Bauwerk

Wien Museum
WINKLER+RUCK, Ferdinand Certov - Wien (A) - 2023
Wien Museum, Foto: Patrick Johannsen
Wien Museum, Foto: Patrick Johannsen
Wien Museum, Foto: Patrick Johannsen
16. Januar 2024 - newroom
In seinem Haupthaus am Karlsplatz bietet das Wien Museum Einblicke in die Stadtgeschichte. Das Gebäude wurde von Oswald Haerdtl in den 1950er Jahren gebaut und 1959 eröffnet. Sammlungszuwächse, verstärkte Aktivitäten und Sanierungbedarf erforderten seine Überformung, mit dem Ziel, die Museumsfläche in etwa zu verdoppeln.
Den Wettbewerb dazu gewann das Architektenteam Certov, Winkler + Ruck. Die Aufgabe: den Altbau in enger Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt zu sanieren und an die heutigen Baunormen anzupassen, aber auch mit der Erweiterung Haerdtls Architektur aufzunehmen und weiterzudenken.
Eine Lösung fanden die Architekten darin, den Erweiterungsbau statisch in das ehemalige Museumsatrium einzuschieben, sozusagen in den Hohlräumen des Bestands, ohne diesen zu belasten, und in der Höhe über dem Altbau zwei zusätzliche Geschosse zu gewinnen. Das untere erscheint durch seine dunkle und weit in die Gebäudekubatur zurückgezogene Fassade nach außen hin als geschosshohe Fuge. Das obere, für die Sonderausstellungen reservierte und rundum geschlossene Geschoss erhält dadurch Aufmerksamkeit als eigenständiges Bauteil mit starker materieller Präsenz, das über dem Altbau zu schweben scheint.
Der in der „Fuge“ entstandene Freiraum wurde als Aussichtsplattform mit Blick auf den Karlsplatz gestaltet.
Ein vor den Altbau gesetzter, großzügig verglaster Pavillon bildet vor dem eigentlichen Eingangsbereich eine unübersehbare Willkommensgeste an der Plaza und schirmt diese gegen Verkehrslärm und Wind ab. Unter der Plaza entstanden auf der gesamten Gebäudelänge neue Depotflächen u.a. für die Grafik- und Fotosammlung.

Das Fugengeschoss kommt ohne sichtbare Stützen aus, da alle Lasten aus dem darüberliegenden, mit Betonplatten verkleideten Ausstellungsgeschoss durch den ehemaligen Innenhof vertikal in ein eigenes Fundament mit etwa 40 Bohrpfählen und einer bis zu vier Meter dicken Betonbodenplatte abgeleitet werden. Der Verlauf der Zugkräfte aus den Auskragungen des Stahlfachwerks wird durch vier durch den Raum gespannte Hängebänder aus Stahl ersichtlich.
Die Schalung der weithin aus Fertigteilen zusammengesetzten Betonbauteile mit sägerauen Holzbrettern erzeugt belebte Oberflächen, die der Auffassung der Architekten von „Fassade – als Haut – als Kleid“ zuspielen und die skulpturale Wirkung der einzelnen Körper, etwa des in das Atrium eingehängten Treppenhauses, steigern.
Die Erschließung erfolgt über das Herzstück der Anlage, die 20 Meter hohe zentrale Halle mit ihren beeindruckenden Betonoberflächen und zwei neuen Treppenläufen entlang der Rückwand.
Das gläserne Terrassengeschoss ist über eigene Lifte direkt und unabhängig von einem Ausstellungsbesuch erreichbar. Es lockt mit Ausblick und dem Angebot einer kleinen Cafébar. Vorrangig bietet es Raum für das Veranstaltungszentrum, die Vermittlungsateliers mit ihrem Workshopangebot und eine kleine Ausstellungsfläche für die Community Gallery.

Die Frage, ob der Altbau aus architektonischer Sicht überhaupt erhaltenswert und der extreme Aufwand der Sanierung gerechtfertigt sei, muss heutzutage mit dem Verweis auf die Nachhaltigkeit beantwortet werden: Die CO2-Ersparnis im Vergleich zum Neubau fällt deutlich ins Gewicht und kompensiert mitunter den unverhältnismäßigen Konstruktionsaufwand der weiten Auskragungen. Zu erwähnen ist auch das effiziente Energiemanagement mit Geothermie und Photovoltaik über intelligente Haustechnik (Nutzung der Abwärme der Besucher), dazu Lehmbekleidungen von Wänden in den Dauerausstellungsbereichen und die obligate Dachbegrünung. (Autor: Achim Geissinger)

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