Bauwerk

Semperit F & E
Najjar & Najjar - Wimpassing (A) - 2001

Silberschlauch für Semperit

Die Wimpassinger Gummispezialisten leisten sich ein rasantes neues Forschungszentrum. Zum Renommieren und zum Mitarbeitermotivieren. Das Projekt der jungen Architekturbrüder Karim und Rames Naijar gefiel auch der Fachjury des prominenten Aluminium-Architektur-Preises, es wurde zum diesjährigen Alu-Sieger gekrönt.

29. Juni 2002 - Ute Woltron
Das südliche Niederösterreich ist - derweilen noch - eine architektonische Wüstenei ersten Ranges. Hier wüteten neben Häuslbauern in den vergangenen Jahrzehnten höchstens die einander abwechselnden industriellen Rezessionen.

Die einstigen Blütezeiten der Metall-, Gummi-, Papierindustrien dokumentieren zwar schöne, doch schon lange dem Verfall preisgegebene Industriehallen, die Produktionsstätten untergegangener Epochen sind zumeist kontaminiert und, wie etwa die prächtigen Jugendstilhallen der ehemaligen Brevillier-Urban-Werke in Neunkirchen, nicht mehr sanierbar.

In Wimpassing, gleich neben der einstigen stolzen, heute etwas angerosteten Stahlstadt Ternitz, ist mit Semperit (hat nichts mit dem Reifenhersteller in Traiskirchen zu tun) ein Unternehmen beheimatet, das vor einem guten Dutzend Jahren quasi pleite war, das nach diversen Produktionsauslagerungen heute aber international wieder reüssiert, Gewinne einfährt und nun Muße hat, sich um eine entsprechende Corporate Identity auch in architektonischer Hinsicht zu kümmern.

Semperit verfügt ebenfalls über eine ganze Reihe alter, zwar schöner, aber nicht zeitgemäßer Hallen. Einige davon werden nun abgerissen, der erste Ersatzbau steht bereits, und er ist eine Zierde nicht nur für das Unternehmen, sondern für die gesamte Gegend geworden.


Erneuerung

Semperit-General Rainer Zellner läutete den Umbau des Unternehmens Anfang der 90er-Jahre mit einer Erneuerung der Maschinenstruktur ein, erst als die internen Abläufe saniert waren, beschloss er, auch der Architektur ein neues Gesicht sowie ein frisches Schema zu verpassen. „Wir wollten kein biederes Häusl haben“, sagt er, „sondern ein architektonisches Zeichen für unsere moderne Politik und Internationalisierung setzen.“

Eine solche Flagge der Moderne wollen zwar andere Industriekapitäne auch für ihre Unternehmen gelegentlich gerne sehen, doch wissen viele nicht, wie sie gehisst werden soll. Zellner besprach sich mit seinem Forschungschef Franz Sommer, gemeinsam beschloss man, einen Architekturwettbewerb zu veranstalten. „Meine einzige zwingende Vorgabe dafür war“, so Zellner, „dass zumindest die Hälfte der geladenen Architekten jünger als 35 Jahre sein sollte.“ Warum? „Weil alt bin ich selber.“

Unter Juryvorsitz von Günther Domenig entschieden sich die Gummikocher schließlich für das junge Brüderpaar Karim und Rames Naijar, die bereits zu Studienzeiten an der TU-Wien als innovative und flotte Planer aufgefallen waren. Sie entwarfen für das Semperit-Areal, das sich unmittelbar neben der Bundesstraße 17 befindet, einen langen, aluminiumglänzenden Schlauch von einem Haus, der dermaßen attraktiv und auffällig ist, dass vorbeisausende Radfahrer ins Schlingern geraten und sich der Autoverkehr zum Schauen und Staunen einbremst.

Das neue Forschungszentrum ist zweigeschoßig, wird von einer mittleren Halle samt Treppen erschlossen und innenbelichtet, die Forschungs-und Büroeinheiten erstrecken sich auf den Seiten, die Computertechniker sitzen sozusagen in Gesicht und Auge dieses gewaltigen Wurmes. Alles ist alugrau, metallen, silbrig. Die Böden, wenn nicht in Kirschparkett, sind taubengrauer Kunststoff oder dunkelgrauer Stein.

Nicht nur nach außen hin zu Kunden und Partnern soll das Haus zeitgemäße Modernität vermitteln, auch intern will Zellner das innovative Klima durch die Architektur gesichert sehen. Junge Techniker und Spitzenkräfte, so meint er, seien leichter von den Qualitäten seines Unternehmens zu überzeugen und zu bekommen, wenn das Arbeitsumfeld passe. Die Investitionen für das neue Haus beliefen sich inklusive Maschinenpark auf 7,3 Mio. EURO.

Die alten ausgedienten Hallen werden nun sukzessive abgerissen und teils durch neue Gebäude ersetzt. Ob das Mittel zum Zweck wieder ein Wettbewerb sein wird, steht noch nicht fest. In der ersten Runde, das kann man jedenfalls mit Sicherheit sagen, hat sich dieses System bewährt.

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