Veranstaltung

Geometrien des Lebens: Materialien zu Viktor Hufnagl (1922 – 2007)
Ausstellung
8. März 2024 bis 22. Juni 2024
aut. architektur und tirol
Lois Welzenbacher Platz 1
A-6020 Innsbruck


Anmeldung bis: Dienstag, 7. März 2000, 19:00 Uhr
Viktor Hufnagl war ein Wegbereiter des zeitgenössischen Schulbaus und ein typologisch erfindungsreicher Wohnbauarchitekt, der Raumkonzepte für möglichst vielfältige Lebensformen entwarf. Als baukultureller Aktivist und „Kommunikations- und Diskussionsmensch“ (Friedrich Achleitner) verstand er seinen Beruf aber auch dezidiert als gesellschaftspolitischen Auftrag.

Die Anfänge seines Schaffens fallen in die Nachkriegszeit, in der sich die Kritik am monofunktionalen Städtebau verschärft. Emphatisch plädiert Hufnagl für eine städtische Durchmischung, er ist überzeugt, dass der Wohnbau und der Schulbau zentrale Aufgaben einer humanistischen Architektur der Gegenwart und Zukunft sind. Nach ersten, kleineren Projekten im Salzkammergut, wo der Architekt nach seinem Studium in der Meisterschule Clemens Holzmeister an der Akademie der bildenden Künste in Wien in Bad Ischl sein erstes Atelier eröffnet, übersiedelt er 1956 wieder nach Wien. Erste Erfolge stellen sich im ländlichen Schulbau ein, wo in den Hauptschulen in Strobl und Altmünster erstmals der „Hallenschulgedanke“ auftaucht, der in Form von ganglosen Raumkompositionen mit offener Mitte den Nukleus aller Hufnagl-Schulen bildet.
Nach intensiver Auseinandersetzung mit den Entwicklungen des europäischen und nordamerikanischen Schulbaus verfeinert Hufnagl bei der Schulanlage in Weiz die räumliche Konfiguration – etwa in der Optimierung der multifunktionalen Atrien und der Konzeption mobiler Trennwände. 1970 wird er gemeinsam mit Fritz G. Mayr im Rahmen des Forschungsauftrags „Vorfertigung im Schulbau“ vom Bundesministerium für Bauten und Technik beauftragt, in Wörgl eine Modellschule zu bauen, und sie entwickeln ein räumlich gestaffeltes modulares System, das vielfältige Funktionen schlüssig verknüpft.
Aus Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen in Architektur und Städtebau begründet Viktor Hufnagl 1965 mit Friedrich Achleitner, Maria Biljan-Bilger, Sokratis Dimitriou, Wolfgang Gleissner, Friedrich Kurrent, Traude und Wolfgang Windbrechtinger die ÖGFA Österreichische Gesellschaft für Architektur. Mit der Ausstellung „Neue städtische Wohnformen“ 1966/1967 gelingt es ihm gemeinsam mit Traude und Wolfgang Windbrechtinger „Begeisterung am schöpferischen Abenteuer von Versuchssiedlungen“ zu wecken und architekturpolitische Reformen anzustoßen. Aus dieser Ausstellung, die übrigens 1969 in der Außenstelle des Österreichischen Bauzentrums in Innsbruck gezeigt wurde, resultiert der Auftrag für eine städtebauliche Studie und die Projektierung der Wohnhausanlage Am Schöpfwerk, ein 1981 fertiggestellter Gemeindebau mit einer Vielzahl an typologischen Varianten sowie einer breiten Palette an Erschließungstypen und Freiräumen. Bei der in städtischer Randlage situierten Siedlung Gerasdorfer Straße (1980 – 84) greift Hufnagl die Gartenstadtidee auf und entwirft einen in die Topografie gebetteten verdichteten Flachbau mit sechs Höfen, variierenden Baumbepflanzungen und vielfältigen Wohnungstypen. Im Wohnbau in der Zschokkegasse (1991 – 93) interpretiert er wiederum die klassische Wiener Pawlatsche und den Typus der Passage neu, die nicht nur die Funktion eines Wintergartens erfüllt, sondern auch Raum für geselliges Mit- und Nebeneinander bietet. 

Anhand dieser und weiterer exemplarischer Bauten sowie bisher unveröffentlichter Materialien aus dem Nachlass beleuchtet die von der ÖGFA anlässlich des 100. Geburtstags von Viktor Hufnagl zusammengestellte Ausstellung zentrale Aspekte seines Schaffens und bietet Einblicke in unbekannte Facetten seines Werkes. Darüber hinaus befasst sie sich mit dem kulturellen Umfeld des Architekten, der sowohl in seinem Sommeratelier im Salzkammergut, als auch in seinem Wiener Atelier einen regen Austausch mit Kollegen und Persönlichkeiten aus dem Kulturleben pflegte. Erstmals im Vorjahr im FJK3-Raum für aktuelle Kunst gezeigt und im aut um exemplarische Wohnbauten erweitert, richtet die Ausstellung mit Fotografien des bildendenden Künstlers Werner Feiersinger auch den Blick auf den gegenwärtigen Zustand von Hufnagls Bauten und macht deutlich, wie sehr diese sich bis heute in ihrer strukturellen Prägnanz und Alltagstauglichkeit bewähren.

In der zur Ausstellung erschienen Begleitpublikation bringt Otto Kapfinger Viktor Hufnagls Vermächtnis auf den Punkt: „Viktor war in diesem Sinne visionär: dass er Räume schuf, die nicht funktionalistisch alles zerteilen und vereinzeln und sozusagen auf Knopfdruck funktionieren, sondern er wollte Raum öffnen, Raum bereitstellen – für gemeinsame, sozial lebendige Aneignung. Und primär das können und sollten wir für heute und für morgen von ihm mitnehmen.“
 
Viktor Hufnagl (1922 – 2007)
geb. 1922 in Neukirchen bei Altmünster (OÖ); 1938 – 40 Lehre als Bauzeichner und Maurer bei Bau- und Zimmermeister August Nagler; 1940 Bauschule, München; 1940 – 41 Staatsgewerbeschule, Salzburg; 1941 – 45 Einberufung zum Kriegsdienst; 1945 Rückkehr nach Salzburg und Mitarbeit am Wiederaufbau des Doms; 1947 – 1949 Architekturstudium an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Clemens Holzmeister; 1949 – 56 freischaffender Architekt in Bad Ischl, Linz und Salzburg; ab 1956 freischaffender Architekt in Wien; u. a. 1965 Gründendes Mitglied der ÖGFA – Österreichische Gesellschaft für Architektur; 1971 Mitbegründer des Österreichischen Forum für Umweltschutz und Umweltgestaltung; 1976 – 83 Mitglied des Stadtplanungsbeirates der Stadt Wien; 1984 Konzeption und Organisation des 1. Österreichischen Architektentages im damaligen Wiener Messepalast; 2007 verstorben in Wien

Zahlreiche Auszeichnungen u. a. 1968 Staatspreis für Architektur; ZV Bauherrenpreis (Hauptschule Weiz) 1984 Preis der Stadt Wien für Architektur; ZV Bauherrenpreis (Wohnhausanlage Gerasdorfer Straße); 1988 Großer Österreichischer Wohnbaupreis; 1997 Oberösterreichischer Landeskulturpreis für Architektur 

Bauten und Projekte (Auswahl)
1949 – 50 Haus Taubinger, Bad Ischl; 1951 – 53 Haus Stepski, Linz; 1957 – 59 Hauptschule, Strobl am Wolfgangsee [stark überformt]; 1959 Hoisnmühle, Mühlbachtal am Traunsee, Umbau als Hufnagls Zweitwohnsitz bzw. Büro für die Sommermonate; 1962 – 63 Um- und Ausbau Bauernhof Sergius und Angela Pauser, Traunkirchen; 1962 – 65 Erweiterung Volksschule, Gschwandt bei Gmunden; 1963 – 69 Hauptschule für Knaben und Mädchen, Altmünster; 1965 – 68 Hauptschule und Sporthalle, Schulanlage Offenburgergasse 21, Weiz; 1970 – 73 Modellschule Bundesschulzentrum Wörgl (gem. mit Fritz G. Mayr), [2003 Erweiterung durch Peter Märkli und Gody Kühnis]; 1975 – 85 Gestaltung Franz Josefs-Kai, Wien; 1976 – 78 Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium, Schulanlage Offenburgergasse 21, Weiz; 1976 – 80 Wohnhausanlage der Gemeinde Wien „Am Schöpfwerk“, Wien (Federführung: Viktor Hufnagl; Team: Erich Bauer, Leo Parenzan, Joachim Peters, Michael Pribitzer, Fritz Waclawek, Traude und Wolfgang Windbrechtinger); 1976–80 Gesamt-nutzungs- und Gestaltungskonzept des Flussraumes Donaukanal, Wien (gem. mit Landschaftsarchitekt Wilfried Kirchner); 1978 – 80 Detailliertes Gestaltungskonzept für die Vorkaianlagen am rechten und linken Donaukanalufer, Wien; 1979 – 81 Pfarrkirche und Seelsorgezentrum Franz von Assisi, „Am Schöpfwerk“, Wien; 1980 – 84 Wohnhausanlage Gerasdorfer Straße 61, Wien (Planung 1973 – 79); 1981 – 83 Rossauer Brücke, Wien (gem. mit Alfred Pauser); 1986 – 87 Wohnhausanlage Schulgasse 19 „Josef-Hala-Hof“, Wien; 1991 – 93 Wohnhausanlage der Gemeinde Wien, Zschokkegasse 91, Wien; 1991 – 93 Wohnhausanlage der Gemeinde Wien, Brünner Straße 209 – 211, Wien; 1993 – 95 Wohnhausanlage der Gemeinde Wien, Kummergasse 7 „Otto-Felix-Kanitz-Hof“, Wien (gem. mit Josef Fürstl); 1993 – 95 Kindertagesheim der Stadt Wien, Hahnemanngasse 10, Wien; 1993 – 95 Kindertagesheim der Wiener Kinderfreunde, Dattlergasse 8, Wien (gem. mit Josef Fürstl)
 
Eine Ausstellung der ÖGFA – Österreichische Gesellschaft für Architektur, Wien
Kooperationspartner Architekturzentrum Wien
Kuratorinnen Elise Feiersinger, Gabriele Kaiser, Gabriele Ruff
Künstlerische Fotografie Werner Feiersinger

Der Nachlass von Viktor Hufnagl befindet sich in der Sammlung des Az W
Herzlichen Dank an Helga Mangel, FJK3-Raum für zeitgenössische Kunst (Fiona Liewehr), Architekturzentrum Wien (Monika Platzer, Katrin Stingl, Iris Ranzinger), Volksbau, Archiv Erzdiözese Salzburg, Archiv Salzburg Festival, ORF Archiv, Peter Fabjan, Simone Höller, Lukas Lang, Karin Mack sowie den zahlreichen Wegbegleiter:innen für die Gespräche im Filminterview

Elise Feiersinger
Architekturstudium an der Rice University, Houston; seit 2000 Lehrtätigkeit an verschiedenen österreichischen Architekturfakultäten; seit 2009 als Vorstandsmitglied der ÖGFA tätig, 2017 – 19 als Vorstandsvorsitzende; Mitherausgeberin von Bestand der Moderne, Zürich 2012; Herausgeberin von Hermann Czech – Essays on Architecture and City Planning, Zürich 2019; seit 2015 Redaktionsmitglied des Periodikums UM_BAU; lebt und arbeitet in Wien 

Gabriele Kaiser
freie Architekturpublizistin und Kuratorin; 2010 – 16 Leiterin des architekturforum oberösterreich (afo); seit 2009 Lehraufträge an der Kunstuniversität Linz, am Mozarteum in Salzburg und an der Universität Wien; seit 2016 Vorstandsmitglied der ÖGFA; Textbeiträge in Ausstellungskatalogen und Fachmagazinen (Schwerpunkt Österreichische Architektur nach 1945); lebt und arbeitet in Wien 

Werner Feiersinger
geb. 1966 in Brixlegg; Bildhauer und Fotograf; Studium an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien und an der Jan van Eyck-Akademie in Maastricht; Gastprofessuren an der Universität für angewandte Kunst Wien und an der École nationale supérieure des beaux-arts de Lyon; Lehrtätigkeit an der TU Wien; zahlreiche Ausstellungen und Projekte im öffentlichen Raum, u. a. Industrial Art Biennial, Istrien; Belvedere 21, Wien; Secession Wien; Salzburg Museum, Salzburg; Ferdinandeum, Innsbruck; Galerie Martin Janda, Wien; Schiavo Zoppeli Gallery, Mailand; zuletzt Ausstellungsinstallationen für Fischer von Erlach – Baumeister des Barock im Salzburg Museum (2023) und im Wien Museum (2024); Ausstellungen und Publikationen Italomodern 1 (2011/12)und Italomodern 2 (2015/16) für das aut (gemeinsam mit Martin Feiersinger); lebt und arbeitet in Wien

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