Veranstaltung

Sep Ruf (1908-1982)
Ausstellung
Sep Ruf (1908-1982)
10. Juli 2008 bis 21. September 2008
Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne
Barer Straße 40
D-80333 München


Veranstalter:in: Architekturmuseum der TU München

Gläserne Klarheit

Der grosse deutsche Nachkriegsarchitekt Sep Ruf in einer Münchner Ausstellung

Von ihm stammen Meisterwerke wie die Neue Maxburg in München oder der Kanzlerbungalow in Bonn. Nun kann der etwas in Vergessenheit geratene Baukünstler Sep Ruf in einer fundierten Werkschau des Münchner Architekturmuseums wiederentdeckt werden.

11. September 2008 - Roman Hollenstein
Die wohl schönste moderne Oase im Zentrum Münchens befindet sich nahe der Frauenkirche im weiten Innenhof der Neuen Maxburg. Die mit Brunnen, Teich und Gartenrestaurant ganz dem Geist der fünfziger Jahre verpflichtete Grünanlage wird auf vier Seiten von unterschiedlich hohen Bauten gerahmt. Diese erheben sich seit 1957 anstelle der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Herzog-Max-Burg, von der einzig der Spätrenaissance-Turm dem Bombenhagel trotzte. Er diente dem Architekten Sep Ruf als Ausgangspunkt für seine Planungen, übertrug er doch die fein proportionierte Wandgestaltung auf die mit Theo Pabst konzipierte Stahlbetonstruktur der Fassade. Diese subtile Neuinterpretation historischer Bausubstanz mit zeitgenössischen Mitteln sicherte Ruf und Pabst das Lob der Fachkritik. Bei den Münchnern jedoch, die von einer Wiederauferstehung der historischen Stadt träumten, stiess die «Murxburg» auf Widerstand. Das mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass Rufs überragende baukünstlerische Leistungen nicht nur in seiner Heimatstadt, wo er eine Vielzahl wichtiger Bauten realisierte, sondern in ganz Deutschland kaum mehr bekannt sind – und dies im Gegensatz etwa zu Scharouns oder Eiermanns Werken.

Tradition und Moderne

Umso grössere Bedeutung kommt der fundierten Werkschau zu, mit der das Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne aus Anlass des 100. Geburtstags von Sep Ruf (1908–1982) zurzeit dessen Schaffen würdigt. Die damit verbundene erstmalige Sichtung des Nachlasses förderte nicht nur neue Fakten zutage, sondern auch originale Zeichnungen, Pläne und Modelle sowie alte Fotos und Dokumente, die nun den Kern der Ausstellung bilden. Diese präsentiert in zwei mit «Ort, Kontext, Geschichte» und «Transparenz» überschriebenen Abteilungen 31 gut gewählte Hauptwerke, die den Bogen schlagen von den frühen Villen bis zu den späten Verwaltungsbauten. Schon als Dreiundzwanzigjähriger realisierte Ruf mit dem Haus Schwend in Bogenhausen einen eigenwilligen weissen Kubus, in welchem traditionelle Formen wie das Rundbogenportal zusammenfinden mit den neusten Errungenschaften des Rationalismus, den er zuvor auf einer Italienreise studiert hatte. Dank dieser moderaten Formensprache konnte Ruf auch während des Naziterrors weiterhin vergleichsweise moderne Privathäuser realisieren.

Das schon im Frühwerk auszumachende Interesse an der Geschichtlichkeit der Architektur kam Rufs Bauten nach dem Krieg zugute. So gelang es ihm in Nürnberg, wo er seit 1947 Akademieprofessor war, den Neubau der Bayerischen Staatsbank in die zerstörte Altstadt zu integrieren, indem er den in rötlichen Sandstein gehüllten Baukörper in einen Dialog mit dem Ort stellte, während er das Gebäude mit horizontalen Fensterbändern und wandhohen Verglasungen in der Gegenwart verankerte. Daraus resultierte ein Meisterwerk des kontextuellen Bauens, das mit Gunnar Asplunds legendärer Rathauserweiterung in Göteborg verglichen werden darf und welches vorausweist auf das filigrane Scheibenwohnhaus an der Theresienstrasse in München.

Kurz darauf entstand das von amerikanischen und schweizerischen Vorbildern beeinflusste Pavillonsystem des eng mit der Parknatur verwobenen Neubaus der Nürnberger Kunstakademie. Dieses schlug sich einerseits im Entwurf der Neuen Maxburg nieder, anderseits in der Kompositionsweise des Deutschen Pavillons auf der Weltausstellung von 1958 in Brüssel. Dessen Transparenz und Leichtigkeit – als Inbegriff demokratischen Bauens und zugleich als Absage an die Naziarchitektur gepriesen – erregte damals zu Recht internationales Aufsehen. Dokumente aus Rufs Nachlass zeigen nun, dass die Pavillonstruktur und die Durchsichtigkeit dieses temporären Gebäudes von Ruf und nicht – wie gemeinhin angenommen – von seinem Teampartner Egon Eiermann stammten. Während das Publikum im Brüsseler Pavillon ein neues, weltgewandtes Deutschland bewunderte, stiessen Rufs Bauten zu Hause immer wieder auf Widerstand.

Unvergessen bleibt die Polemik um den 1964 von Ludwig Erhard in Auftrag gegebenen Kanzlerbungalow, die sich schliesslich wegen Adenauers Bemerkung, der Architekt verdiene zehn Jahre, zu einer heftigen Debatte über Architektur und Demokratie ausweitete. – War der Kanzlerbungalow, der ab 2009 als baukünstlerische Ikone einer «neuen Form von politischer Repräsentation» der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, geprägt durch die offene Architektursprache des von Ruf verehrten Richard Neutra, so gibt sich die vier Jahre zuvor geweihte Kirche St. Johann Capistran in München als skulpturaler Solitär, dessen geometrische Backsteinformen nicht ohne Louis Kahn zu denken sind.

Das Bindeglied zwischen Rufs unterschiedlichen Idiomen bildet das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, dessen wiederaufgebaute Teile von ihm zwischen 1953 und 1976 bald in Stahl und Glas, bald in Stein ergänzt wurden. In Rufs Spätwerk schliesslich überzeugen das Olaf-Gulbransson-Museum in Tegernsee (1966) und das Atelierhaus in Grünwald (1969) durch die Verschmelzung des Miesschen Glashauses mit der antiken Atriumvilla. Ganz anders dann die Zentrale der Berliner Handelsgesellschaft in Frankfurt und der brückenartig über dem Münchner Eisbach sich erhebende Neubau der Bayerischen Vereinsbank, die von den neusten Entwicklungen des amerikanischen Hochhauses bestimmt werden.

Einfluss und Vorbild

Die Münchner Schau bringt nicht nur einen grossen Architekten zurück in unser Bewusstsein. Zusammen mit dem ein ausführliches Werkverzeichnis von 265 Nummern aufweisenden Katalogbuch zeigt sie auch, dass Architekturausstellungen in unserer effekthascherischen Zeit durchaus noch wissenschaftlichen Tiefgang haben können. Dennoch ist das Œuvre von Sep Ruf mit diesem Effort noch lange nicht erschöpfend erforscht. So fragen Schau und Katalog weder nach Rufs architektonischen Vorbildern noch nach der heutigen Gültigkeit seines Dialogs mit dem Genius Loci.

[ Bis 5. Oktober im Architekturmuseum der TU München. Katalog: Sep Ruf 1908–1982. Hrsg. Winfried Nerdinger. Prestel-Verlag, München 2008. 207 S., Fr. 84.– (in der Ausstellung € 39.–). ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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