Veranstaltung

Andrea Palladio e la Villa Veneta
Ausstellung
5. März 2005 bis 3. Juli 2005
Centro Internazionale di Studi di Architettura Andrea Palladio
Museo Palladio in palazzo Barbaran da Porto,
contra' Porti 11
I-36100 Vicenza


Veranstalter:in: CISA

Der Traum vom Leben auf dem Lande

Villen im Veneto - eine Ausstellung in Vicenza

Palladio steht im Zentrum einer Ausstellung in Vicenza, die sich mit der Villenarchitektur im Veneto befasst. Die Kuratoren suchten indes nicht einen strengen architekturhistorischen Zugang, sondern konzipierten ihre Schau als kulturhistorisches Panorama.

22. April 2005 - Hubertus Adam
Die Villa Rotonda südlich von Vicenza, welche Andrea Palladio 1567-69 für den Kanoniker Paolo Almerico errichtete, gilt als Inbegriff der Villa schlechthin. Die klare, um einen zentralen Kuppelsaal angeordnete Raumfolge, die stereometrische Komposition des Volumens sowie die vier identischen Fassaden mit ihren tempelartigen Portikusfronten, nicht zuletzt aber auch die Verzahnung des Baus mit der lieblichen Landschaft der Umgebung haben seit je fasziniert, so dass die Rotonda in späteren Jahrhunderten immer wieder kopiert und imitiert wurde - etwa durch Lord Burlington im Chiswick House bei London. Und Goethe konzedierte, dass die Baukunst vielleicht niemals einen solchen Grad an Prächtigkeit erreicht habe wie in Palladios berühmtester Schöpfung.

Neuerfindung der Villa

Eine materialreiche Ausstellung in Palladios Palazzo Barbaran da Porto in Vicenza widmet sich nun dem Phänomen der Villen im Veneto. Natürlich steht Palladio als der prominenteste Architekt, dem ausgehend von der Villa Godi (um 1537) etwa vierzig weitere Projekte zugeschrieben werden können, im Zentrum der Ausstellung; doch die Kuratoren Guido Beltrami und Howard Burns suchen weder einen werkbezogenen noch einen stilanalytischen Zugang zum Thema. Ihr Ziel ist vielmehr eine kulturhistorische Schau im weitestdenkbaren Sinne, und so spannt sich der Bogen von der Zeit Petrarcas, der den antiken Topos vom Leben auf dem Lande mit neuer Aktualität versah, bis hin zu Carlo Scarpa, der sich zwischen 1971 und 1978 mit Interventionen in der aus dem 17. Jahrhundert stammenden Villa «Il Palazetto» in Monselice beschäftigte.

Die Ausstellung setzt ein mit den spärlichen, aus der Antike stammenden Darstellungen von Villen, um dann die Wiederentdeckung der antiken Schriften über das Landleben zu thematisieren - etwa von Plinius dem Jüngeren, Virgil, Cato und Varro. Gerade Plinius' Beschreibung seiner Villen inspirierte die Architekten der Renaissance. Petrarca, eigentlicher Protagonist des wiedererwachten Interesses an der Natur, hatte schon 1369, kurz vor seinem Tod, ein Haus in Arquà bezogen, das zwar gotische Formen aufwies, aber von antikem Geist beseelt war. Die eigentlichen Versuche, den Bautyp der Villa neu zu definieren, stammen aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert - die Kuratoren stellen exemplarisch die Villa Medici von Poggio a Ciano bei Florenz vor, mit deren Realisierung Giuliano da Sangallo 1485 begann. Neben einem Plan der Medici-Villa sind auch eigenhändige Zeichnungen des Architekten für einen Palast des Königs von Neapel sowie einen gewaltigen Palazzo an der Florentiner Via Laura zu sehen.

Raffaels nur zum Teil realisierte Villa Madama für Papst Leo X. in Rom wurde schliesslich zur eigentlichen Inspirationsquelle der Architekten des Cinquecento, seien es Jacopo Sansovino, Sebastiano Serlio, Andrea Palladio oder Giulio Romano, der mit dem Palazzo Te für Federico Gonzaga in Mantua 1525-35 den Prototyp einer Villa suburbana und zugleich ein Hauptwerk des Manierismus schuf. Die Grundlage für die Villegiatur des Veneto bildete indessen weniger die Ideenwelt des Humanismus als vielmehr ein ökonomisches Kalkül. In dem Masse, in dem die Serenissima die Dominanz im Seehandel verlor, ging man daran, die Ländereien auf dem Festland rationeller zu nutzen. Das Sumpfland wurde kanalisiert und fruchtbar gemacht, wozu es einer strikten Organisation bedurfte. - Auch wenn einige berühmte Bauten Palladios wie die Villa Rotonda oder die Villa Malcontenta gleichsam an Petrarcas Haus in Arquà anknüpften und als ländliche Rückzugsorte dienten, waren die Villen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Nuklei einer neuen Feudalisierung und komplexer Wirtschaftsunternehmungen. Klassizierendes Herrschaftshaus und Wirtschaftshof wurden von Palladio zu einem konsistenten Ensemble verschmolzen - etwa in der Villa Badoera in Fratta Polesine (1555) oder der Villa Emo in Fanzolo (1564). Die durch Portiken ausgezeichneten Hauptgebäude werden hier beidseitig von Kolonnaden flankiert, hinter denen sich die Ökonomiegebäude verbergen. Wichtige Ideen empfing Palladio durch seinen Freund und Gönner, den Paduaner Universalgelehrten Alvise Cornaro, doch gelang es ihm mit seinen Bauten überhaupt, diverse Inspirationen, ob von Kollegen oder Vorgängern, zu einer neuen und stringenten Einheit zu verschmelzen. In der Ausstellung sind auch eine Reihe von Palladios Antikenstudien zu sehen - unter anderem eine Grundrisszeichnung des Herkules-Viktor- Tempels von Tivoli, der einst als römischer Palast fehlinterpretiert wurde und mit seinen seitlichen Kolonnaden Palladio als Modell für seine Neukonzeption der Villa diente.

Mangelnde Stringenz

Fällt das Augenmerk gemeinhin allein auf die Hauptgebäude der Villen und ihre oftmals reiche Ausstattung, so versuchen die Kuratoren, den ästhetizistischen Zugang zu konterkarieren, indem sie auch zeitgenössische Bildquellen präsentieren, welche die Funktionsweise der Villen oder das Leben der Landbevölkerung zeigen. Ex-voto-Bilder, auf denen stürzende Dachdecker oder verunglückte Handwerker dargestellt sind, treten neben Freskenfragmente von Paolo Veronese und seiner Werkstatt. Der Wunsch nach programmatischem Kontrast ist allerdings bisweilen stärker als das Quellenmaterial: Viele der Bilder, die das einfache Leben zeigen, stammen aus späteren Jahrhunderten. Überhaupt verliert die Schau in der nachpalladianischen Zeit ihre Präzision; gleichsam im Schnelldurchlauf werden die weiteren Entwicklungen abgehandelt. Von Vicenzo Scamozzis Villa Rocca Pisana gelangt man zu der im 18. Jahrhundert errichteten Villa Pisani in Stra, die durch ein imposantes historisches Holzmodell aus dem venezianischen Museo Correr vertreten ist, und dann weiter über einige Villen- und Parkanlagen des 19. Jahrhunderts bis hin zu Carlo Scarpa. Die Konstruktion einer Kontinuitätslinie lässt die Auswahl beliebig werden und reduziert sie auf die Aneinanderreihung einiger Schlaglichter.

Ergänzt wird die Ausstellung durch 17 Aussenstationen, die mit der Eintrittskarte ebenfalls besichtigt werden können. Diese Satelliten umfassen die Casa del Petrarca in Arquà ebenso wie Palladios Villen Emo, Badoer und Poiana - aber auch Carlo Scarpas Grabkomplex Brion in Altivole wird zur Besichtigung empfohlen. Die Resultate der Forschungsarbeit, welche der Ausstellung in Vicenza zugrunde liegen, sollen die Basis für das zukünftige Museo della Civiltà della Villa Veneta bilden, das in der Palladio zugeschriebenen Villa Contarini in Piazzola entsteht.

[ Bis 3. Juli im Palazzo Barbaran da Porto in Vicenza. Katalog: Andrea Palladio e la Villa Veneta da Petrarca a Carlo Scarpa. Hrsg. Centro Internazionale di studi di architettura Andrea Palladio. Marsilio Editori, Venedig 2005. 488 S., Euro 45.-. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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