Bauwerk

Handelszentrum 16
smartvoll Architekten - Bergheim bei Salzburg (A) - 2021
Handelszentrum 16, Foto: Dimitar Gamizov
Handelszentrum 16, Foto: Dimitar Gamizov
24. Mai 2023 - Initiative Architektur
Seit mehr als zehn Jahren standen die Lagerhallen eines einstigen Versandhandels in Bergheim bei Salzburg leer. Sie sind Teil eines Gewerbegebiets, das im Schlagschatten des Plainberges mit der berühmten Wallfahrtskirche Maria Plain liegt. Der Gewerbestandort profitiert von der Nähe zur Stadt Salzburg sowie der guten Anbindung an die Autobahn. Errichtet wurden die Lagerhallen (urspr. Universal-, später Otto-Versand) in mehreren Etappen seit den 1970er-Jahren. Ergebnis dieser baulichen Entwicklungsschübe war ein heterogenes Gebilde, das um einen Innenhof gruppiert ist. Der Umbruch im Versandhandel ließ keinen Stein auf dem anderen und hinterließ einen gewaltigen Leerstand von rd. 43.000 m², respektive 233.000 m³ umbautem Raum. Diesen enormen Bestand erweckt Parade-Entwickler Marco Sillaber (vgl. etwa „Gusswerk“ und „Panzerhalle“ in Salzburg) nun zu neuem Leben. Sein Konzept war von Anfang an, diese gewaltige Masse als Ressource zu begreifen. Die simple bauliche Struktur, die von der Salzburger Baufirma Oberascher stammt, aus puren unbehandelten Fertigbetonteilen mit einem weiten Raster aus Betonpfeilern bot dafür eine geradezu optimale Voraussetzung.

Die smartvoll architekten haben bei gleichbleibenden Volumen, lediglich durch das Einziehen von Ebenen den Komplex nach innen sanft verdichtet. Die Nutzfläche wuchs dadurch von den ursprünglich rd. 43.000 m² auf etwas mehr als 60.000 m² an. Dabei haben sowohl der Umstand, dass Sillaber die Kubatur nie maximal nutzen oder gar „auspressen“ wollte, wie auch die Faktoren, die sich aus dem Baurecht ableiten (wie die maximalen Länge der Fluchtwege und die natürliche Belichtung der Arbeitsplätze) von vornherein Limits gesetzt. Nach außen sind kaum Eingriffe sichtbar. Lediglich einige massive Wandflächen wurden durch große Fixverglasungen getauscht, über die Licht ins Innere flutet. Mit Einschnitten in der Dachfläche und geschickt gesetzten Atrien kommen neben Tageslicht sogar grüne Inseln ins Innere der Hallen. Der zentrale Hof, vielleicht der einzige Wermutstropfen, wird als großer Parkplatz genutzt. Das ist zwar den realen Verhältnissen geschuldet, wäre aber zumindest für die Zukunft zu überdenken.

Im Inneren konnten die Architekten dank der großen vorhandenen Volumina völlig anders, als man es im Neubau gewohnt ist, an die Umsetzung gehen. Sie haben den Raum mit neu eingestellten Plattformen gegliedert, terrassiert und den Leerraum in Sequenzen gegliedert. Das ergibt eine beeindruckende räumliche Abfolge, die durch differenziert ausgebildete Treppen – mit breiten Treppenläufen und flacher Steigung und schmalen mit steileren Steigungsverhältnissen – die Benutzer:innen in unterschiedliche Tempi versetzt. Rampen und Lifte sorgen für zusätzliche Möglichkeiten zum Erreichen der unterschiedlichen Niveaus und natürlich für Barrierefreiheit. Eine Sitzstufenanlage dient den Mitarbeiter:innen eines Großlabors, das hier einziehen wird, zum beschaulichen Verweilen oder zum geschäftigen Miteinander. Die eingeschobenen Plattformen aus Sichtbeton und die Absturzsicherungen aus galvanisiertem Metallstäben bilden das wohltuend reduzierte Materialrepertoire. Darüber hinaus hat der Bauherr auch die einstigen Einbauten, die Regale des Versandhandels, wieder verwendet und in einem eigenen Up-Cycling-Prozess in Teilen der Hallen wieder eingebaut. Es wurde tatsächlich alles, was sich noch in irgendeiner Form wieder verwenden ließ, auch wieder verwendet.

Die ersten Abschnitte sind bereits seit 2021 vermietet. Junge Start-ups neben etablierten Branchenführern bilden ein Gemenge, von dem beide profitieren können. Das „Handelszentrum 16“ hat keinen Euro Fördergeld beansprucht und erhielt vom Umweltministerium 2022 den „Erdreich-Preis“ in der Kategorie Flächenrecycling. Gemäß den Angaben der Architekten entfielen durch den Umstand, dass 25.500 m³ verbauter Beton nicht entsorgt werden mussten, die LKW-Fahrten zur nächsten Recycling-Anlage im Ausmaß von rd. 80.000 km und über 15 Tonnen CO2 wurden eingespart. Überdies wurde kein Quadratmeter Boden zusätzlich versiegelt und dennoch ein ökonomischer Mehrwert geschaffen. In Österreich liegen Schätzungen zufolge zwischen 5.000 und 10.000 Gewerbe- und Industrieareale brach. Das „Handelszentrum 16“ in Bergheim sollte zum „role model“ für deren Re- und Upcycling werden. (Text: Roman Höllbacher)

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Für den Beitrag verantwortlich: Initiative Architektur

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