Bauwerk

Boutique Bizarre
BEHF Architects - Hamburg (D) - 2002

Spannende Entspannungen

Die Wiener Architekten BEHF haben der Hamburger Reeperbahn mit einem raffiniert gestalteten Sex-Supermarkt ein neues High-Light verpasst: Reduziert, statt schrill. Kommunikativ statt intim. Zeitgemäß statt schmuddelig.

22. November 2002 - Ute Woltron
Die Wiener Architekten BEHF haben bereits einige ausgezeichnete Projekte hingelegt, und sie halten an ihrer Seriosität auch dann fest, wenn die Bauaufgabe einmal eine der ganz anderen Art ist: Ihr jüngst auf Deutschlands schillerndster Meile, der Hamburger Reeperbahn, eröffneter Sex-Megastore entwickelte sich binnen kürzester Zeit zu einem beliebten Treffpunkt für Leute jeglicher Provenienz und Nationalität. Welche designerischen Qualitäten dafür notwendig waren, und wie man sich der Schmuddeligkeit entzog, erklärt BEHF-Mitgründer Stephan Ferenczy im Interview.

DER STANDARD: Wie kommen Wiener Architekten dazu, in Hamburg einen Sex-Supermarkt zu bauen?
Stephan Ferenczy: Ich bin in Hamburg aufgewachsen und vor 17 Jahren nach Wien übersiedelt. Alte Freunde von mir haben dieses Objekt unter professionellen wirtschaftlichen Gesichtspunkten übernommen. Es gab dort drei bestehende Geschäfte mit insgesamt 1400 Quadratmetern Verkaufsfläche. Das eine war auf Videos, das andere auf Fetisch-Kleidung spezialisiert, und dann gab es noch eine Peep-Show, die man nicht weiter fortführen wollte. Deshalb wurden die Geschäfte zu einem großen Megastore zusammengelegt.

Was lässt sich über das alte und das neue Erscheinungsbild sagen?
Es gab diese Schmuddeligkeit, von er wir absolut weg wollten. Das Geschäft sollte sich und seinen Auftritt bereits äußerlich positionieren. Die Reeperbahn hat eine grellleuchtende, tivoliartige Fassadenkultur und dahinter steckt die erwähnte Schmuddeligkeit, und zwar bei jeder Art von Gewerbe. Wir brauchten klare, bereinigte Strukturen und wollten darüber hinaus zusätzliche Inhalte schaffen: Zonen, in denen man Kaffee trinken, sich mit jemandem treffen kann, in denen es Infos gibt, und wo eine gewisse Absichtslosigkeit herrscht.

Eine Institution der Begegnung also?
Kommunikation wäre auch ein schönes Wort dafür. Es hat sich gezeigt, dass nicht nur Prostituierte kommen, sondern auch viele Touristen und normale Bürger hier einkaufen. Der Shop hat immerhin bis zwei Uhr nachts offen und macht morgens um zehn Uhr wieder auf.

Was lässt sich über die Architektur sagen?
Wir haben keine speziellen Antworten für dieses doch sehr spezielle Thema gesucht, sondern eine Hardware geschaffen, die klar und bereinigt ist: Ein sauberer Betonfußboden, eine neue Erschließung, eine großflächige Fassade. Dazu gibt es die beleuchtete Fassade, die bespielbaren Flächen und Regale, in denen die Ware ohnehin aufregend ist, sowie Inszenierungszonen. Das sind Schwerpunkte, wie Sado-Maso, Gummiklamotten, Fetisch-Kleidung.

Es fällt auf, dass manche Umkleidekabinen transluzent sind, man also gut ahnen kann, was da drinnen gerade los ist.
Das Spiel mit Intimität und Exhibitionismus gehört einfach dazu. Umkleiden ist ein wichtiges Ereignis - sich zu verwandeln, sich etwas zu trauen.

Und wie schaut die Fassade aus?
Man spaziert auf der Reeperbahn in einem unglaublichen Licht-Farbe-Gewitter. Wir wollten, dass das Lokal durch eine klare, fast weiße Wolke auffallen und unmittelbar nach dem Eintreten schon einen guten Überblick bieten sollte. Es zieht nun die Leute genau dahin, wo sie sich vorstellen, sich umschauen zu wollen.

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