Bauwerk

Ars Electronica Center
TREUSCH architecture - Linz (A) - 2008
Ars Electronica Center, Foto: Rupert Steiner
Ars Electronica Center, Foto: Rupert Steiner

Laboratorien mit Donaublick

Beginn einer neuen Ära: Die Life-Sciences – Neurowissenschaften und Molekularbiologie – lösen Themen wie digitale Netze und Communitys im AEC ab

30. Dezember 2008 - Anne Katrin Feßler
„Das neue Gebäude markiert in gewisser Weise auch den Eintritt in eine neue Epoche“, freut sich Gerfried Stocker, seit 1996 künstlerischer Leiter der Ars Electronica in Linz. Das mit 2. Jänner in Betrieb gehende umgebaute Ars Electronica Center, kurz AEC, sei Anlass und auch Chance „sich neu zu erfinden“ . Für eine inzwischen doch schon 30 Jahre alte Einrichtung sei das relativ wichtig, fügt Stocker schmunzelnd hinzu.

Die Turbulenzen der letzten Wochen um die kolportierten Schulden der Ars Electronica, die angebliche Pleite und den Abgang des Geschäftsführers, der inzwischen interimistisch neu besetzt wurde, hat Stocker die Vorfreude auf das neue Haus allerdings nicht vergällt. „Das Gute ist, wir sind so mit dem Aufbau unserer Ausstellungen beschäftigt, dass man gar nicht so viel zum Zeitungslesen kommt.“

Statt wie bisher 2000 stehen nun zwar insgesamt 6500 Quadratmeter zur Verfügung, am Grundkonzept des 1996 als Ergänzung zum Festival errichteten AEC ändert das jedoch nichts. „Kunst, Technologie und Gesellschaft“ lautet von jeher der Subtitel der Ars Electronica, woraus sich Aufgabe und Ziel, und zwar die kulturellen gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Wissenschaften zu reflektieren, ableitet. Seit der Gründung des AEC 1996 ging es stets darum, „im Gegensatz zum kunstorientierten und durchaus auch avantgardistischen experimentellen Festival, eine edukative didaktische Aufgabe zu übernehmen“ und die Diskussionen, die beim Festival im Kleinen stattfinden, auf eine breitere Basis zu stellen - „ein Auftrag, der nach wie vor volle Gültigkeit hat.“

Sich neu erfinden

Neu erfunden hat sich das AEC nicht bei Motiven und Motivationen, sondern bei den Themen. Wesentlich ist für Stocker dabei das „konsequente Weitergehen über den Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie hinaus, in Bereiche wie Neurosciences und Molekularbiologie. Das sind die Themen im Bereich Wissenschaft und Technologie, bei denen die stärksten gesellschaftlichen und kulturellen Auswirkungen zu erwarten sind.“

Die Periode, in der primär Computer, Netze und digitale Communitys die Diskussionen dominierten, ist vorbei. Jetzt gilt es, den Bereich der modernen Life-Sciences ernst zu nehmen. Gesagt, getan: Humphrey, der beliebte Flugsimulator auf dem Cyberdeck, wurde ebenso eingemottet wie alle anderen Projektinstallationen. „So überraschend neu sind diese Themen für die Ars Electronica ja auch nicht“ , räumt Stocker ein. 1993 hieß es Genetische Kunst - Künstliches Leben, 1999 titelte man Life Science, 2000 thematisierte man mit Next Sex die Reproduktionsmedizin. „Bestimmte Entwicklungen zeichnen sich in den künstlerischen Experimentallabors von Festival und Prix Ars Electronica ab, und nach deren Verdauung schlägt sich das auch auf das nieder, was im AEC gemacht wird.“

Ganze 4000 Quadratmeter Platz widmet das neue AEC den Ausstellungen zu den Life-Sciences, den Wissenschaften vom Leben, die unter dem Titel „Neue Bilder vom Menschen“ gebündelt werden. Stocker: „Wir können unseren Körper, unser Gehirn, unser Inneres von der DNA bis zu unseren Gedanken sichtbar machen. Wir können neue Bilder vom Menschen herstellen und zeigen, sie über die neuen Medien millionenfach verbreiten.“ Mittlerweile sind Bilder, die bis vor wenigen Jahren noch ausschließlich den Wissenschaftern vorbehalten waren, populär geworden. Man sieht sie im Fernsehen, im Internet, in Magazinen.

Wissenschaft und Religion

In der Kombination aus der Wissenschaftlichkeit der Bilder vom Menschen und ihrer Popularität sieht Stocker den verändernden Effekt auf unser Weltbild: „Die Wissenschaft ist zum Leitmotiv unserer Zeit geworden. Mit Recht diskutiert man, dass die Wissenschaft in vielerlei Hinsicht die Religion abgelöst hat.“

Der Kern von Neue Bilder vom Menschen befindet sich in der Main Gallery, die im Rumpfteil der schiffsähnlich anmutenden AEC-Architektur untergebracht ist. Vier Laboratorien - BrainLab, BioLab, RoboLab und FabLab - laden zur aktiven und kreativen Auseinandersetzung ein. Beobachtend und interaktiv führt man dort in Denk- und Bildwelten der modernen Life-Sciences ein und lässt die Besucher eigene Erfahrungen machen - zum Beispiel jene des Klonens. Stocker: „Pflanzen zu klonen ist selbstverständlich und im Vergleich zum Klonen von Säugetieren ethisch harmlos und auch technisch relativ einfach. Trotzdem bringt es die Leute ganz nahe an die entscheidenenden ethischen Fragen, an die Umsetzung von Wertvorstellungen.“

Auch wenn im AEC nun etwa visualisiert wird, wie Wahrnehmung, Emotionen und Intelligenz funktionieren, ist das AEC kein Wissenschaftsmuseum geworden. „Wir erklären keine Wissenschaft“ , hält Stocker fest. „Wir haben auch früher nie erklärt, wie eine Harddisk oder wie eine Maus funktioniert, sondern es ging immer wieder darum: Wie verändert eine Entwicklung unser Leben?“

Die Schwierigkeit sei, diese Dualität von Kunst und Wissenschaft, das Dazwischen und ihre Verschmelzung zu beschreiben. Auf mehr Fläche werde das nun besser gelingen, ist Stocker überzeugt, dem die Erweiterung auch die Möglichkeit gibt, das Festival „eine Spur größer“ umsetzen zu können. Mit drei kleinen Konferenzsälen gebe es nun auch im Haus technisch adäquate Räume für die vielen kleineren themenspezifischen Meetings jenseits des großen Symposions, das weiterhin im Brucknerhaus stattfinden wird.

Besondere Freude bereiten Stocker die 1000 Quadratmeter für das Futurelab. Im bisher stets ausgelagerten Thinktank der Ars Electronica inspirieren sich künstlerische und technologische Innovation wechselseitig. Mit dem Umzug geht auch eine Öffnung der Labors einher: Über den ProjectSpace präsentiert sich das Futurelab inhaltlich, Fenster zur Donau sorgen für noch mehr Transparenz: „Die Räume gewähren direkten Blick auf die Donau. Dieser Sprung in der Arbeitsqualität hat sicher großen positiven Einfluss auf das kreative Arbeiten in diesen Labors.“

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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