Bauwerk

Kultur-, Wissenschafts- und Bildungszentrum | ehemalige Synagoge Kobersdorf
Architekt DI Anton Mayerhofer - Kobersdorf (A) - 2021
Kultur-, Wissenschafts- und Bildungszentrum | ehemalige Synagoge Kobersdorf, Foto: Rupert Steiner
Kultur-, Wissenschafts- und Bildungszentrum | ehemalige Synagoge Kobersdorf, Foto: Rupert Steiner
Das jüdische Viertel von Kobersdorf hatte kein Zentrum im eigentlichen Sinn. Alle wichtigen Einrichtungen der Gemeinde und die meisten Geschäfte lagen an der Schlossgasse, die das Schloss halbkreisförmig umgab. Die Anlage des Viertels ist noch gut zu erkennen und im oberen Teil der Schlossgasse ist das Ensemble mit der Synagoge und anschließenden ehemaligen Judenhäusern noch weitgehend erhalten.

Die Architektur des freistehenden Gebäudes stellt ein gutes Beispiel für den Synagogenbau im 19. Jahrhundert dar. Es wurde im Stil des Historismus errichtet und weist maurisch-byzantinische Details an den Außenfronten und weite Rundbogenfenster auf. Bei dem Gebäude handelt es sich um einen neoromanischen Bau mit Satteldach und rechteckigem Grundriss. Die für die jüdische Religion vorgeschriebene Ausrichtung nach Osten konnte nicht exakt eingehalten werden, da sich die Lage der Synagoge am Straßenverlauf orientiert.

Die Vorhalle des ehemaligen Gebetshauses kann sowohl durch einen Haupteingang als auch durch einen Seiteneingang, der den Männern vorbehalten war, betreten werden. Die an drei Seiten angeordnete Frauenempore kann nur durch einen Seiteneingang und über eine Wendeltreppe erreicht werden.

Nach der Eröffnung des Gebetshauses am 11. April 1860 galt dieses lange Zeit als Mittelpunkt des jüdischen Lebens in der Gemeinde Kobersdorf. Im Laufe der Zeit verlor die Kultusgemeinde zusehends jüdische Mitglieder und somit auch ihre Steuerzahler und Spendengelder. 70 Jahre nach ihrem Bau bedurfte die Synagoge jedoch einer grundlegenden Renovierung. Da die finanziellen Mittel zu diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung standen, wurden einige kleine Reparaturen vorgenommen. Doch einige Jahre später kam die Kultusgemeinde nicht umhin ein Darlehen aufzunehmen.

Während der Kriegsjahre des 2. Weltkrieges blieb das Gebäude zumindest äußerlich in einem nahezu unveränderten Zustand. Es kam jedoch zu einem Totalverlust der Innenausstattung des Hauptraums und auch Fenster und Türen wurden zerstört. Darüber hinaus konnte weder der Verbleib der Kultgegenstände, noch der wertvollen Einrichtungsgegenstände (z.B. Decken– und Wandleuchter) völlig geklärt werden. Fest steht, dass der Thoraschrein und die Bänke für die Turnübungen der SA entfernt wurden.

Nach dem Krieg ging das leerstehende Gebäude im Jahr 1948 an die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG Wien) über. Jahrzehntelang war das Denkmal dem fortschreitenden Verfall preisgegeben. Neben der Sanierung des Dachstuhls wurden 1998/1999 auch die Dachrinnen und Fallrohre aus Kupfer erneuert. Die Substanz des Gebäudes war damit weitgehend geschützt. Die Synagogenfenster wurden im Jahr 2002 begutachtet. Es stellte sich heraus, dass dies zu den aufwendigsten Sanierungsmaßnahmen zählt, auch deshalb, weil die Anordnung der farbigen Glasflächen von einem zum anderen Fenster variieren.

Im Jahr 2019 erwarb das Land Burgenland die (ehemalige) Synagoge Kobersdorf und begann nach einer fast einjährigen Planungsphase im Herbst 2020 mit der Generalsanierung.
Ziel der Sanierung war die Herstellung des ursprünglichen Zustandes zum Zeitpunkt der Eröffnung im Jahr 1860. Das Gebäude sollte seine symbolische Kraft als eines der letzten Zeugnisse der jüdischen Kultur des Burgenlandes nicht einbüßen und gleichzeitig auch die Erfordernisse eines modernen Veranstaltungszentrums erfüllen.
Um eine solche „alterswertige“ Sanierung zu ermöglichen, wurde das Objekt intensiv bautechnisch erforscht. Die in der NS-Zeit zerstörten Luster wurden auf Grundlage von alten Fotos angefertigt, die Wandfarben und Fassade entsprechen dem Original von 1860.

Um den Betrieb des jüdischen Kultur- und Bildungszentrums möglich zu machen, wurde der Bau eines Nebengebäudes erforderlich. Über dieses und durch einen gläsernen Verbindungsgang wird das ehemalige Synagogengebäude erschlossen. Die Architektur dieses Infrastrukturgebäudes wurde bewusst schlicht und zurückhaltend gewählt. Erdgeschossig befindet sich der Eingangsbereich mit den Sanitär- und Nebenräumen. Über Kollektoren wird die gesamte technische Infrastruktur zugeleitet. (Text: Architekt, bearbeitet)

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Für den Beitrag verantwortlich: ARCHITEKTUR RAUMBURGENLAND

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