Bauwerk

Bahnorama
RAHM Architekten - Wien (A) - 2010
Bahnorama, Foto: Rupert Steiner
Bahnorama, Foto: Rupert Steiner
29. August 2010 - Az W
„Der Turm ist ein verständliches Symbol dafür, dass hier Großes geschieht und im Werden ist“, schreibt 
Wolfgang Pauser im Blog zum 66 Meter hohen Aussichtsturm namens Bahnorama, der gemeinsam mit einer Ausstellungshalle (in dem der Baufortschritt des Zentralbahnhofs dokumentiert wird) fünf Jahre lang zeichenhaft das Baustellengelände überragen wird. Erschlossen wird der strategisch günstig positionierte Turm mit zwei Panoramaaufzügen (momentan noch nicht in Betrieb, die Mühsal des Stiegensteigens hält sich jedoch in Grenzen), wo man von einer Plattform in 45 Meter Höhe Übersicht über das zerklüftete Bahnhofsareal gewinnt. Die Spuren des ehemaligen Südbahnhofs sind restlos getilgt, momentan (Ende August 2010) beeindrucken vor allem die gigantischen Stützmauern und generell die geisterhafte „tabula rasa“-Situation inmitten des Stadtkörpers.

Zur Vorgeschichte des Turms: 2007 wurden die 14 Teilnehmer der Ausstellung „Young Viennese Architects“ zu einem Wettbewerb für ein Baustelleninformationszentrum eingeladen, als Standort war ursprünglich der Autobusbahnhof Südtirolerplatz vorgesehen. Gefordert war eine Terrasse, die in Bauklasse V (max. 26 m) über dem Busbahnhof schweben sollte. RAHM Architekten, die mit ihrem Entwurf die Jury überzeugten, hinterfragten die Ausschreibung und unterteilten die Kubatur in einen flachen Baukörper und einen (ursprünglich 90 m hoch geplanten) Turm, der die Baustelle weithin sichtbar dominieren sollte. Die Verlagerung des Bauplatzes ans Ende der Favoritenstraße wirkte sich belebend auf die Fußgängerzone Favoriten aus, die nun einen neuen, wenn auch nur temporären städtebaulichen Schlusspunkt erhielt. Das Bahnorama-Café mit Schanigarten könnte zu dieser Bezirksbelebung ebenfalls einen positiven Beitrag leisten.

Entgegen allen Empfehlungen entschieden sich die Architekten für den Baustoff Holz und entwickelten eine Leimbinderkonstruktion, die in ihrer Durchlässigkeit mit den umgebenden Baukränen durchaus mithalten kann. „Die ersten Statiker, die wir fragten, winkten ab und empfahlen Stahl. Immer wieder, während des Wettbewerbes, wurde Holz in Frage gestellt“, so Hans Schartner von RAHM Architekten. „Doch schließlich fanden wir einen Statiker und Zimmermeister in einer Person, Ing. Hans Matzinger, der uns darin bestärkte, dass es möglich sei, eine den heutigen Sicherheitsnormen entsprechende Konstruktion aus Holz zu entwickeln. Zu unserem ersten Treffen brachte er ein Buch über Jäger-Hochstände mit.“ Historische Vorbilder für das Projekt boten u.a. auch die bis zu 30 Meter hohen Landvermessungstürme der Donaumonarchie sowie der mit 111 m höchste Holzturm der Welt, der in den 1930er Jahren in Gliwice/Schlesien (Polen) als Sendemast errichtet worden war und der heute noch steht. RAHM Architekten unternahmen im Jänner 2010 eigens eine Studienreise dorthin. In den nächsten Jahren wird es sich umgekehrt verhalten: Nicht nur zahlreiche Schaulustige werden sich am bahnorama tummeln, sondern es werden auch Fachdelegationen anreisen, um den Wiener Holzturm, und die interessanten Aussichten, die er gewährt, zu bestaunen. (Text: Gabriele Kaiser)

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at