Bauwerk

Villa Golden Eye
anylis architecture - Côte d´Azur (F) - 2017

Sehen und gesehen werden

Leben wie in einem James-Bond-Film: Das Einfamilienhaus „Golden Eye“ an der Côte d'Azur fasziniert nicht nur mit dem Ausblick aufs azurblaue Meer. Außergewöhnliche Baukunst – aus Österreich.

28. April 2018 - Judith Eiblmayr
Beausoleil heißt ein französischer Ort, dessen Name alles verheißt, was man sich an der Côte d'Azur erträumt: schön und an der Sonne, womöglich an der felsigen Küste mit Blick aufs Mittelmeer – was will ein assoziatives Bild mehr?! Was man als Ortsunkundiger nicht weiß, ist, dass es sich bei Beausoleil um den Stadtzwilling von Principatu de Múnegu, besser bekannt als Monaco, handelt, der auch physisch teilweise im Schatten der Hochhäuser des Fürstentums liegt.

Mitten durch die baulich extrem verdichtete, rund 40.000 Einwohner zählende Stadt verläuft die Grenze, die den Stadtstaat an der Küste von Frankreich trennt. Das Palais der Grimaldis thront auf dem Rocher Canton, an dessen Fuße liegt der Jachthafen der Reichen und Schönen dieser Welt, wo eine lang gestreckte Mole den Weg zum offenen glitzernden Meer weist.

Unmittelbar hinter der Hochhausstadt begrenzt ein felsiges Bergmassiv den schmalen Küstenstreifen und bietet sich für eine Vielzahl von Einfamilienhäusern offensichtlich seit Jahrzehnten als Baugrund an. Guter Grund zu bauen ist die fantastische Sicht, die sich von hier aus bietet, auf die Stadt und über deren Dächer hinweg auf das tatsächlich azurblaue Meer. Wer träumt als Architekt oder Architektin nicht davon, an solch einem Ausnahmebauplatz bauen zu können, sich vom Genius Loci inspirieren zu lassen und dies in Kubatur zu übersetzen? Angesichts von Eileen Grays Meisterwerk der Moderne, E.1027 – Maison en Bord de Mer, am Südwestufer des vier Kilometer entfernten Cap Martin mit Blick auf Monaco gelegen, scheint es fast unerreichbar, sich in dieser Gegend architektonisch manifestieren zu können. Dass ausgerechnet einem österreichischen Architekturbüro diese Ehre zuteil wurde, ist bemerkenswert und das gebaute Ergebnis berichtenswert, denn die Villa „Golden Eye“ ist ein wahrer Eyecatcher.

Die Auftraggeber sind Österreicher, die auch in Wien einen Wohnsitz haben. Aus einem Consulting, wie man die Wohnsituation verbessern könnte, folgte vor einigen Jahren der Auftrag an Anylis Architekten, Marion Kuzmany und Michael Lisner, das Haus umzubauen – und das Ergebnis erfüllte die Ansprüche der Bewohner. Nachdem die Auftraggeber an die Côte d'Azur übersiedelt waren, wollten diese dort ein eigenes Haus bauen. Das passende Grundstück war nach langer Suche erworben, einen passenden Architekten an Ort und Stelle zu finden stellte sich allerdings als schwieriger heraus als gedacht.

So wandten sie sich an ihre in Wien ansässigen Architekten Marion Kuzmany und Michael Lisner, im vollen Vertrauen, dass diese erneut ihre Wohnwünsche in die richtige Form gießen würden. So exzeptionell der Baugrund war, so außergewöhnlich sollte auch die Architektur sein, die Bedürfnisse der Bewohner gleichzeitig antizipierend. Mit diesem Vertrauensvorschuss betraut, machte sich das Architektenduo an die Arbeit. Es gab Detailvorgaben, die berücksichtigt werden sollten: Abgesehen von einem definierten Raumprogramm sollte ein Kamin das zentrale Element sein, an dem vorbei der unverstellte Übergang in den Außenraum gewährleistet ist.

Da das Grundstück in Hanglage bereits dahingehend ausgesucht worden war, war der ungehinderte Blick auf Monaco ein ebensolches „Must“ – auch beim Schwimmen im Infinity Pool. Es sollte ein Refugium werden, das sowohl als Ausguck als auch als Hingucker fungiert und täglich genossen werden kann.

Um sich den Wünschen an die Kubatur konstruktiv annähern zu können, musste vorab der felsige Hang dekonstruiert und in Terrassen neu angelegt werden. Ein in den Hang integriertes Sockelgeschoß mit zwei Gästewohnungen und Lagerräumen und darunter liegender Tiefgarage bildet die mit Faserzementtafeln in Anthrazit gehaltene Basis, über der sich das eigentliche Wohnhaus als eigenständiger, im Grundriss verschwenkter Baukörper erhebt. Auf der Hauptebene gehen Wohnraum, Terrasse und Garten mit dem lang gestreckten Pool nur durch eine Schicht Glas getrennt ineinander über; der Kaminblock, der auch als Technikschacht und Einbaumöbel fungiert, ist der stabilisierende Pfeiler, der sich an der Vorderfront des Gebäudes über beide Geschoße erstreckt.

Daran angehängt und somit weitestgehend stützenfrei wird die große Geste dieses Bauwerks gesetzt, die es formal von anderen Villen unterscheidet: Die Horizontalität der Geländeterrassierung wird aufgenommen und in eine weit auskragende, am Sonnenstand orientierte Deckenkonstruktion übersetzt, die die Beschattung der Glasflächen gewährleistet. Ausgeklügelt und statisch ausgereizt schieben sich die Deckenkonstruktionen von Erd- und Obergeschoß talseitig bis zu sieben Meter vor, bilden an drei Hausseiten Loggien aus und decken jeweils eine Fläche dreimal so groß wie die Grundfläche des eigentlichen Hauses ab.

Die beiden mit weißen Platten belegten Lagen sind einen Meter hoch, um die Stahlkonstruktion abzudecken und gleichzeitig die Haustechnik unterzubringen; durch die große Dimensionierung werden sie zum formal bestimmenden Element. Die in einer Ebene durchlaufende Deckenuntersicht mit integrierten Lichtbändern und Lüftungsschlitzen in der Fugenteilung und der Bodenbelag aus weißem Terrazzo mit glimmernden Muscheleinstreuungen stellen den auch in der Materialität schwellenlosen Übergang zwischen Innen- und gedecktem Außenraum wie selbstverständlich her.

Eine Ebene im Swimmingpool, die auf verschiedenen Höhen arretiert, oder eine Poolbar, die in den Boden versenkt werden kann, sind neben anderen jene Assets, die durchaus mit dem Setdesign eines James-Bond-Filmes assoziiert werden können. Der Name „Golden Eye“ spielt mit dieser Assoziation, und dem Architektenduo Anylis ist es gelungen, genau diese Qualität des Bauplatzes herauszuarbeiten: als Luxusvilla belebt und beäugt zu werden und gleichzeitig den Blick in die Ferne zu richten, wo die Wasserfläche des Pools und das Mittelmeer nur durch eine feine Linie getrennt werden und am Horizont in den azurblauen Himmel übergehen.

Beau et ensoleillé – was will man mehr, als an diesem schönen, sonnigen Ort ein Haus bauen zu können?

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