Bauwerk

World Trade Center
Minoru Yamasaki Associates, Inc., Emery Roth & Sons - New York (USA) - 1972
World Trade Center © Minoru Yamasaki Associates
World Trade Center © Minoru Yamasaki Associates

„Da müsste man nur Bunker bauen“

Die Debatten um die Stabilität amerikanischer und europäischer Hochhäuser gehen weiter. Die Experten sind uneins. Konsequenzen - zumindest für die Wiener Bauordnung - soll es nach dem WTC-Desaster nicht geben.

19. September 2001
Wien - „Bei so einem Ereignis spielt die Bauweise keine Rolle mehr“ - ist Helmut Rubin, Vorstand des Instituts für Baustatik an der TU Wien, im STANDARD-Gespräch überzeugt. Dennoch: Der zerstörerische Anschlag auf die World-Trade-Center-Türme in New York hat unter den heimischen Architekten und Bauingenieuren durchaus zu Auffassungsunterschieden über die amerikanische und europäische Art des Hochhausbaus geführt.

Otto Raschauer, Projektleiter für den kurz vor der Fertigstellung stehenden Florido-Tower in Wien-Floridsdorf, etwa ist der Ansicht, dass die europäische Stahlbetonbauweise bei Wolkenkratzern einem Flugzeugeinschlag eher standgehalten hätte als die amerikanische Konstruktion aus bloßen Stahlteilen. Ein europäisches Hochhaus, so der Bauingenieur, hätte seinen Bewohnern eine längere Fluchtzeit gegeben.

Für Helmut Rubin sind solche Diskussionen „völlig uninteressant“. Sei ein Hochhaus statisch starr oder flexibel gebaut - es gebe für Hochhäuser keine Modellrechnungen, in denen (wie etwa bei AKW) die Auswirkungen eines Flugzeugabsturzes berechnet werden. Außerdem: „Der Einschlag einer Maschine setzt sich nach unten bis in die Fundamente fort. Versagt dabei ein Geschoß, versagt - auch bei Stahlbeton - alles, was darüber ist.“


Symbole der Eitelkeit

Stararchitekt und Hochhausgegner Roland Rainer indes wird in Konstruktiv, der Zeitschrift für Architekten und Ingenieure Österreichs, mit einer sehr eigenwilligen Meinung zitiert: „Sie bauten einen Turm, denn sie wollten sich einen Namen machen“, referiert Rainer die Bibel. Heute gelte: „Und sie wollen auch ein gutes Geschäft machen. Man sollte nicht über die Ursachen der Zerstörung des WTC grübeln, sondern über Objekte, die Symbole der Macht, der Eitelkeit sind. In Wien werden die Hochhäuser sicherlich auch nur deshalb gebaut. Ich hoffe man beginnt nun nachzudenken.“

Silja Tillner - Architektin und Autorin einer internationalen Hochhausstudie - kennt das statische Konzept des WTCs wie Pläne der Architekten Minoru Yamasaki und Emery Roth genau. Sie ist überzeugt, dass die beiden Tower wegen der besonderen Statik nicht sofort zusammenfielen. „Man hätte im Fall der Katastrophe in New York von Statikerseite her sicherlich nicht mehr tun können. Die Fluchtwegsituation in den Gebäuden war in Ordnung.“ Allerdings wird die Katastrophe laut Tillner großen psychologischen Einfluss haben.

Wiens Planungsstadtrat Rudolf Schicker (SP) meint unterdessen: „Ich sehe keine drängenden Konsequenzen für unsere Bauordnung. Es kann nicht sein, dass keine Hochhäuser mehr gebaut werden. Man kann nicht das ganze Stadtbild auf Katastrophen ausrichten. Da müsste man ja nur noch Bunker bauen.“

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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