Veranstaltung

Europas beste Bauten. Mies van der Rohe Award 2009
Ausstellung
Europas beste Bauten. Mies van der Rohe Award 2009 © Robert Les
24. Juni 2010 bis 20. September 2010
Architekturzentrum Wien - Alte Halle
Museumsplatz 1
A-1070 Wien


Veranstalter:in: Architekturzentrum Wien
Eröffnung: Mittwoch, 23. Juni 2010, 19:00 Uhr

Wenn die Schulbank drückt

Das 2007 errichtete Fran-Galovic-Gymnasium in Kroatien wäre an sich ein toller Schulbau. Die baulichen Mängel jedoch veranschaulichen die Schattenseiten von Public Private Partnerships.

26. Juni 2010 - Wojciech Czaja
Die Straßen von Koprivnica haben Schlaglöcher, groß wie Melonen, die Häuser sind grau und heruntergekommen, in der Luft liegt ein Schleier von Melancholie. Von der einstigen Pracht der 30.000-Einwohner-Stadt im Norden Kroatiens, keine zehn Kilometer von der ungarischen Grenze entfernt, ist bis auf den herausgeputzten Hauptplatz mit seinen hübschen Blumenbeeten und Straßencafés wenig geblieben. Die Staatskasse macht um diesen Teil des Landes einen großen Bogen. Lieber investiert man in Gegenden, aus denen man sich große Gewinne aus der Tourismusbranche zurückerhofft: in die Küstenregion und in die Inseln.

„Oprostite! Wo finde ich die Gimnazija Fran Galoviæ?“ Den futuristischen Schulbau kennt hier jeder. „Gradaus und vorne links“, sagt ein Mann am Straßenrand, „ist nicht zu verfehlen, schaut aus wie ein Ufo.“ Das zeitgenössische Gymnasium des Zagreber Jungbüros Studio Up, fertiggestellt 2007, geisterte durch sämtliche internationale Gazetten und bescherte seinen Planern auf diese Weise Lob und Anerkennung. Für Studio Up war das die Abschussrampe in den architektonischen Olymp.

Zuletzt wurde die Schule beim europäischen Mies van der Rohe Award 2009 mit der Sonderauszeichnung für den Emerging Architect ausgezeichnet. Eine Ausstellung im Architekturzentrum Wien, die vor wenigen Tagen eröffnet wurde, stellt Europas beste Bauten vor. Das Gymnasium in Koprivnica ist als zweitplatziertes Projekt prominent vertreten.

Ein Schulbau am Puls der Zeit, möchte man meinen. Doch abseits des planerischen Wollens spricht der Bau eine ganz andere Sprache. „Ich mag die Architektur“, sagt Mira Soldiæ, Psychologielehrerin an der Fran-Galoviæ-Schule. „Die Funktionalität der Räume, die Größe der Klassen, die dazwischengeschalteten Kabinette für die Lehrerinnen und Lehrer, mit einem Wort das gesamte Raum- und Funktionsprogramm ist absolut perfekt. Diesbezüglich sind wir mit dem Bau sehr glücklich. Nur an der Umsetzung, ich sag Ihnen, an der Umsetzung beißen wir uns Tag für Tag die Zähne aus.“

Ein Großteil der Räume ist dunkel. Manche Klassenzimmer verfügen nicht einmal über ein öffenbares Fenster ins Freie. Eine Lichtkuppel im Plafond, eine Milchglasscheibe in der Außenwand, ein kleines Guckloch in die Aula sind in diesen Unterrichtshöhlen das höchste der visuellen Gefühle. Die Akustik in den Gruppenräumen für den Sprachunterricht ist eine Katastrophe. Die Worte des Deutschlehrers hallen immer und immer wider. Wie man unter solchen Umständen eine Fremdsprache erlernen soll, bleibt ein Rätsel.

Ein Fünfer, ach was, ein Fetzen auch für die Technik: Laut behördlicher Baubewilligung entsprechen Bauphysik, Haustechnik und Wärmedämmung den regionalen Bauvorschriften. Alles ist im grünen Bereich. Rechnerisch. Theoretisch. Praktisch jedoch knallt im Sommer die Sonne durch das transluzente Dach aus Polycarbonat und wärmt die Klassenzimmer auf 38 Grad Celsius auf. „Wir ersticken hier drin“, so Soldiæ. „Und wenn's regnet, dann prasselt der Regen so laut gegen das Kunststoffdach, dass man sich bei Unwetter in der Klasse kaum noch unterhalten kann.“

PPP-Partner tut, was er will

Doch wie ist all das möglich? Und noch dazu beim angeblich zweitbesten Neubau dieses Kontinents? „Die Baukosten waren limitiert, also mussten wir sehr clever und effizient planen“, erklärt Architekt Toma Plejiæ. „Beispielsweise haben wir bei der Fassade gespart, indem wir statt herkömmlicher Wände und Fenster teilweise Industrieglas verwendet haben. Das gesamte Dach der Schule wiederum ist aus Polycarbonat. Im Winter wirkt das Schulgebäude wie ein Glashaus, im Sommer hingegen ist das Volumen so groß und so hoch, dass die warme Luft nach oben entweichen und kalte Luft nachströmen kann.“

Das alles hätte perfekt funktioniert. Theoretisch. Wäre da nicht die Baufirma, die im Laufe der Planung und des Baus kontinuierlich Einsparungen vorgenommen und das eine oder andere Detail verändert, verkleinert oder überhaupt ersatzlos gestrichen hat. Die Lüftungsanlage wurde reduziert, Beleuchtungskörper wurden eingespart, Fenster, die laut Plan noch zu öffnen waren, wurden plötzlich zu billigen Fixverglasungen ohne jegliche Zufuhrmöglichkeit von Frischluft.

Schuld an diesem gigantischen Malheur ist das Public Private Partnership, kurz PPP, das diesem Schulbauprojekt zugrunde liegt. Nachdem der Staat für den Neubau des dringend benötigten Gymnasiums in Koprivnica keine einzige Kuna beisteuern wollte, waren Stadt und Gespannschaft auf die Kooperation mit einem privaten Investor angewiesen. Mit der Zagreber Baufirma Tehnika d.d. fand sich rasch ein williger PPP-Partner.

Die gesamten Investitionskosten wurden auf diese Weise auf den Privatinvestor abgewälzt. Die öffentliche Hand mietet das Bauwerk nun 25 Jahre lang zurück, und zwar für satte 100.000 Euro pro Monat. Nach Ablauf der Vertragsdauer wechselt die Schule ihren Besitzer und wird von dann an zu 40 Prozent der Gespannschaft und zu 60 Prozent der Stadt gehören. Das Modell ist hinlänglich bekannt. Und es ist eine faire Lösung, von der normalerweise alle profitieren. In diesem Fall jedoch hat der private Partner Tehnika die Baukosten zugunsten des eigenen Profits bis zum äußersten Minimum strapaziert.

Technischer Ausbau überfällig

„Ja, das war ein sehr günstiger Bau“, bestätigt der Schuldirektor Vjekoslav Robotiæ. „Normalerweise betragen die reinen Baukosten für eine Schule dieser Größenordnung in Kroatien rund zehn bis zwölf Millionen Euro. In diesem Fall hat die Schule zwölf Millionen Euro gekostet, und zwar nicht nur in der baulichen Errichtung, wie das üblicherweise kalkuliert wird, sondern mitsamt Möblierung und technischer Ausstattung bis hin zur allerletzten Computermaus. Ich kenne keinen anderen Schulneubau, der um so wenig Geld errichtet wurde.“ Vor dem Hintergrund, dass die Rückzahlung in Form von 300 Monatsmieten ohnehin ein Vielfaches der Baukosten ausmache, sei die finanzielle Daumenschraube umso schwieriger nachvollziehbar.

Das Bauunternehmen ist vertraglich dazu verpflichtet, das Gebäude zu betreiben, instand zu halten und gegebenenfalls zu sanieren. Theoretisch. Praktisch will die Tehnika d.d. von einem längst überfälligen Ausbau der Lüftungsanlage, um zumindest mal das größte Manko zu beheben, nichts wissen. Stadtgemeinde, Gespannschaft und Schulleitung prozessieren bereits seit einem Jahr gegen den Übeltäter.

„Eigentlich ist dieses PPP-Modell perfekt“, sagt Robotiæ. „Nachdem der Erhalt der Schule im Verantwortungsbereich des privaten Partners liegt, können wir uns voll uns ganz auf die Bildung konzentrieren. Jetzt müssen wir die Firma Tehnika nur noch dazu bringen, ihren Part zu übernehmen und die Haustechnik aufzufetten. Dann sind wir schon zufrieden.“ Die Chancen stehen schlecht. Der zuständige Projektleiter bei der Tehnika d.d. verweigerte dem Standard gegenüber die Aussage: „Kein Kommentar.“

Das Fallbeispiel in Koprivnica veranschaulicht die Gefahren von Public Private Partnerships: Jede noch so gute Architektur, mit der wir es hier zweifelsohne zu tun haben, verliert ihre Kraft und Qualität, wenn nicht alle Partner an einem Strang ziehen. PPP im öffentlichen Bildungsbau ist ein Abwälzen von Verantwortung und Kontrolle von der öffentlichen Hand auf die Privatwirtschaft. Den Schaden zahlen die Kinder. Die ersten PPP-Schulbauten in Österreich sind bereits in Bau.

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