Bauwerk

Um- und Neubau The Dolder Grand
Foster and Partners - Zürich (CH) - 2008
Um- und Neubau The Dolder Grand, Foto: Nigel Young / Foster + Partners
Um- und Neubau The Dolder Grand, Foto: Nigel Young / Foster + Partners

Ein Diamant in neuer Fassung

Damit ‹The Dolder Grand› weiterhin das Flaggschiff der Zürcher Hotellerie bleibt, wird es aufwändig umgebaut und erweitert. Foster and Partners haben es entworfen, Itten + Brechbühl und Ernst Basler + Partner setzen die Pläne in die Realität um – eine Parforce-Leistung für alle Beteiligten.

30. Juni 2006 - Werner Huber
Hoch über Zürich eröffnete 1899 das von Landesmuseum-Architekt Jacques Gros entworfene Grand Hotel und Curhaus Dolder seine Türen. Das romantische Bergschloss kostete 1,7 Millionen Franken und war schon damals das teuerste Haus der Stadt - trotz Bad auf der Etage. Das Hotel war zunächst nur in der Sommersaison geöffnet, erst 1916 stellte es auf Ganzjahresbetrieb um, vor allem, um betuchte Flüchtlinge zu beherbergen, die der Erste Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben hatte. Stets passte sich die Herberge den Bedürfnissen der Zeit an: In den Zwanzigerjahren wurde der Hoteleingang von der Hauptfront an die Rückseite verlegt, um an dessen Stelle ein Restaurant zu bauen, und hinter dem Hotel entstand ein Personalhaus. In den Sechzigerjahren wurde das Hotel umfassend renoviert, es erhielt einen zusätzlichen Zimmertrakt und einen Ballsaal im ersten Stock. Die Aus-sen-renovation- Ende der Siebzigerjahre war die letzte aussen sichtbare Veränderung. Während mehr als hundert Betriebsjahren konnte das Grand Hotel Dolder seine führende Rolle in der Zürcher Hotellerie zwar halten, doch ohne grössere Investitionen wäre die Position des traditionsreichen Hauses gefährdet gewesen; denn weltweit rüsten die Hotels der Spitzenklasse massiv auf. 2001 stiegen Devisenhändler Urs Schwarzenbach und Gastronom Martin Candrian beim Dolder ein. Sie vereinigten, was für die Zukunft des Hauses nötig ist: Geld und Know-how.

Das Projekt des Lords

Die Pläne für das neue Dolder, das seit April ‹The Dolder Grand› heisst, zeichneten Foster and Partners, die für Schwarzenbachs Sisa Immobilien bereits die Chesa Futura in St.Moritz entworfen hatten (HP 12/03). Ziel der Arbeiten ist es, das Haus wieder von seiner besten Seite zu zeigen. Dafür werden die späteren Zubauten abgerissen und der Haupteingang wieder an seine ursprüngliche Stelle verlegt. Zwei neue Zimmertrakte - der Spa-Flügel und der Golf-Flügel - umschliessen den Altbau von hinten, in der Achse des Haupteingangs kommt der Ballsaal zu stehen. Zu Füssen des Haupthauses, unter der Hotelzufahrt, kommen Restaurant, Konferenzsäle und der Spa-Bereich zu liegen. Kurz: Lord Foster gibt dem alten Diamanten einen neuen Schliff und setzt ihn in eine neue Fassung.

Itten+Brechbühl als Gesamtleiter und Ausführer sowie Ernst Basler+Partner als Ingenieure sind die Juweliere, die Fosters Schmuckstück vom Papier in die Realität umsetzen. Doch anders als im Schmuckatelier, wo der Diamant erst zum Schluss in die Fassung eingesetzt wird, steht auf der Baustelle hoch über Zürich der edle Stein bereits an seinem Platz und die Fassung muss um ihn herum gebaut werden - eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten. Denn die bis zu 18 Meter tiefe Baugrube rückt dem Altbau von allen Seiten zu Leibe, gleichzeitig erhält das alte Haus neue, tiefer gelegte Fundamente und hinter den alten Fassaden wird sein Innenleben, mit Ausnahme weniger, Teile komplett neu erstellt.

Den Altbau am Ort behalten

Auf einem Rundgang durch das im Rohbau weitgehend vollendete Haus schildern der Chefbauleiter Kuno Zimmermann und der Ingenieur Consuelo Senn, wie sie dafür sorgten, dass der Altbau nicht in die Baugrube rutschte, und wie sie das ausgehölte Haus stabilisierten, damit es nicht wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel. 150 Arbeiter waren während den Tiefbau- und Rohbauarbeiten auf der Baustelle beschäftigt. Zunächst wurde das Grand Hotel von seinen An- und Erweiterungsbauten befreit und aus dem Innern wurden die nichttragenden Bauteile entfernt. Dann wurden im Keller Mikropfähle in den Boden eingelassen und das Haus für die Abfangung und Stabilisierung vorbereitet. Nun wuchs im Innern, die alten Holzböden durchdringend, ein provisorisches Stahlskelett in die Höhe. Die Aussenfassaden wurden in 500 Bauetappen unterfangen und nach unten verlängert, um die Höhe des Untergeschosses zu erhöhen. Gleichzeitig hob man die Baugrube allmählich auf das Bodenniveau des neuen Kellergeschosses aus. Im nächsten Schritt wurde der Altbau von oben nach unten ausgekernt und die Stabilisierung der Fassade auf die Stahlkonstruktion verlagert.

Erhalten blieben vom alten Haus die Aussenwände, Teile des Daches, der Mittelteil mit Steinhalle, Haupttreppe und vorgelagerten Zimmern, die beiden Seitentreppen und - jeweils rechts und links des Mittelteils - zwei Zimmer pro Geschoss, die nun am Stahlskelett frei in der Luft hingen. Nun konnte man unter dem ausgeräumten Haus die Bodenplatte des neu als Gartengeschoss bezeichneten Untergeschosses betonieren. Das Haus hatte wieder festen Boden unter den Füssen gewonnen - jedoch nur für kurze Zeit. Denn jetzt begann die Baustelle in zwei Richtungen zu wachsen: Während nach oben in den alten Mauern sukzessive der neue Rohbau in die Höhe wuchs, gingen unten die Grabungen weiter; die Neubauten dringen tief in den Boden ein und schieben sich teilweise unter den Altbau. 110000 Kubikmeter Aushub führten die Lastwagen teilweise im Drei-Minuten-Takt ab - das waren bis zu 300 Fahrten pro Tag. Zur Grundsteinlegung am 4. Februar 2005 schien das alte Grand Hotel wie ein Hochseedampfer in einem tiefen, ausgetrockneten Ozean zu stehen.

Chirurgenarbeit im Hotel

Dieser schon auf dem Papier komplizierte und aufwändige Ablauf war auf der Baustelle noch komplexer und hielt manche Überraschungen bereit. So war die Bauqualität der alten Fassade sehr unterschiedlich. Zwar weise der Sandstein eine hohe Festigkeit auf, doch sei stellenweise sehr wenig Zement vorhanden gewesen, erläutert Kuno Zimmermann. Zudem sei während 100 Jahren sehr viel geflickt und verändert worden, was die Stabilität weiter beeinträchtigte. Zur Sicherung der Baustelle hatte man ein aufwändiges System installiert, das in heiklen Phasen kontinuierlich allfällige Verschiebungen registrierte und selbsttätig Alarm geschlagen hätte. Fast täglich standen Planer und Ausführende vor neuen Hürden, mussten unter Zeitdruck Lösungen für unerwartete Probleme finden.

Auch das Füllen der alten Hülle bot einige Knackpunkte, so beim Anschluss des Neuen ans Alte und bei der Haustechnik, die bei gleich bleibender Raumhöhe unsichtbar eingebaut werden muss. Für horizontale Lüftungskanäle blieb so kein Platz, sie mussten via Dach zur Technikzentrale in den Keller geführt werden. Und in den Wänden und Decken blieb neben den orangen Bündeln der Elektrorohre für Beton manchmal kaum mehr Raum. Chirurgenarbeit war am Dachstock nötig, wo die zimmermännische Tragstruktur grösstenteils entfernt, die charakteristischen Dachvorsprünge aber an Ort belassen werden.

Ohne Geometer geht nichts

Fragen solcher Art sind bei Sanierungen oder Umbauten an der Tagesordnung. Dafür würde man erwarten, dass bei den Neubauten, also der Fassung des Diamanten, alles routinemässig ablaufen kann. Doch weit gefehlt, denn Norman Foster und sein Team haben im Grundriss kaum gerade Linien gezeichnet; alles ist geschwungen und gebogen. Selbst der Ballsaal, der zunächst wie ein einfacher Zylinder aussieht, hat keine regelmässige Form. Komplex war da bereits das Zeichnen und Vermassen der Pläne im Büro, das Umsetzen auf der Baustelle mit der nötigen Präzision stellte Bauleiter und Polier vor neue Hürden. Bei den engen Radien liess sich der Kreisbogen zwar konventionell mit einem Mittelpunkt vor Ort bestimmen, bei den weiten Radien wäre der Mittelpunkt aber weit ausserhalb des Areals zu liegen gekommen. Also haben die Ingenieure das ganze Bauwerk auf dem Landeskoordinatennetz aufgebaut. Im Abstand von zwei Metern, bei komplexen Teilen auch von nur einem halben Meter, übertrugen die Geometer die Punkte aus den Plänen auf die Baustelle. Der Baumeister stellte dafür eigens eine Equipe zusammen, die eine Geometer-Grundausbildung erhielten. Ohne sie konnte selbst der Polier auf der Baustelle gar nichts mehr ausrichten, wie Kuno Zimmermann erzählt.

Zurzeit werken im neuen Hotelkomplex über 400 Arbeiter am Innenausbau. Anfang 2008 soll ‹The Dolder Grand›, wie das Hotel neu heisst, eröffnet werden. Insgesamt wird es 174 Zimmer zählen, 115 normale Deluxe-Zimmer, 48 Junior Suiten und 7 Suiten, alle mit Whirlpool und Dampfduschen, sowie 4 Top Suiten, in denen zusätzlich eine Sauna zur Verfügung steht. Zwei Restaurants, eine Bar, ein Spa-Café und eine grosszügige Lobby wird es im Haus geben und für Feste und Bankette stehen Säle von 35 bis 600 Quadratmeter zur Verfügung. Wie es sich für Häuser dieser Klasse gehört, wird auch das Dolder seinen Gästen und Clubmitgliedern einen Spa-Bereich anbieten. Wenn das stolze Schloss oben am Zürichberg erst seinen Betrieb aufgenommen hat und geschäftig brummen wird, werden die Mühen der Planer und Bauarbeiter fast vergessen sein. Von ihnen wird man nur sprechen, wenn etwas nicht so funktioniert, wie es sollte. Ansonsten wird das Haus als ‹Norman Fosters Meisterwerk› durch die Presse ziehen - als gleissender Diamant in neuer Fassung.

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Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

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