähernd in der Mitte teilte. Was jetzt realisiert wurde und wird, ist also das Fragment eines Konzeptes, das selbst mit der Fragmentierung spielt. Der Rest dieser Grundstückshälfte wird in der zweiten und dritten Bauphase etwas abgeändert gegenüber dem Wettbewerbsprojekt bebaut.


Städtebau im suburbanen Kontext

Durch die Teilung reduzierte sich in erster Linie die durchgehende, leicht gekrümmte Gebäudeoberfläche, die nur mehr rudimentär zu spüren ist. Fragmentierte, geknickte und sich durchdringende Teile, also die dekonstruktivistischen Elemente des Entwurfs, rückten in den Vordergrund. Doch im Bereich der Veranstaltungshalle vermittelt sich noch immer die Idee der aus dem Boden emporsteigenden Dachfläche. Diese greift auf der einen Seite weit über die Halle und knickt nach unten, auf der anderen steigt sie in die Höhe und drückt sich an das angrenzende, verglaste Volumen, bis nur noch ein Spalt frei bleibt. Darunter geht man zum Eingang der Schalterhalle und weiter zu einem andeutungsweise elliptischen Platz, einem eindrücklichen öffentlichen Raum mit angenehmen Proportionen.

Morphosis zählt zu den international renommiertesten Architekten der USA. Auch wenn das Büro mit Verbindungen zum Dekonstruktivismus arbeitet, so sind die Bezugsfiguren doch widersprüchlich und reichen von James Stirling und Aldo Rossi bis zu Frank Gehry. Frühe Bauten lassen eine Nähe zur Postmoderne spüren. Relikte davon finden sich in den jüngeren Bauten, die unter anderem die Tektonik der Mauer thematisieren. Bei der Hypo-Bank bilden Lochbleche grossflächig die äussere Wandverkleidung, und man assoziiert bei ihrer Unterteilung ein Mauerwerk aus grossen Quadern. Doch die ursprüngliche Schwere ist hier auf Grund des durchlässigen Materials aufgehoben. Im Wandbereich steht dennoch die Wirkung einer geschichteten Mauer im Vordergrund, im Dachbereich hingegen die Transparenz des Materials. Hier bilden sich auch filigran strukturierte, offene Räume. Im gesamten Entwurf differenzieren transparente und transluzente Materialien den Wandaufbau im Sinne einer horizontalen Schichtung.


Komplexität und Instabilität

Ein Fragment der tektonischen Hülle aus Lochblech taucht schliesslich bei der Brüstung des Aussichtsbalkons auf, der die langgestreckte Fassade an der Völkermarkter Strasse in luftiger Höhe schräg durchdringt. Einige Stufen laufen an dieser Stelle ins Leere. Obwohl der Bau natürlich Funktionen erfüllt, verweigert er sich einer direkten, allzu geradlinigen Funktionserfüllung, setzt auf einer ganz anderen Ebene an und gleitet auch ins unmittelbar Spielerische. Mayne will mit seiner Architektur die gegenwärtige Gesellschaft in ihrer Komplexität und Instabilität «authentisch» interpretieren. Mit der ungewöhnlichen äusseren Konzeption des Baus gelang ihm dies zweifellos. Die Hypo-Bank ihrerseits erhielt einen ausdrucksstarken Werbeträger.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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