Bauwerk

Stadtprojekt Waidhofen / Ybbs
Ernst Beneder - Waidhofen an der Ybbs (A) - 2001

Panzer- strickers Erben

Waidhofen an der Ybbs hat den Beweis erbracht, dass gute Architektur und sinnvoller Städtebau nur durch Denken, Reden, Zusammenraufen zu erbringen sind. Das Resultat wurde gerade ausgezeichnet.

17. November 2001 - Ute Woltron
Waidhofen an der Thaya ist ein Städtchen mit Tradition - und mit einem ausgeprägten Bewusstsein dafür. Seit 1277 wird die schöne Ortschaft in Niederösterreich als Stadt erwähnt. Eisen und Stahl und die Verarbeitung dieser Materialien brachten nicht nur weithin berühmtes Sensen-, Rüstungs-, Messerallerlei hervor, bereits im Mittelalter bis nach Venedig reichender Handel und entsprechender Reichtum produzierten eine stolze Architekturmasse und auch ein kraftvolles, selbstbewusstes Bürgertum. Waidhofen verwaltet sich bis heute als eine Art Stadtstaat selbst, juristisch nennt man das autonome Statuarstadt, immerhin zählt man 10.000 Einwohner und viele Jahrhunderte.

Wer in das Allerheiligste ehemaliger Schwertschmiede, Hammerproduzenten und Panzerstricker eindringt - und sei es auch noch so behutsam - muss mit einem kritischen, wachen Beäugtwerden rechnen. Der aus Waidhofen gebürtige, heute in Wien ansässige Architekt Ernst Beneder hat es gewagt, und er hat, gemeinsam mit den Waidhofner Bürgern und den Stadthäuptlingen - nach langem konstruktivem miteinander Ringen - auf allen Linien gewonnen.

Beneder verpasste der alten, gewachsenen Stadtarchitektur sorgfältig neue Konturen, sein Revitalisierungskonzept wurde nicht nur großteils umgesetzt, es gewann soeben auch den mit 200.000 Schilling gut dotierten und begehrten Otto-Wagner-Städtebau-Preis, den das Wiener Architekturzentrum und die Österreichische Postsparkasse alle drei Jahre gemeinsam vergeben, um vorzügliche städtebauliche Bemühungen ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken.

Am Anfang stand ein geladener Wettbewerb, den der Waidhofner 1991 klar für sich entscheiden konnte. Damals war eigentlich nur ein Gestaltungs- und Verkehrskonzept für das chronisch autoverstopfte Waidhofen verlangt, Beneders kluger ganzheitlicher Ansatz brachte jedoch eine Eigendynamik in Bewegung, die schließlich die gesamte Stadt erfasste und somit jeden einzelnen Bürger in irgendeiner Form betraf: Straßenzüge wurden neu strukturiert, mit intelligenten, versenkten Stecksystemen für etwaige Kirtage, Straßenfeste, Open-Air-Messen bedacht, das alte, gebrechliche Rathaus wurde modernisiert und revitalisiert, das zuvor als Gstätten sein Dasein fristende Ybbsufer wurde mit vergleichsweise geringem Aufwand zum idyllischen Fluss-Spazierweg und zu einem Naherholungsgebiet, ein paar markante zeitgenössische Architekturelemente frischten das ohnehin prächtige alte Stadtbild zusätzlich auf.


Der Weg zu einer modernen alten Stadt war allerdings lang und von reger Bürgerbeteiligung spaliert. Quasi jeder neue Pflasterstein, jedes Straßenlämpchen wurde gemeinschaftlich diskutiert, die regelmäßig vor Ort stattfindenden Baubesprechungen wuchsen sich im Laufe der Zeit zu willkommenen Bevölkerungs-Stelldicheins aus, auf Waidhofnerisch fröhlich Veranstaltung genannt. Ernst Beneder: „Es bildete sich jedes Mal sofort ein ganzer Rattenschwanz an Leuten, die Baubesprechungen wurden wie eine Abwechslung, eine Unterhaltung gesehen und arteten stets in dreistündige Bürgertohuwabohus aus.“

Andere Planer hätten - von Projektgegnern zum Beispiel bei jedem Schritt sorgfältig mit Videokameras gefilmt - irgendwann genervt das Handtuch geworfen, doch Beneder sah die Dynamik vielmehr positiv-konstruktiv: „Entwurfs- und Entscheidungsprozesse sind nun einmal keine Schreibtisch- und Reißbrettangelegenheit, sondern finden im ständigen Dialog statt. Ohne diese zum Teil ziemlich hitzigen Diskussionen, die für alle Beteiligten, auch für mich, eine Art Ventil waren, wäre das Projekt wahrscheinlich nicht machbar gewesen.“ Beneder ist das Gegenteil eines verspielten Architekten. Er plant klar und kompromisslos, und das ist offensichtlich die optimale Umgangsweise mit alter Substanz. Das alte Rathaus funktionierte er beispielsweise zu einem offenen, hellen Treffpunkt um, ohne dem Historischen am Gemäuer Abbruch zu tun. Im Gegenteil, das Moderne unterstreicht hier das Traditionelle. Angesichts der oft in katastrophale Kitschigkeit mündenden denkmalpflegerischen Anbiederungen, die man alten Häusern zumeist angedeihen lässt, ist das Waidhofener Rathaus eine Augenweide.

Gleich davor befindet sich mitten im Straßenraum ein Brunnen, an dem sich der Stadtgeist derzeit noch ein wenig reibt: In ein gläsernes, lang gestrecktes Brunnengefäß plätschert Wasser, rinnt in Strudeln ab und ergießt sich in eine steinerne Wanne. Was daran auszusetzen sei, ist nicht ganz so klar, gegen dieses Stadtmöbel hat sich jedoch derzeit noch der harte Kern der Erneuerungsgegner eingeschossen. Da Waidhofen aber bisher mit dem Mittel der Bevölkerungsbefragung hantiert und so stets Konsens erreicht hat, dürften auch diese Wogen irgendwann zur Zufriedenheit aller auskräuseln.

„Schön war Waidhofen vorher schon“, konstatiert Beneder, „jetzt funktioniert es halt besser.“ Ein wichtiges Element seines Konzeptes steht noch aus, und zwar eine versenkte Parkgarage im zugeschütteten ehemaligen Stadtgraben, die Altstadt und Erweiterungsviertel logisch miteinander verbinden könnte. Der Waidhofener Kraftakt wäre damit perfekt absolviert. Doch auch so beweist das Waidhofen-Projekt, dass dem Können ein Wollen vorangehen muss, und der Otto-Wagner-Preis gebührt dem Planer, den Stadtverwaltern, den Bürgern zu gleichen Teilen.

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