Veranstaltung

Frei Otto - Leicht bauen, natürlich gestalten
Ausstellung
Frei Otto - Leicht bauen, natürlich gestalten
26. Mai 2005 bis 28. August 2005
Architekturmuseum der TU München
in der Pinakothek der Moderne
Barer Straße 40
D-80333 München


Veranstalter:in: Architekturmuseum der TU München
Eröffnung: Mittwoch, 25. Mai 2005

Die Leichtigkeit des Bauens

München feiert den Architekten und Ingenieur Frei Otto

31. Mai 2005 - Roman Hollenstein
Mit ihren wie von einer frischen Brise geblähten Segeln kündeten fünf ineinander verzahnte zeltartige Pavillons auf der Expo 64 in Lausanne von einer unbeschwerten Zukunft. Diese heiteren Zeichen des Aufbruchs lagen damals im Trend. So war der Genfer Marc Saugey, der die Expo- Zelte entworfen hatte, nicht nur inspiriert von Le Corbusiers Philips-Pavillon von 1958 in Brüssel, sondern mehr noch von den Segelkonstruktionen, die der junge deutsche Architekt und Ingenieur Frei Otto für die Bundesgartenschauen von 1955 in Kassel und 1957 in Köln entwickelt hatte. Für die Ausführung seiner Expo-Vision holte Saugey denn auch Rat bei Otto, der schon in seiner 1955 publizierten, international beachteten Dissertation die Technik des Spitzzeltes formuliert hatte.

Expo-Pavillon und Olympia-Zelt

Aber nicht nur Schweizer interessierten sich für den damals in Berlin tätigen Bauforscher. Die Stadt Stuttgart bot Otto 1964 die Leitung des von ihm zu gründenden Instituts für leichte Flächentragwerke an. Die dort gesammelten Erkenntnisse konnte Otto bald schon beim deutschen Pavillon der Weltausstellung in Montreal anwenden, den er zusammen mit Rolf Gutbrod konzipierte. Dank Ottos Seilnetztechnik, die es erlaubte, grosse Membranflächen mittels schlaufenförmiger Fangseile aufzuspannen, liess sich eine tanzende Zeltlandschaft komponieren, die 1967 der Welt eine spielerische Bundesrepublik vorführte. Auf dieses Meisterwerk bezog sich Günter Behnisch bei seinem Wettbewerbsprojekt für die Olympischen Spiele von 1972 in München. Obwohl der Schweizer Bauingenieur Heinz Isler berechnet hatte, dass die Spannweiten des Expo-Zeltes problemlos verdreifacht werden konnten, brachte erst Frei Otto, der später zum Team gestossen war, mit der Idee sattelförmig gekrümmter und an Tragmasten aufgehängter Netze die formalästhetische und technische Lösung des Projektes.

Dem eng mit der Isarmetropole verbundenen Meister, der am heutigen 31. Mai seinen 80. Geburtstag feiern kann, widmet nun das Architekturmuseum der Technischen Universität München in der Pinakothek der Moderne aus Anlass dieses Jubiläums die erste grosse Retrospektive überhaupt. Die reich mit Originalmaterial - Skizzen, Zeichnungen, Plänen und sympathisch altmodisch wirkenden Modellen - bestückte und durch einen wissenschaftlichen Katalog vertiefte Schau ermöglicht es, das Œuvre dieses Erfinders unter den Nachkriegsarchitekten erstmals in all seinen Dimensionen zu erfassen. Otto realisierte nicht nur leichte Zeltkonstruktionen, von denen die ebenfalls zusammen mit Gutbrod entwickelte und an ein gigantisches Beduinenzelt erinnernde Sporthalle in Jidda die wohl eigenwilligste ist. Mit der Multihalle der Bundesgartenschau von 1975 in Mannheim schuf er eine organisch geformte Stabwerkskuppel, die wie eine Vorläuferin heute modischer Blobformen - etwa der «Blauen Blase» des Kunsthauses Graz von Cook & Fournier - wirkt. Erarbeitet hatte Otto den komplexen Bau mittels einer an Gaudís Kettenmodell der Sagrada Familia erinnernden Maquette. Diese ist in der Münchner Schau ebenso zu sehen wie die Forschungsdokumente zu seinen pneumatischen Riesenkuppeln - beispielsweise für eine arktische Stadt, die er gemeinsam mit Kenzo Tange ausgedacht hatte - oder zu seinen Ökohäusern, von denen eines für die IBA in Berlin stark modifiziert realisiert werden konnte.
Vorbildlich bis heute

Zu einer Erfolgsgeschichte wurden auch seine als Grossschirme ausgeformten wandelbaren Dächer, die 1977 sogar auf der Amerikatournee von Pink Floyd zum Einsatz kamen. Mit den Ufo-artigen Fertigungspavillons der Büromöbelfirma Wilkhahn in Bad Münder bewies er 1988, dass Industriearchitektur mehr leisten kann als nur das Bereitstellen banaler Fabrikcontainer. Wie aktuell Frei Ottos Erfindungen heute noch sind, zeigt Renzo Pianos «Bigo» im Hafen von Genua ebenso wie der Londoner Millennium Dome von Richard Rogers. Für einen der aussergewöhnlichsten Bauten der Expo 2000 in Hannover schliesslich, den aus Kartonröhren konstruierten japanischen Pavillon, konnte Shigeru Ban sogar die Mitarbeit Frei Ottos gewinnen. Dessen Traum vom pneumatischen Bauen mit Luft und dünnen Folien lebt bildhaft aber auch in einem Bau weiter, der just gestern in München eingeweiht wurde (NZZ 28. 5. 05): der an ein weisses Gummiboot erinnernden Allianz-Arena von Herzog & de Meuron.

[Bis 28. August in der Pinakothek der Moderne. Katalog: Frei Otto. Das Gesamtwerk. Hrsg. Winfried Nerdinger. Birkhäuser- Verlag, Basel 2005. 392 S., Fr. 118.- (Euro 40.- in der Ausstellung).]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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