Bauwerk

Quartier 65
Max Dudler - Weisenau (D) - 2001

Bauen im historischen Kontext

Ein Hotel von Max Dudler in Weisenau bei Mainz

16. November 2001 - Hubertus Adam
Das «Schwarze Café», in nächster Nähe des Deutschen Architektur-Museums an der Schweizer Strasse gelegen, gehört zweifellos zu den angenehmsten Orten, um einen Abend in Frankfurt am Main zu verbringen. Dem 1949 im ostschweizerischen Altenrhein geborenen Architekten Max Dudler, der nach seiner Tätigkeit im Büro von Oswald Mathias Ungers (1981-86) einige Zeit in Frankfurt arbeitete, gelang 1986 das Kunststück, auf minimalem Raum eine Bar und ein Restaurant zu kombinieren. Getrennt werden die beiden Bereiche durch einen schwarzen Raumteiler, in dem Funktionsräume wie Toiletten oder Telefon Unterbringung gefunden haben. Inzwischen befindet sich der Hauptsitz des Büros Dudler in Berlin, und der Architekt befasste sich in den vergangenen Jahren vor allem mit Grossprojekten. Dazu zählen ein Gymnasium in Hohenschönhausen, das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen an der Invalidenstrasse, aber auch die Turmhäuser, die den Bahnhofsplatz in Mannheim flankieren. Auch wenn Dudlers Schaffen durchaus der Doktrin des «steinernen Berlin» entspricht, sind seine Bauten dank ihrer rationalistischen Grundhaltung gefeit gegen die zurzeit - gerade in den Villenvororten Berlins - grassierende Tendenz zu einem konservativen Neotraditionalismus.

Dass Dudlers Talent gerade auch im Bereich der kleinen Form liegt, zeigt nun ein Hotel, das im Mainzer Vorort Weisenau realisiert wurde. Durch einen 1997 vom Fernsehsender 3sat ausgestrahlten Film hatte der Bauherr von Dudler erfahren und den Architekten um einen Entwurf gebeten. Von üblichen Massstäben des Beherbergungsgewerbe ausgehend, mochte das Projekt abenteuerlich erscheinen: ein Hotel mit sechs Zimmern und einer Bar - kein Restaurant, kein Schwimmbad, keine Konferenzräume, keine Minibar und auch kein Fernseher auf dem Zimmer. Ein Hotel also für Individualisten, die auf die Standards von Kettenhotels zu verzichten bereit sind und die persönliche Betreuung durch das Hotelierehepaar ebenso zu schätzen wissen wie eine klare, auf das wesentliche reduzierte Ausstattung. Dieser Idee entspricht das Entwurfs- und Ausstattungskonzept von Max Dudler bestens.

Vom Rhein durch die Bundesstrasse und ein Bahntrassee getrennt, reiht sich das «Quartier 65» mit seinem den Auflagen des Ensembleschutzes gehorchenden spitzen Giebel in die zum Teil historische Uferfront von Weisenau ein. Das gerade einmal gut sechs Meter breite Hotel wirkt wie die auf das Äusserste reduzierte Miniatur eines Hauses: Durch den Verzicht auf jegliche ornamentalen Applikationen und die Verkleidung mit portugiesischem Granit wird das Gebäude zur monolithischen Skulptur. Obwohl die schmalen Fensterschlitze der Stirnseite eine Dreigeschossigkeit suggerieren, handelt es sich in Wahrheit um vier Ebenen - im Erdgeschoss eine Bar, darüber in drei Geschossen jeweils zwei Zimmer. Reduzierte Gestaltung auch im Inneren: Schwarze Asphaltplatten bilden den Boden, die Wände sind weiss gestrichen; hinzu tritt ein leicht gräulich getönter hölzerner Raumteiler in Längsrichtung, in den zuunterst Barbereich und Treppe, in den oberen Geschossen Nasszellen und Schränke integriert sind. Tische und Stühle stammen aus Dudlers bewährtem Bistro-Möbelprogramm Black Monday, die Stehlampen in den sechs geräumigen Zimmern von Arne Jacobsen. «Quartier 65» überzeugt durch den Luxus des Verzichts. Und es beweist, dass innovative Ideen im Hotelsektor oft von aussen kommen - in diesem Fall von einem Eigentümer, der nach einer Karriere bei IBM als Quereinsteiger im Gastgewerbe eine neue Tätigkeit gefunden hat.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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Faruk Pinjo