Bauwerk

FIFA-Hauptsitz
Tilla Theus und Partner - Zürich (CH) - 2006
FIFA-Hauptsitz, Foto: Hans Ege
FIFA-Hauptsitz, Foto: Hans Ege

Ein Thron für den Weltfussball

Tilla Theus hat dem Fussball einen Sitz am Zürichberg gebaut: in Hochgeschwindigkeit, mit opulenten Materialien, brillanten Oberflächen und einem tief in der Erde liegenden Regierungssaal für das Exekutivkomitee. Hier tagt die FIFA, die Fédération Internationale de Football Association.

4. April 2007 - Roderick Hönig
Bis anhin hatte die FIFA ihre rund 250 Mitarbeiter auf sechs Häuser von Zürich bis nach Zug verteilt. Um sie an einem Ort zu versammeln, hat sich der Dachverband aller Fussballverbände ein einziges ‹Home of FIFA› auf dem Zürichberg geschenkt, gelegen zwischen der Masoalahalle des Zoos und dem ehemaligen Geschäftssitz auf dem Sonnenberg. Das Haus kostete satte 240 Millio-nen Franken und übersetzt das gutschweizerische Verhältnis zum Reichtum in Architektur: von aussen ein VW Golf, innen ein Maybach. Neben den Quadratmetern war auch die geforderte architektonische Augenhöhe für diesen Direktauftrag keineswegs durchschnittlich: Elegant, exklusiv und vor allem repräsentativ sollte der Hauptsitz werden. Und herausragend in geringem Energieverbrauch und bester Haustechnik. Die Architektin Tilla Theus, die bereits den Sitz des Internationalen Hockeyverbands erweitert hat, bewältigte ein Hochgeschwindigkeitsprojekt: Grundstückkauf 2003, dann politische Durchsetzung inklusive Gestaltungsplan, ein komplexer Bauprozess, Bezug im April 2006 und schliesslich Eröffnung im Mai 2007.

Zwei Drittel unter der Erde

Die Architektin hat den Grundriss einfach strukturiert: Er erinnert in seinen Geschossen über der Erde an ein Klos-ter. Entlang der Längsseiten reiht sich ein Büro ans andere. Die Fussball-Verwalter blicken entweder in den Park oder in den geheimnisvollen Urwald im Innenhof – beide hat der Landschaftsarchitekt Günther Vogt gestaltet. Und wie bei einem Kloster bleibt uns Normal-sterblichen nur der Blick auf die Fassade, auf ein silbern schimmerndes Aluminiumgewebe, das den 140 Meter langen und knapp 50 Meter breiten Bau rundherum einwickelt und so die FIFA-Beamten vor zu viel Sonnenlicht schützt. Wer es ins Kloster schafft, darf staunen, wie teure Materialien adeln: kostbare Glasarbeiten, gebrochene Schiefersteinstreifen aus Brasilien und amerikanisches Nussbaumholz an der Wand, Lapislazuli am Boden, von einer eigens konstruierten Maschine gehämmerte, kunstvoll verzogene Aluminiumwände, ein Andachtsraum für die fünf Weltreligionen aus hinterleuchteten Onyxplatten sowie Chromstahlhandläufe als Reflektoren der Lichtinstallationen des amerikanischen Künstlers James Turrell.
Das ‹Home of FIFA› ist nicht nur wegen der exquisiten Lage und der eindrücklichen Materialsammlung ein besonderer Konzernsitz, sondern auch wegen der Art, wie hier Grösse bewältigt wird. Nur ein Drittel des Gebäudes ist sichtbar: 6000 Quadratmeter für Archive und Lager, 3000 Quadratmeter für Technik und 240 Parkplätze hat Tilla Theus in der Erde vergraben. An die Oberfläche kommen also nur die Eingangshalle, ein Auditorium, die rund 300 Arbeitsplätze sowie eine 1750 Quadratmeter grosse Sport- und Fitnessanlage neben dem Haus. Das Raumprogramm, das Budget und die Wucht des Tiefbaus beeindrucken. In der Bearbeitung der Ausstattung stecken Fantasie, Spielfreude und Kunstfertigkeit. Was Raumfolgen und -gefüge angeht, ist das ‹Home of FIFA› kein Meilenstein. Exemplarisch gilt das für den mickrigen Eingang in die riesige Empfangshalle und den banalen Weg von hier über ein Treppenhaus oder einen Glaslift ins Auditorium, dessen gestauchtes Foyer unmittelbar an die Treppen anschliesst. Die Geschichte kennt berauschendere Beispiele, wie der eine Mächtige dem anderen Mächtigen seine Bedeutung mit Raumdramatik und der ‹Dimension princière› zeigt.

Rundleder-Machtzentrale

Die Bedeutung von Architektur und Macht spielt dieses Haus im Untergrund aus. Im dritten Untergeschoss ist der Saal des Exekutivkomitees untergebracht: ein zwei Geschosse hoher, fensterloser Raum, dessen Boden mit dicken Lapislazuliplatten belegt ist und dessen Wände in dunklem Edelholz schimmern. Hier regieren – eingerichtet von einer Frau – 24 hohe Herren unter Leitung von Josef ‹Sepp› Blatter den Weltfussball. Die Funktionäre sitzen auf Polstersesseln unter einem prächtigen Kronleuchter. Der Thron des Königs ist zwei Zentimeter höher als die anderen Sessel, Bildschirme fahren aus und ein, unsichtbare Übersetzer flüstern aus drahtlosen Ohrmuscheln, leise summen versteckte Datenserver – Machtarchitektur pur.

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Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

Ansprechpartner:in für diese Seite: Roderick Hönighoenig[at]hochparterre.ch

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