Veranstaltung

Jo'Burg Now!
Ausstellung
5. August 2004 bis 27. September 2004
Architekturzentrum Wien - Alte Halle
Museumsplatz 1
Österreich


Veranstalter:in: Architekturzentrum Wien
Eröffnung: Mittwoch, 4. August 2004, 19:00 Uhr

In fünf Wochen zwei Gebäude

Universitätsbaustelle Südafrika, derzeit zu Gast im Architekturzentrum. Ein Gespräch mit den Architekten Franziska Orso und Peter Fattinger und dem Studenten Gerd Hammerl von der TU Wien

7. August 2004 - Oliver Elser
Standard: Für das Wohnbauinstitut von Professor Cuno Brullmann ist es nicht das erste Mal, dass die Studenten ein Projekt im Maßstab 1:1 realisieren. Im Rahmen von Graz03 entstand beispielsweise eine „Wohnfassade“: Module wurden in ein Gerüst eingefügt, das vor einem historischen Gebäude stand. Aber die ersten „richtigen“ Häuser wurden nun im Februar diesen Jahres in Südafrika gebaut, in Orange Farm, einer Township am Rande von Johannesburg. Wie kam der Kontakt dorthin zustande?
Fattinger: Vor einem Jahr fand im Architekturzentrum Wien (AzW) eine Ausstellung über das „Rural Studio“ statt, ein studentisches Entwurfs- und Bauseminar in Alabama. Am Eröffnungsabend sprach uns Christoph Chorherr an, der damalige Klubchef der Wiener Grünen. Er hatte kurz nach dem Ende der Apartheid einen Schulbau in Orange Farm angeregt, der dann als Geschenk der Stadt Wien auch realisiert wurde. Der Kontakt blieb erhalten, daher wusste Chorherr, dass dort Bedarf an weiteren Bauten besteht. Also sind wir mit ihm in einem kleinen Team nach Südafrika gereist und haben sondiert, was genau gebraucht wird.
Orso: Wir haben dann bald auch Tandi Mjiyakho Kyoka getroffen, die für ihr Behindertenprojekt ein Grundstück von der Stadt Johannesburg bereitgestellt bekam, das innerhalb von 18 Monaten bebaut werden musste, sonst wäre es an die Stadt zurückgegangen. So kam zu dem relativ kleinen Erweiterungsbau für die Schule noch ein Gebäude mit Werkstätten für Behinderte und einem Büroraum dazu. Einen schon vorhanden Container haben wir integriert. Beide Baustellen waren fünf Autominuten voneinander entfernt.

Die Bauzeit von vier Wochen ist unglaublich knapp. Konnten bei der ersten Erkundungsreise bereits Materialien organisiert werden?
Orso: Nein, wir haben lediglich geschaut, was dort erhältlich ist und was nicht. Wir sind eine Woche früher als die Studentengruppe nach Südafrika geflogen, mit den Entwürfen in der Tasche, und haben begonnen einzukaufen.
Fattinger: Oft haben sich die Firmen zu liefern geweigert, als sie hörten, dass die Fracht nach Orange Farm gehen soll. Aber bald hatten wir die richtigen Kontakte und haben ohnehin sehr viel in der Township selbst besorgt, wo es eine kleine Ziegelfabrik gibt. Eigentlich eher einen Hinterhof, wo Ziegel gebrannt werden.

Waren die Sorgen um die Sicherheit denn berechtigt?
Fattinger: Nein, das waren die Vorurteile von Weißen, die uns immer gewarnt haben, dass wir nicht lebend wieder aus der Township rauskommen, selbst aber nie dort waren. In den ganzen fünf Wochen gab es kein einziges Problem. Nur eine Leiter wurde uns gestohlen, aber die haben wir über Nacht draußen stehen lassen, selbst schuld. Die Menschen der Township waren alle sehr freundlich, herzlich und haben auf uns aufgepasst.

Gewohnt wurde aber im Hotel?
Orso: Ja, denn vor Ort hätte es keine Unterkunft gegeben. Die Menschen leben dort alle sehr beengt, in Blechhütten, wie wir im Hof des AzW eine nachgebaut haben, oder in sehr einfachen Steinhäusern. Es gab gastfreundliche Angebote, aber dann hätten wir die Leute während der Bauzeit aus ihren Wohnungen vertrieben. Und ein wenig Abstand zu gewinnen, indem wir täglich ins Hotel zurückgefahren sind, ohnehin nur zum Schlafen, hat uns auch gut getan. Zur Sicherheit: Die Leute von Orange Farm haben schon darauf gedrängt, dass wir bei Einbruch der Dunkelheit die Township verlassen oder dass wir beachten, dass immer freitags die Arbeitslosenunterstützung ausbezahlt wird, und diese sehr viele Leute gleich in Alkohol investieren. Aber passiert ist nichts.

Wie sehr sind denn die Entwürfe davon bestimmt, welche Materialien vor Ort verfügbar waren?
Hammerl: Schon sehr. Wir wussten ja zuerst nicht, welche Holzmaße dort zu bekommen sind, und vor allem nicht, welches Werkzeug. Dank der Sondierungsreise hatten wir dann aber die Informationen und konnten das bauen, was wir in Wien gezeichnet hatten.

Waren auch Leute aus der Township am Bau beteiligt?
Fattinger: Ziel des ganzen Projekts ist ja nicht nur, dort dringend benötigte Gebäude aufzustellen, sonst könnte man das Geld ja einfach überweisen, sondern es geht um die praktische Erfahrung der Studenten. Aber zum Mauern haben wir zwei Gelegenheitsarbeiter angestellt. Die beiden haben unsere Studenten dann weggeschickt, weil sie fanden, wir mauern zu schlampig. Das zeigt sehr gut das Dilemma: Die Leute wollen alle arbeiten und sind auch sehr gut, nur finden sie keinen Job.

Aber wäre es dann nicht wirklich sinnvoller, mit dem Geld dort wenigstens vorübergehend Arbeitsplätze zu schaffen?
Fattinger: Das wäre ein Missverständnis. Circa 35.000 Euro hat alles in allem gekostet, aber diese Summe haben wir fast ausschließlich für Material ausgegeben. Die Studenten mussten ihre Flüge selbst bezahlen. Das ist viel, aber hinterher waren alle der Meinung, dass es sich gelohnt hat.
Hammerl: Ich wollte so etwas immer schon machen. Ein praktisches Projekt wird sonst an der Universität leider nicht angeboten.

Wie wurde die Arbeit aufgeteilt? Auf einer Baustelle gibt es ja klare Hierarchien.
Hammerl: Das war vorher nicht klar, sondern hat sich vor Ort ganz von selbst ergeben. Die Gruppe hat sehr gut zusammengearbeitet. Jeder war für irgendetwas verantwortlich, sonst wären wir in der kurzen Zeit wohl auch nicht fertig geworden. Wir waren neun Studenten beim Masibambane College und sechzehn auf der Baustelle des Behindertenzentrums. Dazu kamen noch die drei „Betreuer“ vom Wohnbauinstitut, Sabine Gretner, Franziska Orso und Peter Fattinger, sowie der Fotograf Christian Linzbauer.

Hatte denn jemand aus der Gruppe schon Erfahrung? Man kann das Bauen nicht aus dem Nichts heraus neu erfinden.
Hammerl: (lacht) Doch, so ungefähr war es. Wir haben wirklich bei null angefangen. Oft hat es funktioniert . . .
Fattinger: . . . und oft haben wir nach ein paar Stunden gemerkt, dass es doch anders besser wäre.

Gab es eine Art Baubüro? Hatte jemand einen Computer dabei?
Fattinger: Einen Computer hatten wir, aber der wurde nur zum Speichern der Fotos gebraucht.
Hammerl: Im Wesentlichen wurde genauso gebaut, wie wir den Entwurf in Wien gezeichnet hatten. Mit minimalen Änderungen und kleinen Tricks, etwa als das Holz völlig verzogen angeliefert wurde. Wir haben nur beim Innenausbau nicht alle Details vorher bestimmt, sondern vor Ort mit dem verfügbaren Material improvisiert.

Die beiden Gebäude unterscheiden sich in ihrer Konstruktion voneinander - warum?
Orso: Das kleinere Gebäude für die Schule ist ein Wohnhaus für Gastlehrer, aber auch sehr minimal in den Dimensionen. Zugleich dient es den Kindern als Spielgerät. Es hat eine Aussichtsterrasse auf dem Dach. Die Leute aus der Township leben sonst ja in eingeschossigen Bauten und waren sehr verblüfft über die Aussicht. Die Fundamente bestehen aus betongefüllten Autoreifen, so konnten wir uns die Schalungen sparen. Die Behindertenwerkstatt hingegen ist ebenerdig, daher keine Autoreifenfundamente. Wegen der Hitze besteht der größte Teil des Gebäudes nur aus einem Dach, das aber zweischalig ist, damit die warme Luft besser abgeleitet wird.

Die Bauten sind für dortige Verhältnisse sehr ungewöhnlich. Sonst gibt es entweder Blechschuppen oder Steinhäuser. Haben sich die Leute nicht gewundert? Wäre es nicht sinnvoll gewesen, die bestehenden Bauformen aufzugreifen?
Hammerl: Wegen der kurzen Bauzeit kam nur eine Holzkonstruktion infrage.
Fattinger: Am Anfang war geplant, Systeme zu entwickeln, wie die Blechschuppen optimiert werden könnten. Dann gab es mit zwei Bauten genug zu tun, aber wir kommen ja wieder.
Orso: Natürlich wäre es interessant, dort Wohnungsbau zu betreiben. Im kommenden Jahr werden wieder Studenten der TU, und diesmal auch von der Kunstuniversität in Linz, nach Südafrika fahren. Es soll einen regelmäßigen Austausch geben, auch mit Universitäten aus anderen Ländern. Dann könnten Modelle erprobt werden, die von den Bewohnern im Selbstbau realisiert werden können. Das setzt aber voraus, sehr viel länger vor Ort zu sein, nur dann kann so etwas wie eine „Bauschule“ entstehen.
Fattinger: Als Nächstes soll auf dem Gelände des Tagesheims ein Wohnbau für behinderte Menschen errichtet werden. Eine Studentin will zu diesem Thema ihre Diplomarbeit machen, und wir werden sie im Februar 2005 beim Bau unterstützen.

Das Einsatzgebiet bleibt Südafrika?
Fattinger: Ja. Sicherlich gibt es noch viel bedürftigere Gegenden. Nur wäre es dort noch viel schwieriger, Material zu besorgen oder Absprachen zu treffen. Der Vorteil eines permanenten Camps wäre auch, das Werkzeug nicht jedes Mal neu anschaffen zu müssen. Und wir könnten uns einen Kleinlaster kaufen.

Hat die Gruppe irgendetwas anderes gesehen als die Township?
Hammerl: Während der Beton getrocknet ist, sind wir nach Johannesburg gefahren und waren einen Tag in einem Nationalpark. Zum Glück zu einem frühen Zeitpunkt des Projekts, später hätten wir alle darauf verzichtet um fertig zu werden. Aber dann ist sich doch alles innerhalb der fünf Wochen ausgegangen.

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