Bauwerk

Schiffsstation Wien City
fasch&fuchs.architekten - Wien (A) - 2010
Schiffsstation Wien City, Foto: Margherita Spiluttini
Schiffsstation Wien City, Foto: Margherita Spiluttini

Den Bauch des Gebäudes kitzeln

Der Donaukanal hat ein Terminal für den „Twin City Liner“ bekommen. In Wahrheit dient die Anlegestelle vor allem als Rahmen für die Gastronomie.

17. Juli 2010 - Iris Meder
Der Donaukanal an einem Abend vor 15 Jahren. Ein städtebaulich übel gebeuteltes innerstädtisches Gebiet, in dem die Badeboote des 19.Jahrhunderts schon lange verschwunden waren, gezeichnet durch die Zerstörungen der letzten Kriegstage und den nachfolgenden autoverkehrsgerechten Wiederaufbau, geprägt durch den U-Bahn-Ausbau von Otto Wagners Wientallinie, mit einzelnen Infrastruktur-Objekten wie dem seit langer Zeit leer stehenden „Schützenhaus“ gegenüber dem Schottenring. (Zur Geschichte des Donaukanals siehe den Beitrag von Peter Payer auf Seite fünf.) Ein paar Jogger, ein paar Hundehalter auf Gassi-Tour. Fahle, schummrige Beleuchtung, nicht unbedingt das Ambiente, in dem man sich gerne länger aufhalten wollte. Heute – ein Flex, eine Summer Stage, eine Herrmannbar, ein Badeschiff, eine Adria Wien und einen Tel Aviv Beach später – ist das Gerinne kaum wiederzuerkennen. Jean Nouvel baut an seinen Gestaden, im bewegten Licht einer künstlerisch bespielten Medienfassade reiht sich eine Strandbar an die nächste, sodass wahre Coolness schon wieder zu den etwas weiter weg gelegenen Uferabschnitten auszuweichen beginnt.

Ein Heuchler, wer sich hier frühere Zeiten zurückwünschen wollte. Naschmarkt, Yppenplatz, Karmelitermarkt, Gürtel, Museumsquartier und Donaukanal: Die Verdichtungszonen öffentlichen Lebens, mit und ohne Konsumations-Kontext, haben sich in Wien seit den Neunzigern potenziert und, neben allen positiven Auswirkungen auf die Lebensqualität der hier Wohnenden, auch erheblich dazu beigetragen, das internationale Image der Stadt von dem einer schläfrigen Senioren-Busreisen-Destination wegzubringen. Im Zusammenhang mit den neuen Möglichkeiten des alten Donauraumes stand auch die Einführung des – im Vergleich zu einer ÖBB-Fahrkarte freilich um ein Vielfaches teureren – „Twin City Liners“, eines speziellen Schnellbootes mit geringem Tiefgang, das es erlaubt, sich direkt am Schwedenplatz in Richtung Slowakei einzuschiffen und damit die zeitraubende Schleusenprozedur in der Freudenau zu umgehen.

Lange konnte es wohl nicht so weitergehen mit der ursprünglich eher off-szenigen Nutzung der „Vorkais“ – so der offizielle Name der Promenaden am Donaukanal. Ein „Terminal“ für die von einer Tochter der Wien Holding betriebene Bootslinie musste her, das sich indessen über ausgelagerte Gastro-Betriebe finanziell selbst tragen sollte. Die Anlegestelle für die überschaubare Anzahl von Passagieren ist also primär der Rahmen für eine rentable gastronomische Nutzung.

In der Ahnenreihe des nun fertiggestellten Baus stehen denn auch weniger Eugen Wachbergers für den Bau des „Lentos“ demolierte hochelegante Linzer DDSG-Anlegestelle als vielmehr Restaurantpavillons wie das bauhäuslerische „Kornhaus“ an der Elbe in Dessau, Wilhelm Riphahns Kölner „Bastei“ am Rhein oder, im Donau-Kontext, Ivan Antics dreieckiges Café am Zusammenfluss von Save und Donau in Belgrad.

Nun kann man prinzipiell die Frage stellen, ob es eine sinnvolle Idee ist, einen Bau mit Hunderten von Konsumations-Sitzplätzen auf zwei Ebenen am Ufer des Donaukanals aufzuführen, wo sich für die Sommermonate eine funktionierende Nutzung bereits etabliert hat und mittlerweile auch mehrere ganzjährig bespielte Restaurants und Bars existieren. Man muss der „Wiener Donauraum Länden und Ufer Betriebs- und Entwicklungs-GmbH“ als Auftraggeberin aber zugutehalten, dass zum 2006 ausgeschriebenen Wettbewerb eine hochrangige Auswahl an Büros geladen wurde. Die Entwürfe sahen leichte, transparente Konstruktionen für den Standort vor, an dem einst das still entschlummerte „Trialto“-Projekt realisiert werden sollte.

Die Stahlfachwerkkonstruktion von Fasch & Fuchs interpretiert sich städtebaulich als Brücke, die parallel zum Kai einen gekrümmten Weg zwischen Schweden- und Marienbrücke spannt, nur an ihren beiden Enden an das Ufer andockt und die Kaimauer, so eine Vorgabe des Wettbewerbs, ansonst unangetastet lässt. Der Zugang zum tiefer liegenden Fahrkartenschalter, dem touristische Präsentationsflächen der Stadt Bratislava angegliedert sind, erfolgt über eine Rampe. Dass auch ein öffentlicher Fußweg über die obere der beiden Restaurantebenen führt, hat zur Folge, dass die Gäste des Cafés nicht nur auf die gegenüberliegende braune Fünfzigerjahre-Bebauung blicken müssen, sondern an einer von Flaneuren bevölkerten auskragenden Uferpromenade über dem direkt am Wasser entlanglaufenden Fuß- und Radweg sitzen. Da die Steigung gemäß der Bauordnung hier keine Rampe erlaubte, führt der Weg freilich in flachen Stufen nach oben. Für Rollstuhlfahrer, aber auch Personen mit Fahrrad oder Kinderwagen wird die Benutzung des Weges damit zumindest sehr schwierig.

Auch mit dem dezenten Hellbeige seiner Hülle setzt der Bau von Fasch & Fuchs auf optische Leichtigkeit und Transparenz, die sich mit dem Sichtbarlassen der Tragstruktur auch im Inneren fortsetzen sollte. Die versetzten Ebenen von Ticketbereich und Restaurant machten hier Fensterbänder auf Fußbodenniveau möglich, die auf den Fluss und die Fahrt einstimmende Schrägdurchblicke zur Wasseroberfläche bieten.

Das Konzept der Restaurantnutzung sah allerdings dreiseitig geschlossene Sitznischenvor, die den Raum zur Kai-Seite mit schweren, gediegenen Holzvertäfelungen abriegeln. Ein schwarz-weiß gemusterter Fliesenboden macht den Raum zusätzlich unklar. Im darüberliegenden Cafébereich, einer Art Glaspavillon mit Ausblicken nach allen Seiten und einer dezenten, auf die Architektur weitaus harmonischer abgestimmten Möblierung, der wie das Restaurant vom Büro BEHF eingerichtet wurde, funktioniert das Konzept der Transparenz und eines fließenden Überganges von öffentlicher und Gastronomiezone, von Innen und Außen. Dass eine bessere Wahrnehmbarkeit des Donaukanals im ersten Bezirk ein Desiderat war, zeigt die intensive Nutzung des holzbeplankten Weges. Vom Schwedenplatz aus, vondem der Bau letztlich doch hauptsächlich wahrgenommen wird, fallen ärgerlicherweise vor allem die großen Werbeflächen ins Auge, die nicht etwa dem Bootsbetrieb, sondern einem Unterhaltungselektronik-Produzenten eingeräumt wurden. Die Grundidee des Baues erschließt sich vielleicht am besten von unten, vom Fußweg am Vorkai aus, wo tags die Reflexion des Wassers den Bauch des Gebäudes kitzelt und nachts in den Boden eingelassene Leuchten die Konstruktion zum Schweben bringen.

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Wiener Donauraum Länden und Ufer Betriebs- und Entwicklungs-GmbH

Tragwerksplanung

Fotografie