Bauwerk

Kindertagesstätte in Kopenhagen
Dorte Mandrup Arkitekter - Kopenhagen (DK) - 2005

Kindgerecht gestaltet

An der Ecke Krausesvej/Skanderborggade im bürgerlichen Kopenhagener Stadtteil Østerbro steht ein bemerkenswert simples Gebäude, das fast den Eindruck erweckt nur temporär zu sein. Da Stadt und Architektin einander vertrauten, konnte hier eine aufsehenerregende Kindertagesstätte entstehen.

3. Dezember 2007 - Clemens Bomsdorf
Der eingeschossige Bau mit Flachdach wird zu den Straßenseiten hin fast vollständig durch transluzente Materialien begrenzt, wodurch der Kontrast zu den umstehenden, massiven Mehrfamilienhäusern besonders groß ist. Die Längsseite des Gebäudes wird ungefähr in der Mitte geteilt, während die Front zur einen Seite mit Siebdruck bearbeitetem Glas abschließt, steigt auf der anderen Seite eine Rampe an, die mit matt schimmerndem Polycarbonat unterbaut ist. Diese leicht milchige Haut wird noch ein Stück um die Ecke herumgezogen. Notunterkunft, Lagerhalle, Festzelt? Der matte Kunststoff, mit Siebdrucktechnik kombiniert, erschwert die Sicht nach innen. Nur ein Blick über den Zaun hilft, um herauszubekommen, welche Funktion der Bau hat: Ein runder Sandkasten signalisiert, hier wurde für kleine Kinder gebaut. Das Gebäude in der Skanderborggade ist nicht nur von außen interessant, auch innen gelang es, ansprechende Architektur für die kindlichen Benutzer zu schaffen. Statt schmaler, dunkler Gänge, gehen alle Räume ineinander über und alle von den Kindern genutzten Bereiche sind zumindest an einer Seite voll verglast, so dass auch in dunklen nordeuropäischen Wintern viel natürliches Licht einfällt.

Kommune als Bauherr: Für und Wider

Weil in Dänemark meist beide Elternteile arbeiten und der Staat Kinderbetreuung außer Haus großzügig subventioniert, werden erheblich mehr Kindertagesstätten benötigt und gebaut als etwa in Deutschland. Sie sind meist in kommunaler Hand, private Einrichtungen sind selten. Als die Stadt Kopenhagen im September 2003 entschied, das Architekturbüro Dorte Mandrup mit dem Entwurf zu beauftragen, ging das nur deshalb ohne Wettbewerb, weil damals die Obergrenzen für Auftragsvergaben ohne Ausschreibungen noch höher lagen als heute. Insgesamt betrug das Volumen für den Bau 1,4 Mio. Euro. Zu der Zeit machte Mandrup Architekten noch gut die Hälfte seines Umsatzes mit kommunalen Bauten, heute ist es etwa ein Drittel. »Zwar sind die Aufträge an sich meist nicht sonderlich lukrativ, aber dafür reizvoll, weil es interessant ist, für die Gesellschaft zu bauen, und weil es viel Aufmerksamkeit gibt. Ein gelungener öffentlicher Bau schafft einen größeren Imagegewinn als andere Projekte«, sagt Mandrup, die in Kopenhagen bereits mehrere extravagante kommunale Projekte realisiert hat. Dafür ist es oft komplizierter, die Kommune als Bauherrn zu haben als ein Unternehmen. Mandrup hat mehrfach erlebt, dass Projekte auf Eis gelegt wurden, nachdem Wahlen zu veränderten Mehrheitsverhältnissen geführt hatten, so zum Beispiel bei einer Kirche in Slagelse. Zwar gibt es in Dänemark etliche Kommunen wie Kopenhagen und Kolding, die sich mit interessanter Architektur profilieren wollen, doch oft zählt allein der Preis, nicht auch die Qualität. Mandrup erwartet, dass die von der Regierung verkündete »Architekturpolitik«, die vor allem darin besteht, in unterschiedlichen Ministerien gefasste Beschlüsse zur Architektur zusammenzutragen, und zum Ziel hat, Architektur in Dänemark einen höheren Stellenwert zu geben, dazu führt, dass die qualitätvolle Gestaltung öffentlicher Bauten in immer mehr Kommunen wichtig wird. Kopenhagen hat bereits jetzt einen Stadtarchitekten, der die architektonische Qualität eines Entwurfs begutachtet, bevor die Baugenehmigung erteilt wird.

»Die Zusammenarbeit zwischen Kommune und Architekturbüro hat hervorragend funktioniert«, so die bei der Stadt für das Projekt zuständige Architektin Susanne Slot Hansen und Dorte Mandrup einhellig. Beide loben, wie engagiert der Gegenpart hinter dem Projekt gestanden hat, was nicht immer der Fall ist. »Die Tagesstätte in Østerbro ist ein Positivbeispiel für die Zusammenarbeit. Wir haben gemeinsam auf ein Ziel hingearbeitet, die Kooperation mit den Nachbarn klappte bestens und großes Glück war auch, dass die zukünftige Leiterin der Tagesstätte bereits eingestellt war und den Bau verfolgen konnte«, so Mandrup. Da das Gebäude in der Skanderborggade eine Zweigstelle einer anderen Tagesstätte ist, war ein Jahr vor Eröffnung bereits klar, wer das Haus nach Fertigstellung leiten würde. Dadurch habe die zukünftige Leiterin auf ihr wichtige Details Einfluss nehmen können und beispielsweise die Bodenfarbe geändert. »Das trägt dazu bei, das Risiko, dass die Leitung das Gebäude später ablehnt, zu minimieren«, sagt Mandrup, die genau das bei einer anderen kommunalen Tagesstätte erlebt hat, wo zudem die Kommune ihrer Ansicht nach zu sehr auf die Kritik der Bürger aufgesprungen ist, statt sich mit dem Bau auseinanderzusetzen. Anders in der Skanderborggade, wo die Zusammenarbeit mit den Nachbarn konstruktiv war. Die Kita ist in einen Block integriert, der von Vereinigungen mit Anteilswohnungen, einer dänischen Variante des Genossenschaftsbaus, dominiert wird. Die Bürger können in Dänemark Projekte blockieren oder verändern, selbst wenn sie dazu kein formales Recht haben, manchmal reicht ihr politischer Druck aus. So wurde die Idee, dort wo Mandrups Tagesstätte nun steht, eine mehrstöckige Kita zu errichten, verworfen, weil die Nachbarn befürchtet hatten, dass dann kaum noch Sonne in ihren Hinterhof scheinen würde. Deshalb sollte Mandrups Entwurf nicht über das Erdgeschoss hinausgehen. Um dennoch genauso viel Freifläche wie Innenraum zu bieten, wurden große Teile der Spielfläche kurzerhand aufs Dach verlegt. Jetzt geht es vom Gemeinschaftsraum ins Freie und von dort aus über die Dachschräge in die Freiluftetage. Der ganze Außenraum ist mit rotem Gummigranulat beschichtet, damit die Kinder weich fallen. Die Schräge sowie kleine, runde Unebenheiten entsprechen dem kindlichen Wunsch, nicht nur über eine flache Ebene zu laufen. Der Kommune war es zu teuer, das komplette Dach zur Spielfläche auszubauen, dafür gibt es im Erdgeschoss noch zwei weitere kleinere Außenflächen. Um die Nachbarn zu erfreuen, wurde ihnen gestattet, das Dach, sobald die Tagesstätte um 17 Uhr schließt, ebenfalls zu nutzen.

Der fast perfekte Bau

Das Flachdachgebäude ist ein Skelettbau aus Beton. Ein großer Teil der Außenwände besteht aus Fenstern aus Kiefernholz und teilweise aus Polycarbonat, so dass in den Innenräumen Betonsäulen als tragende Teile zur Unterstützung eingesetzt wurden. Das brachte aber ein Verletzungsrisiko für die Kinder mit sich – die Säulen wurden deshalb im Nachhinein mit weichem Material ummantelt und die Abstände zwischen Säulen und Wänden so verringert, dass sich die Kinder dort nicht hineinzwängen und hängen bleiben können.
Trotzdem haben Kommune und Architektin hier einen äußerst gelungenen Bau geschaffen, den vorhandenen Platz allerdings nur fast optimal genutzt. Der Eingangsbereich mit Garderobe sowie ein Stauraum nehmen viel Platz des Erdgeschosses ein und aus Kostengründen wurde leider darauf verzichtet, das Dach komplett zum Spielen auszubauen. Zudem heizt sich einer der Räume im Sommer so stark auf, dass er zeitweilig nicht genutzt werden kann. Mit Fußboden und Gummigranulat in verschiedenen Farben und den vielen Erhebungen sowie der Dachterrasse mit Aufsicht auf die umgebenden Straße und Wege kommt das Gebäude den kindlichen Bedürfnissen entgegen, ohne die Sinne zu stressen. Das Haus ist – auch im übertragenden Sinne – farbig, aber nicht bunt.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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