Bauwerk

Hypobank Klagenfurt
Morphosis, Thom Mayne - Klagenfurt (A) - 2000
Hypobank Klagenfurt, Foto: Paul Ott

Jenseits aller Etikettierungen

„Aufgeschlossenheit, Modernität, Internationalität“ schrieb sich eine Kärntner Bank auf ihre Fahnen. Dieses Image spiegelt die von Morphosis entworfene Zentrale in Klagenfurt wider: ein dynamisches skulpturales Gebilde, das herkömmliche Kategorien weit hinter sich läßt.

18. Dezember 1999 - Margit Ulama
Kürzlich stand in einer angeregten Diskussion zu fortgeschrittener Stunde auf einmal die Idee im Raum, man könnte Architektur doch in eine U- und E-Kategorie einteilen, so wie dies in der Musik üblich sei. Auf den ersten Blick ein einleuchtender Gedanke, doch die Tücke liegt auch in diesem Fall im Detail. Denn was wäre konkret der „Unterhaltung“ und was dem „Ernst“ zuzuordnen? Zu Schwierigkeiten führt insbesondere die den beiden Begriffen implizite Wertung.

Unabhängig von der Problematik, die beiden Kategorien auf das andere Medium zu übertragen, bemerkt man heute unzweifelhaft eine Tendenz, die die Architektur zum Ereignis macht. Die Rezeption wird zu einem sinnlichen, abwechslungsreichen Erlebnis, bei dem unerwartete Effekte und damit das Neue im Mittelpunkt stehen. Das Bauwerk gliedert sich damit einer Erlebniskultur ein, die alles und jedes erfaßt - doch ist dies notwendigerweise mit einer Abwertung verbunden? Der kulturelle Stellenwert muß sich bei zunehmendem sinnlichen Vergnügen nicht unbedingt verringern.

Als architektonisches Ereignis par excellence präsentiert sich die neue Hypo-Bank-Zentrale in Klagenfurt von Morphosis, die einem vielfältigen Szenario für die Sinne einen avancierten kulturellen Anspruch unterlegt. Die zersplitterten Gebäudeteile bieten ständig wechselnde Bilder, und man muß die Architektur um- und durchwandern, um sie erleben zu können. Die einzelnen Elemente scheinen ihre Stabilität völlig verloren zu haben, so wie auch die eindeutig fixierte Betrachtungsperspektive aufgehoben ist. Das Gebäude stellt ein dynamisches skulpturales Gebilde dar, das herkömmliche Kategorien hinter sich läßt. Das ist zwar in fiktiven Entwürfen bereits gängig, in der Realität brauchen Bauten dieser Art aber einen couragierten Bauherrn.

In diesem Sinn entwickelte sich eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Thom Mayne als einem Architekten mit komplexem Erfahrungshintergrund und der Kärntner Hypo-Bank, die Offenheit mit wirtschaftlichem Kalkül verband. Die Hypo-Bank verfolgte in den letzten Jahren eine innovative Strategie im Management und ließ erfolgreich das Image der Regionalbank hinter sich. Im Sinne von „Aufgeschlossenheit, Modernität und Internationalität“ expandierte man in die Nachbarländer Friaul, Slowenien und Kroatien. Diese selbstsichere, offensive Haltung spiegelt sich jetzt in der neuen Zentrale an der Völkermarkter Straße wider. Das Engagement seitens der Bank ermöglichte also die Realisierung eines ungewöhnlichen Baus, der sogleich - auch in den regionalen Medien vielfach publiziert - zum effektiven Werbeträger avancierte.

Thom Mayne gründete die Gruppe Morphosis 1971 gemeinsam mit Michael Rotondi und arbeitet seit Beginn der neunziger Jahre alleine unter diesem Titel. Wenn Morphosis heute zu den international renommiertesten Architekten der USA zählt, so bildet die Basis dafür eine langjährige intensive Auseinandersetzung hinsichtlich der gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedeutung von Architektur. Mayne vereint widersprüchliche Ansätze und führt konträre Vorbilder in seinem Werk zusammen. Postmoderne und dekonstruktive Einflüsse, der Prozeß des Zeichnens als Formfindungsprozeß und die theoretische Reflexion, Rationalität und Intuition bilden bei ihm keine unvereinbaren Gegensätze, sondern führen zu Formen jenseits eindeutiger Etikettierungen.

Im Jahr 1996 prämierte eine Jury unter dem Vorsitz von Günther Domenig das Projekt von Morphosis. Der Wettbewerb war für ein großes, trapezförmiges Grundstück ausgeschrieben worden, und Mayne reagierte mit einer spezifischen Entwurfsmethodik für den suburbanen Kontext, die er bereits zuvor erprobt hatte. Mittels einer durchgehenden Gebäudeoberfläche versuchte er, die Landschaft zu modellieren beziehungsweise zu ersetzen. Er löste nicht nur das solitäre Bauwerk, sondern auch den Gegensatz von Bauwerk und Landschaft auf und schuf eine Textur eigener Art - als Antwort auf die schwierige Frage, wie Städtebau sich heute entwickeln könne.

Da das Grundstück an der Peripherie von Klagenfurt liegt, reflektierte Mayne das Thema des Ackers. Er legte die durchgehende Gebäudeoberfläche über einen breiten Streifen des Grundstücks entlang der Ausfallstraße und schnitt - die Furchen eines Ackers paraphrasierend - schmale Schlitze in diese Fläche. In der Ansicht artikulierte sich dies als langgestreckter Bauteil mit weitgekrümmtem Dach, das einem Kreis mit einem Radius von einer Meile folgte. Die solcherart zusammengefaßte Architektur wurde durch Fragmente elliptischer Formen und gekreuzte gerade Volumen ergänzt, die zum Grundvokabular des Architekten zählen.

Doch dann folgte mit der Teilung des Grundstücks eine fundamentale Änderung der Prämissen, die Flexibilität des Architekten war herausgefordert. Einem auf Ganzheitlichkeit angelegten Entwurf wurde sozusagen der Rumpf und damit die Grundidee gekappt, sodaß der zersplitterte Kopfbau ins Zentrum rückte. Was als auffällige Geste in Richtung des Stadtzentrums gedacht und in einen Gesamtkomplex eingebunden war, verwandelte sich unfreiwillig zur Hauptidee des Baus. Was jetzt realisiert wurde und wird, ist das Fragment eines Konzepts, das selbst mit der Fragmentierung spielt.

Der Bau beeindruckt mit seiner städtebaulich-räumlichen, konzeptionellen Idee, der Innenraum steht hingegen im Hintergrund. Gleichsam den Mittelpunkt bildet ein ellipsenförmiger, halböffentlicher Platz, der geschützt und gut proportioniert zwischen dem langgestreckten Haupttrakt an der Völkermarkter Straße und der abgerückten Veranstaltungshalle liegt. Bei letzterer vermittelt sich noch immer die Idee der aus dem Boden emporsteigenden Dachfläche. Diese greift auf der einen Seite weit über die Halle und knickt nach unten, auf der anderen steigt sie in die Höhe und drückt sich an das angrenzende, verglaste Volumen, bis nur mehr ein Spalt frei bleibt. Darunter geht man zum Eingang der Schalterhalle und weiter zum inneren Platz.

Auch diesem Zugang fehlt ein vertrauter Code, sodaß er zuerst kaum als solcher identifizierbar ist. Unter der verglasten Stirnseite senkt sich schließlich der Boden und bildet mit seinen Basaltsteinen, effektvoll beleuchtet, eine neue, künstliche Landschaft. Über diese Senke führt eine Brücke und leitet den Besucher. Das Thema der manipulierten Landschaft, das im übrigen Entwurf zur Metapher wird, äußert sich hier direkt.

Die Bezugsfiguren von Morphosis reichen von James Stirling über Aldo Rossi und Oswald Mathias Ungers bis zu Frank Gehry. Postmoderne Relikte finden sich bei den jüngeren Bauten. In Klagenfurt fallen Lochbleche als großflächige äußere Wandverkleidung auf. Bei ihrer Teilung assoziiert man ein traditionelles Mauerwerk aus großen Quadern, das im Gegensatz zur eigentlichen Entwurfsidee steht. Doch die ursprüngliche Schwere eines solchen Mauerwerks ist hier aufgrund der Durchlässigkeit des Materials aufgehoben, das Bild wird paraphrasiert und verfremdet.

Im Wandbereich steht dennoch die Wirkung einer geschichteten Mauer im Vordergrund, im Dachbereich hingegen die Transparenz des Materials. Hier bilden sich filigran strukturierte, offene Räume. Im gesamten Entwurf differenzieren schließlich transparente und transluzente Materialien den Wandaufbau im Sinne einer horizontalen Schichtung.
Die Hülle aus Lochblech wird immer wieder atektonisch behandelt und unregelmäßig abgeschnitten. Ein Fragment der Hülle taucht bei der Brüstung des Aussichtsbalkons auf, der die langgestreckte Fassade an der Völkermarkter Straße in luftiger Höhe schräg durchdringt und als zeichenhaftes Element über die Fassade ragt. Einige Stufen laufen an dieser Stelle ins Leere. Obwohl der Bau natürlich Funktionen erfüllt, verweigert er sich einer direkten, allzu geradlinigen Funktionserfüllung, setzt auf einer ganz anderen Ebene an und gleitet auch ins unmittelbar Spielerische. Mayne will mit seiner Architektur die gegenwärtige Gesellschaft in ihrer Komplexität und Instabilität „authentisch“ interpretieren.

Die Hypo-Bank setzt aber nicht nur in ästhetisch-konzeptioneller, sondern auch in organisatorischer Hinsicht ein Zeichen. Denn die Projektleitung in Österreich wird von Martin Krammer mehr oder weniger im Alleingang mittels aktueller Technologie abgewickelt, der Entwurfs- und Detaillierungsprozeß gleichzeitig im Büro in Los Angeles weiterentwickelt. Die Mediatisierung des Alltags bildet bereits einen Teil der Realisierung.

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