Bauwerk

Städel Erweiterungsbau
schneider+schumacher - Frankfurt / Main (D) - 2012
Städel Erweiterungsbau © Städel Museum / Foto: Norbert Miguletz
Städel Erweiterungsbau, Pressebild: Norbert Miguletz

Museum der Bankbürger

Das nördliche Mainufer Frankfurts prägen die Hochhäuser der Banken, das südliche Museumsufer die Kultur. Architektonisch wirkt das Frankfurter Städel im Untergrund: mit lichtem Gegenpol unter grüner Wiese.

20. März 2012 - Anne Katrin Feßler
„Unter dem Rasen der Strand“ titelte Die Welt in Anspielung an die Situationisten, die die Freiheiten des urbanen Menschen metaphorisch unter den Pflastersteinen wähnten. Ein hübsches Bild für die jüngste Erweiterung des Städels, das sich, gefüllt mit Gegenwartskunst, tatsächlich unterirdisch ausbreitet. Die sanft gewölbte Kuppel mit 195 Oberlichten der Architekten schneider + schumacher, die sich unter frisch ausgerollten Rasenstreifen verbirgt, erinnerte viele an ein gelandetes Ufo. Allerdings passt der adaptierte Slogan der antibürgerlichen, linken Situationisten aus dem Paris der 1960er-Jahre für das Städelmuseum, Deutschlands älteste Bürgerstiftung, so gar nicht. 500 Meter entfernt, im verkehrsreichen Bahnhofsviertel - wo Rotlichtmilieu und multikulturelle Szene zusammentreffen - liest man auf drei Pflanzkübeln wirklich: „Unter den Pflastersteinen wächst der Garten“. Hier stößt ein anderes Frankfurt auf seine bürgerlich-konservative, die Identität der Stadt maßgeblich prägende Schwester: das Bankenviertel, in dessen Herz die Europäische Zentralbank steht. Und auch dort prallen zwei Welten aufeinander: die bis zu 259 Meter hoch aufragenden Bürotürme der Banken und die kleinen Iglu-Zelte der Occupy-Bewegung. Die kleinen runden Pilze der Demonstranten und die nachts leuchtenden Bullaugen am grünen Hügel der Kunst: eine visuelle Analogie, die man nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Zwar feiert man mit der nun vollendeten Städel-Erweiterung auch den Erfolg der gigantischen Bürgerkampagne Frankfurt baut das neue Städel. Mit ihr glückte Städel-Direktor Hans Hollein das unglaubliche Kunststück, 26 Millionen Euro, also die Hälfte des erforderlichen Gesamtbudgets, aufzutreiben. Trotz kleinster Spenden von 1,50 Euro, die im Städel per SMS eingingen, wären die zusätzlichen 3000 Quadratmeter Ausstellungsfläche und die Sammlungszuwächse von 1200 Werken ohne Initiative der Stiftungen, Unternehmen, Großmäzene - und zu guten Teilen der Banken - nicht realisierbar gewesen. Sie setzen das fort, was der Bankier und Mäzen Johann Friedrich Städel 1916 mit seiner Stiftung begann. Jedoch ist die Frankfurter Bürgergesellschaft eben noch mehrheitlich eine des klassischen Bürgertums im Gepräge des 19. Jahrhunderts; sie meint noch den elitären Bürger von Besitz und Bildung und eben nicht allein den modernen Citoyen bzw. das offizielle Mitglied einer Kommune. Was den Unterschied ausmacht, daran erinnern auch Gemälde von Johann Peter Hasenclever aus dem Vormärz, etwa Arbeiter vor dem Stadtrath (1848/49), das derzeit in der Ausstellung Demonstrationen. Vom Werden normativer Ordnungen im Frankfurter Kunstverein präsentiert wird. Und so sehr sich die Stadt mit der Stärkung kultureller Marken wie dem Museumsufer bemüht, von sich nicht nur als Finanzmetropole, sondern auch als internationale Kulturstadt reden zu machen - ohne die Spender aus der Welt der Banken vom nördlichen Mainufer, ginge es nicht. Überdies: Zur lebendigen Kulturstadt fehlen Frankfurt, dessen Zentrum an Wochenenden und abends wie ausgestorben ist, jedoch auch eine erkleckliche Zahl alternativer, junger Kunstschauplätze.

Dicke und dünne Börsen

Trotzdem ist das Engagement der Mäzene über die Maßen zu loben; es ist erfreulich, wenn es auch um den Erhalt von Kultur geht und nicht nur um jenen der Geldinstitute. Dicke und dünne Börsen haben letztendlich zusammen die neue Halle für Gegenwartskunst ermöglicht. Deutsche und DZ Bank allein sorgten für erhebliche Sammlungszuwächse.

In der lichten Halle öffnet sich von einer Piazza ein variables, aber bisweilen labyrinthisches Raumsystem (Kuehn Malvezzi), das dicht bespielt ist: Verständlich, will man doch zu Beginn viele der bislang im Depot verborgenen Schätze zeigen, die man nun in chronologisch aufgebrochenen Themenkapiteln präsentiert.

Architektonisch erhebend ist das Eintreten über die helle Stiege, die wie in den Stein geschnitten scheint. Über sie taucht man ein in eine strahlend helle Höhle der Kunst. Ernüchterung erfolgt am Treppenfuß: auf gesamter Breite in den Terrazzoboden eingelassen findet sich der Name jener Stiftung, die mit sieben Millionen den Bau anschob: „Hertie-Gartenhallen“. Ein Branding der Halle, so banal und aufdringlich wie die Orientierungshilfen einst im Kaufhaus Hertie selbst. Willkommen im Tiefgeschoß.

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