Bauwerk

Bellevue – Das gelbe Haus
Peter Fattinger, Veronika Orso, Michael Rieper - Linz (A) - 2009
Bellevue – Das gelbe Haus, Foto: Gabriele Kaiser
Bellevue – Das gelbe Haus, Foto: Architekt
5. Juli 2009 - Az W
Das heimelig-Vertraute und das unverblümt-Avancierte in seltener Verbindung: Vor blitzblauem Himmelshintergrund kommt „Bellevue – Das gelbe Haus“, das die Kante der Einhausung der Mühlkreisautobahn A7 Am Bindermichl-Spallerhof weithin sichtbar krönt, in idealer Komplementarität zur Geltung, doch markiert die temporäre Behausung/soziale Plastik/Veranstaltungsstätte/Interaktionsbühne generell einen Kreuzungspunkt der Gegensätze, die durch die Intervention erst ins Blickfeld rücken. Gelb ist eine heitere Farbe, und sonnig sind die Aussichten, die sich der Betrachterin, dem Betrachter auf der einen Seite des Holzhauses bieten. Blumenfenster rahmen die Sicht auf den idyllischen Landschaftspark, der seit 2006 die einst durch die Autobahn zerschnittenen Stadtteile Bindermichl und Spallerhof wieder vereint. Doch wie bei einem Himmel-und-Hölle-Spiel bricht auf der anderen Seite des Hauses die Gegenwelt unmittelbar hervor: unter der ebenfalls idyllischen Terrasse braust unentwegt jene Verkehrswelle durch, die den Alltag so vieler Anrainer jahrzehntelang zermürbte.

Die verkehrsinfrastrukturelle Maßnahme der Autobahneinhausung brachte den Anrainer:innen nach zahlreichen Protesten (Fotos davon sind im Haus ausgestellt) die lang ersehnte Erlösung, und es war in der Folge faszinierend zu beobachten, wie die getrennten Stadtteile durch die Überplattung und Begrünung zusammenschmolzen, als hätte es die Kluft nie gegeben. Das im Rahmen von Linz09 am 24.06. eröffnete Projekt „Bellevue“ thematisiert die aufgehobenen Gegensätze für die Dauer von 3 Monaten in dichter Packung: „In monochromem Gelb und in den Proportionen an die umliegenden Wohngebäude angelehnt, steht das Haus als schützende Hülle für die Funktionen, die es in sich birgt“, so der Bericht der Architekten. "Als solche beherbergt es Unterkünfte für Gastkünstler:innen, einen Infokiosk, eine Kantine mit Gastgarten, einen Fahrradverleih, einen Werkraum, einen Schauraum, einen Medienraum, eine Bibliothek und eine öffentliche Bühne. Tägliche Veranstaltungen lassen „Bellevue“ zu einem Zentrum künstlerischer Interaktion werden, das Anrainer:innen, Passant:innen und andere Interessierte zum Sehen, Kommunizieren und Handeln auffordert."
Im kleinen Schrebergärtlein hinterm Haus wird Gemüse angebaut, hinter dem gelben Bretterzaun können Gäste in den Genuss einer Freiluftdusche kommen. Insgesamt 180 Veranstaltungen an 84 Tagen werden bis 13.09.2009 für höchste Aktionsdichte sorgen, dabei ist schon der Spazierung zum und im Haus ein Erlebnis für sich. (Text: Gabriele Kaiser)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at