Bauwerk

Hypobank Klagenfurt
Morphosis, Thom Mayne - Klagenfurt (A) - 2000
Hypobank Klagenfurt, Foto: Angelo Kaunat
Hypobank Klagenfurt, Foto: Angelo Kaunat

Architektur als Metapher für Weltbefindlichkeit – bewegt, fragmentarisch und instabil

In Klagenfurt hat der kalifornische Architekt Thom Mayne den Bau der Zentrale der Hypo Alpe-Adria Bank zu einem architektonischen Manifest verdichtet, das ein neues suburbanes Zentrum mit einem autonom zu bespielenden Veranstaltungsraum und städtisch gefassten Aussenräumen werden soll. Ob die Idee aufgeht, ist fraglich, zumal grosse Teile des Wettbewerbskonzepts nicht realisiert werden

15. Januar 2000 - Karin Tschavgova
Die Voraussetzungen für ein Gelingen von Architektur auf höchstem Niveau - für Baukunst - waren gut, um nicht zu sagen ideal. Aufgeschlossene Bauherrn, die Offenheit für das Neue, das Visionäre auf ihre Fahnen heften und mit einem Bauwerk ihre neue Stategie des Aufbruchs und des Expandierens – die Bank unterhält Filialen in Slowenien, Kroatien und Friaul – untermauern wollen und ein international renommierter Architekt, dessen Arbeit durch zahlreiche Preise ausgezeichnet worden ist. Dazu ein Bauplatz am ausgefransten Stadtrand, der in all seiner Heterogenität zwischen Gewerbebauten, vorstädtischen Siedlungen und landwirtschaftlicher Nutzung auch Freiraum lässt für konzeptuelle Würfe, die keine Einschränkung durch Vorschriften zu Traufenhöhe, Dachneigung, Bebauungsform und Denkmalschutz vertragen.

Es zeugt von Überzeugungskraft des Architekten und gelungener Vermittlungsarbeit des Vorstands, dass auch jetzt, nach der Realisierung des ungewöhnlichen Projekts Identifikation und Verständnis unter der Belegschaft hoch sind, trotz einiger gravierender Unzulänglichkeiten. Dabei ist das Entwurfskonzept des Architekten in seiner Komplexität alles andere als einfach zu erfassen.


Das Dach als artifizielle Landschaft

In Anlehnung an seinen Beitrag zum Wiener Expo Wettbewerb formte Tom Mayne beim Klagenfurter Projekt eine topographische Oberfläche, die die leicht wellige Agrarlandschaft der Umgebung fortsetzten soll. Sie deutet ein Kreissegment mit einem Durchmesser von einer Meile an. Gebäudevolumen wurden durch Einschneiden der künstlichen Landschaft wie mit einem Seziermesser aus dem flächigen Körper herausgeschält und durch Schlitze separiert, die im Modell an Ackerfurchen erinnern und in gebauter Wirklichkeit zu Schluchten wurden. Großflächige Ausschnitte als elliptisch gerahmte Negativkörper erzeugen im Wettbewerbsentwurf Weite. Lineare, schmale Baukörper führen Wege am Areal fort und bilden so Bezugsachsen zur Umgebung.

Konzediert man der heutigen Architektur, dass sie nicht zwangsläufig entschlüssel- und lesbar sein muß und gesteht man der Entwurfsmethodik zu, dass sie subjektiv, zufällig und willkürlich sein kann, so sollte sie doch in sich stimmig sein. Thom Maynes Entwurf wurde durch eine wesentliche Entscheidung der Konzernleitung, die nach der Juryentscheidung erfolgte, stark beschnitten. Man trennte sich, wegen des als zu groß prognostizierten Verwertungsrisikos, von der Hälfte des Grundstücks und errichtet nun (unter anderem) keine Wohnungen. Die Verflechtung von Wohnbau, Büros und kommerzieller Nutzung findet also nicht statt. Öffentliche Freiräume integrieren aber per se genausowenig die umgebende Wohnbebauung wie die in die Siedlungsstrassen ausgreifenden Arme der gekreuzten linearen Baukörper, die zudem deutlich amputiert wurden. Was an Landschaft bleibt, ist rudimentär, reduziert sich auf die Andeutung von weich geformten Gebäudeoberflächen im tiefangesetzten Dach des Mehrzwecksaals, der mit einem allgemein zugänglichen Café verbunden ist. Das mußte unter Terrain abgesenkt werden, was weder von außen noch von innen besonders einladend wirkt. Die Idee der übergreifenden Dachstruktur als Landschaft ist jetzt nicht ablesbar und wird auch nach Abschluß der zweiten und dritten Bauphase nicht schlüssig nachvollziehbar sein. Nun gut – Entwerfen ist ein Prozeß, das Konzept der künstlichen Landschaft war eben der Ausgangspunkt. Was bleibt?


Das Bauwerk als Skulptur

Das Gebäude der Konzernzentrale mit Bankfiliale am südlichen Rand des Areals betont seine städtebauliche Bedeutung am Kreuzungspunkt zweier Strassen durch Höhe, es ist fünfgeschossig, und Dichte. Einschnitte und Verschiebungen aus dem Erstentwurf erzeugen geknickte und schräg aufgeständerte, additiv angeordnete und miteinander verzahnte Bauteile, die ein skulpturales Ganzes ergeben. Fremd und irritierend ragt es an der östlichen Einfallsstrasse von Klagenfurt empor. Dynamisch durch die aufsteigende Schräge, fragmentarisch durch die Bruchlinien zwischen den einzelnen Trakten, gekrümmt, durchstossen und aus den Angeln gehoben evoziert das Gebilde die Kategorisierung „dekonstruktivistisch“. Der Architekt verwehrt sich allerdings dagegen und behauptete bei der persönlichen Führung anläßlich der feierlichen Eröffnung im September den Gebrauchswert sämtlicher Bauteile. Funktionell begründet wird auch das vertikale, weitgehend freistehende Wandelement - geknickter Insektenflügel - eine großteils mit Lochblech verkleidete Stahlstruktur, die in enger Nachbarschaft zur verglasten Stirnseite des langen Trakts an der Völkermarkter Strasse aufragt - als notwendig nutzloses Element (schelmisches Augenzwinkern konnte nicht bemerkt werden). Für mich ergab sich die Assoziation mit einer Felsspalte. Geheimnisvoller Eingang in die Welt des Monitarismus? Tatsächlich erfolgt der Zugang in den Verwaltungstrakt wie in die Bankfiliale für den zu Fuß Kommenden von dieser Seite. Auch hierbei scheint es um die Betonung des Skulpturalen zu gehen; die Einkerbung als präziser bildhauerischer Akt, der spannenden Ausblick verspricht.

Wesentlicher Bestandteil der Bauskulptur ist ihre Umhüllung. Unstrukturierte Metallverkleidungen und vorwiegend Lochbleche in gleichbleibenden Modulgrössen überziehen das gesamte Bauwerk in Abstand zur Klimahülle. Sie bilden eine Haut, die sich weich über Kanten schmiegen soll und über Dachhöhe den Eindruck eines sich in den Himmel auflösenden Körpers vermittelt. Das Lochblech als sinnliche Komponente entspricht somit feministischen Theorien von Architektur, die anstelle der geradlinigen, kantigen und kühlen Moderne die Zeit für Gekurvtes, Weiches gekommen sehen (im Amerikanischen gibt es dafür das phonetisch treffende Wort „smooth“). Die tektonische Hülle kann also viel – mit Abstand besehen: sie wirkt massiv, wo sie auf die geschlossene Wand trifft, durchscheinend vor Fensteröffnungen und transparent, wo sie über Dach gezogen wird. Sie verändert ihr Aussehen nach der Tages- und Jahreszeit. Tritt man ihr zu nahe, etwa bei den Übergängen von vertikal zu horizontal, zeigt sich im Detail das unzulängliche Bemühen um geschmeidige Kurven. Metall ist letztlich doch eine spröde Haut.


Die Architektur als Dienstleister

Nun ist die vollkommenste Bauskulptur in der Regel nicht zweckfrei, sondern muß bestimmte Anforderungen an Funktionalität erfüllen. Thom Mayne postuliert „function follows form“ und begründet schlüssig, dass sich die Funktionen stetig ändern und Anforderungen kein feststehendes Etwas sind. Sein Interesse liegt nicht in unmittelbarer Funktionserfüllung, vielmehr sieht er sein architektonisches Operationsfeld durch Termini wie Veränderung, Widersprüchlichkeit, Konflikt und Dynamik geprägt, die für ihn kennzeichnend für die gleichermaßen komplexen wie fragmentarischen Strukturen der Gesellschaft im ausgehenden 20.Jahrhundert sind. Und er scheint an unorthodoxen Räumen interessiert, die diese Dissonanz ausdrücken. Die Schalterhalle im Kundencenter spiegelt dies wider. Den erweiterten technischen Möglichkeiten unserer vernetzten Welt entsprechend könnte sie auf die Grösse eines Computerterminals reduziert sein. Die Architektur reagiert darauf, indem sie die Schalterhalle reduziert auf einen minimalen Servicebereich und die Schalter mit einer irritierend niedrigen Decke versieht. In den Bürobereichen allerdings bleibt der Architekt in einem erschreckenden Maß in hierarchischen Strukturen stecken. Das oberste Geschoß, die Vorstandsetage erweist sich, zumindest in den nach Süden orientierten Räumen als Bel Etage mit hohen, von allen Seiten durchsonnten Räumen. Die nach Norden gerichteten Büros aller Geschoße sind unterbelichtet und müssen tagsüber immer Kunstlicht zuschalten, weil sie einer rigiden formalen Entwurfsidee unterworfen sind. Ihre Fenster, liegende Elemente in der gleichen Form und Grösse wie die im Abstand davorgesetzten Klappen in der durchgehenden Lochblechhülle sind, ganz banal, einfach zu klein. Der Ausgewogenheit der Fassade und der Rythmik ihrer Öffnungen hätte es sicher nicht geschadet, wenn die hinter den Klappen liegenden Fensteröffnungen größer ausgefallen wären.

Im ersten Obergeschoß, wo sich der leicht geschwungene Körper vor den langen einhüftigen Trakt schiebt, ist sie Situation wirklich trist. Hier wird der geringe Abstand zwischen den additiv geschichteten Baukörpern zur Schlucht – mit dementsprechend schlechter Belichtung. Allerdings: dort, wo kein Bauteil den langen Trakt verstellt, reduziert sich dieser durch einen großzügigen Fassadeneinschnitt auf einen Gang – lichtdurchflutet im Übermaß. Ärgerlich ist, wenn ein Teil der Mitarbeiter im Großraumbüro im Dunkeln sitzen muß, der Klarheit der geschlossenen Fassade zuliebe. Kleinigkeiten? Mitnichten. Erachtet man Bedürfnisse nach Licht und Luft, nach einem menschengerechten Arbeitsplatz als zweitrangig, so gelangt man rasch in die Nähe von feudaler Herrschaftsarchitektur, die Repräsentationsräume anlegt und das Gros der Mitarbeiter in engen, dunklen Kontoren arbeiten läßt. An diesem Eindruck ändert weder eine progressiv dynamische Fassade noch die bedeutungsschwere Beteuerung der Bauherren aus der Festschrift zur Eröffnung: Funktionalität als Disziplin. Dem Benutzer unterworfen. Die Verantwortlichen der Bank haben die Fehler erkannt und sind bemüht, Lösungen zur Schadensbegrenzung zu finden.

Letztlich bleiben architektonische Parameter, die dem Menschen Würde geben und ihn in seiner persönlichen Entfaltungsmöglichkeit unterstützen, auch in Zeiten von Paradigmenwechsel, Entwicklung der Chaos Theorie und dem Verschwinden verbindlicher Normen gültig.

So wie sich das Bild der Architektur ändert, muß sich aber auch die Wahrnehmung von Architektur ändern, das „gewohnte Bild“ ersetzt werden. Mit der außergewöhnlichen Raumhülle für die Hypo-Zentrale ist Thom Mayne ein irritierendes Bild gelungen, das staunen macht und die Auseinandersetzung mit dem Thema provoziert. Zur Nachahmung ist diese Architektur nicht geeignet. Vielleicht genügt, wenn zu vermitteln gelingt, was der Architekt beispielhaft zu seiner These, dass Architektur immer didaktisch sein muß, erklärt. Die Fähigkeit und Potenz gebauter Architektur, „zu lehren, wie die Sonne auf ein Gebäude trifft.“

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