Veranstaltung

In Sand gezeichnet
Ausstellung
In Sand gezeichnet © Alvar Aalto Museum, Jyväskylä, Finnland
12. Juni 2008 bis 5. Oktober 2008
Pinakothek der Moderne
Barer Straße 40
D-80333 München


Veranstalter:in: Architekturmuseum der TU München

Lob der Linie

Zeichnungen von Alvar Aalto in einer Münchner Ausstellung

Alvar Aalto schuf eine Vielzahl von Meisterwerken. Nun unternimmt das Architekturmuseum München den Versuch, den prominenten Architekten anhand unausgeführter Projekte vorzustellen.

5. Juli 2008 - Hubertus Adam
Realisierte Projekte sind nur Teil eines architektonischen Œuvres. Ihnen stehen jene Entwürfe gegenüber, die nicht ausgeführt worden sind: weil sie im Wettbewerb nicht prämiert wurden, weil die Umsetzung nicht stattfinden konnte oder weil sie von vornherein utopisch gedacht waren. Der Finne Alvar Aalto (1898–1976), als Pionier organischen Bauens in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg zweifellos einer der weltweit einflussreichsten Architekten, ist schwerlich als Visionär und Phantast einzustufen, der das Bauen als Kompromittierung des Ideals geringgeschätzt hätte: «Keine Philosophie – ein Kilometer Linien am Tag», soll Aalto einmal gesagt haben. Doch auch in seinem Schaffen übersteigt die Zahl der unverwirklichten Projekte diejenige der Realisierungen: Neben rund 200 ausgeführten Bauten zählt sein Werk ungefähr 300 weitere Entwürfe.

Problematische Präsentation

«In Sand gezeichnet» heisst eine von der Alvar Aalto Academy Helsinki und dem Alvar Aalto Museum Jyväskylä für das Finnische Architekturmuseum konzipierte Ausstellung, die jetzt vom Architekturmuseum der Technischen Universität in der Münchner Pinakothek der Moderne gezeigt wird. Dabei beschränkt sich die Präsentation auf 19 Projekte, die ausführlich dokumentiert werden, während weitere 80 in Form eines knappen Zeitstrahls an der Wand zu sehen sind. Dass Schwerpunkte auch anders gesetzt werden könnten, liegt in der Natur eines derartigen Konzepts.

Die Handzeichnungen Aaltos, ergänzt durch Pläne seiner Mitarbeiter, stehen im Zentrum der Schau, und doch dürfte es für Besucher, die mit dem Werk des finnischen Meisterarchitekten weniger vertraut sind, nicht unbedingt einfach sein, einen Zugang zu finden. Gewiss, die Veranstalter versuchen, mit Modellen und Detailfotos bestehender Bauten einen sinnlichen Eindruck von Aaltos Architektur zu vermitteln. Darüber hinaus erklären kurze Erläuterungstexte die ausgestellten Originalpläne, und mit kleinen Referenz-Abbildungen wird auf die wiederkehrenden Themen im Schaffen des Architekten hingewiesen (etwa «Abgestufte Aussenräume», «Anpassung an die Umgebung», «Fächerförmige Bauten»). Doch die Ausstellung der horizontal ausgebreiteten, vielfach sehr feinen Zeichnungen unter Glas ist problematisch. Mag sein, dass die Installation aus Gestellen und Glasscheiben an Zeichentische in Büros erinnern soll: Aufgrund der Spiegelungen wirkt die Art der Präsentation alles andere als vorteilhaft.

Kultur und Gesellschaft im Zentrum

Dabei ist der Reigen der Projekte sehenswert, weil er Aaltos Entwicklung anhand von eher unbekanntem Material dokumentiert. Die Schau beginnt mit dem Projekt einer Kirche für das finnische Jämsä (1925), das mit seinem klassizierenden Gestus noch ganz von den Eindrücken der Italienreise des Jahres 1924 geprägt ist. Es folgt die «endlose Spirale» des Kolumbus-Denkmals für Santo Domingo (1928/29). Von überragender Bedeutung ist der zwischen 1934 und 1938 entstandene Entwurf für die Wohnanlage der Firma Stenius in Munkkiniemi: Aalto, der zuvor ganz auf den Funktionalismus eingeschwenkt war, zeigt hier, wie ein Ensemble von vier Wohnscheiben sich in die Landschaft einfügen kann. Zu den städtebaulichen Projekten zählt auch die Neukonzeption für das Zentrum des schwedischen Avesta (1944) mit seiner Idee leicht schräg zur orthogonalen Struktur der umgebenden Bebauung stehender Volumina – oder der zwei Jahrzehnte später entwickelte Plan für das Zentrum von Montreal. Inmitten einer Phalanx von Wolkenkratzern imaginierte Aalto eine Piazza mit niedrigen Bauten, die den menschlichen Massstab wahrten.

Alvar Aalto vermochte es, eine grosse Anzahl unterschiedlicher Bauten auszuführen: Fabriken, Sanatorien oder Wohngebäude. Doch ist der rote Faden seines Œuvres aus Bauten für Kultur und Gesellschaft geknüpft. Vom Kunstmuseum in Tallinn (1937) führt der Weg der Ausstellung über das Sport- und Kongresszentrum Vogelweidplatz in Wien (1952–56), bei dem Aalto Roland Rainer unterlag, bis hin zum neuen Stadtzentrum von Castrop-Rauxel – hier trug 1966 Arne Jacobsen den Sieg davon. Der fächerförmige Konzertsaal aus weissem Marmor, den der Architekt inmitten des Ziegelsteinvolumens der Fortezza von Siena erstrahlen lassen wollte (1966), und das wie eine Zikkurat über einem Hügel aufragende Kunstmuseum im iranischen Shiraz (1969–73) beschliessen die Münchner Schau.

[ Bis 5. Oktober. Katalog: In Sand gezeichnet. Entwürfe von Alvar Aalto. Hrsg. Architekturmuseum der Technischen Universität München. Edition Minerva, München 2008. 160 S., € 26.–. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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