Veranstaltung

Rob Krier. Ein romantischer Rationalist
Ausstellung
6. August 2005 bis 30. Oktober 2005
Deutsches Architektur Museum
Schaumainkai (Museumsufer) 43
D-60596 Frankfurt / Main


Veranstalter:in: Deutsches Architekturmuseum (DAM)
Eröffnung: Freitag, 5. August 2005, 19:00 Uhr

Städtebau als Kunst

Das Gesamtwerk von Rob Krier im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt

Mit Bauten in Berlin, Salzburg und Wien sowie mit traditionalistischen Stadtentwürfen wurde Rob Krier in den achtziger Jahren zu einem Hauptvertreter der Postmoderne in Europa. Heute findet seine Architektur vor allem in den Niederlanden Anklang. Das Deutsche Architekturmuseum Frankfurt stellt nun sein Gesamtwerk zur Diskussion.

22. September 2005 - Roman Hollenstein
Immer mehr Städte errichten heute spektakuläre Bauwerke, um sich in einer architektonischen Schönheitskonkurrenz den Touristen, Investoren und Unternehmern anzubieten. Darunter leidet letztlich das urbanistische Ganze, das im 20. Jahrhundert durch Krieg und moderne Theorien ohnehin schon fragmentiert wurde. Einzig während der Blütezeit der postmodernen Baukunst glaubte man, berauscht von der «Strada Novissima» der ersten Architekturbiennale von 1980 in Venedig, der Traum von der traditionellen Stadt mit ihren Strassen- und Hofrandbebauungen könne noch einmal Wirklichkeit werden. Inzwischen kämpfen jedoch nur noch einige Unentwegte für eine Neuordnung unserer wild wuchernden Städte - etwa Hans Kollhoff und Vittorio Magnago Lampugnani an der Zürcher ETH. Mit ihren Ideen haben sie einen schweren Stand gegenüber Stars wie dem Rotterdamer Architekten Rem Koolhaas, der verführerisch die Heterogenität der zeitgenössischen Stadt zu zelebrieren weiss. Nun aber finden ausgerechnet die sonst für ihre innovative Architektur bewunderten Niederlande Gefallen an einem nostalgischen Städtebau. Das hat - abgesehen von gewissen neokonservativen Strömungen - nicht zuletzt mit der Tatsache zu tun, dass dort immer auch traditionsbewusste Architekturkonzepte, auf die sich sogar noch zeitgenössische Grossprojekte wie das von Jo Coenen geplante Céramique-Viertel in Maastricht beziehen, ihren Platz haben durften.

Romantische Stadträume

Viel weiter als Coenen mit seinem moderat modernen Städtebau geht nun der Luxemburger Rob Krier, der schon in den siebziger Jahren als Verfechter des traditionellen Städtebaus im Sinne Theodor Fischers oder Camillo Sittes Schlagzeilen machte. Mit seiner Variante des New Urbanism, die auf geschlossene Strassenräume, Hofrandbebauungen, Plätze und mit Erkern, Giebeln und Türmen dekorierte Häuser setzt, wurde Krier in den Niederlanden zum vielgefragten Wunderheiler. Als solcher rückte er in den vergangenen Jahren zusammen mit seinem Schwiegersohn Christoph Kohl der Anonymität von Suburbia zu Leibe - bald mit metropolitan anmutenden Quartieren in Amsterdam, bald mit kleinstädtisch verschlafenen Neustädten wie Brandevoort Veste bei Helmond. Dieses Phänomen wäre schon Grund genug, das Schaffen des 1938 geborenen Architekten, Künstlers und Theoretikers Rob Krier zu würdigen. Zumal sein 1975 als Plädoyer für die Stadt des 19. Jahrhunderts veröffentlichtes Buch «Stadtraum in Theorie und Praxis» zusammen mit der neun Jahre zuvor von Aldo Rossi publizierten «Architettura della città» noch heute zu den Standardwerken der Städtebauliteratur zählt.

Bei seiner neusten Ausstellung geht es dem Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt jedoch nicht nur um einen Beitrag zur kontrovers geführten Diskussion über Rob Krier als Städtebauer, sondern ebenso sehr um die Aufarbeitung von dessen architektonischem und künstlerischem Œuvre. Hat Krier doch dieser Institution vor zwei Jahren all seine Skizzen, Pläne, Modelle und Zeichnungen überlassen. Das rund 10 000 Objekte umfassende Geschenk wurde nun von Ursula Kleefisch-Jobst aufgearbeitet und zu einer sehenswerten Ausstellung verdichtet, die in einer chronologisch und thematisch verschränkten Abfolge alle Facetten von Kriers Schaffen anhand von 43 Bauten und Projekten sowie einer Auswahl seiner Farbzeichnungen und Plastiken zeigt.

Ausgehend von Kriers Kampf gegen den fortschreitenden «Verlust des Stadtraums», präsentiert die Schau zunächst dessen Stuttgarter Stadterneuerungsmodelle von 1973, das Tower-Bridge- Housing-Projekt für London und die ersten Berliner Stadtplatzentwürfe, die im Rahmen der IBA zu den einst begeistert aufgenommenen Torhaus- Anlagen an der Rauch- und an der Ritterstrasse führten. Anschliessend werden neuere urbanistische Studien vorgestellt - darunter ein Lieblingsprojekt des Architekten, die Reparatur des Quartiers rund um die Kathedrale von Amiens. Blieb dieses unrealisiert, so konnte Krier mit der Siedlung Forellenweg in Salzburg zwischen 1983 und 1990 seine wohl gültigste Anlage verwirklichen. Die komplexe Genese solcher Quartiere und Neustädte wird dann an den Beispielen des Kirchsteigfelds in Potsdam und der Brandevoort Veste detailreich erläutert.

Im Obergeschoss stehen die wunderbaren, bald von Piranesi, Schinkel oder de Chirico beeinflussten Architekturzeichnungen im Mittelpunkt. Verraten sie eine frühe Auseinandersetzung mit dem von Krier bis heute verehrten Le Corbusier, so erinnern die Bronzen verdrehter Männerkörper an Michelangelo. Eine Gruppe von ihnen steht in einer kahlen weissen Pfeilerhalle, die auf das Projekt eines «Tempels der zehn Temperamente» verweist. Dieser war als Teil der von Krier geplanten Cité Judiciaire auf dem Plateau Saint- Esprit in Luxemburg gedacht. Doch soll nun just auf dieses minimalistische Skulpturenhaus und auf den für die Gesamtkomposition so wichtigen antikisierenden Turm der Winde verzichtet werden. Was von der Cité Judiciaire derzeit gebaut wird, vermag als Erweiterung der Luxemburger Altstadt unter dem Aspekt des Malerischen zu bestehen. Allerdings muss man befürchten, dass bei der Ausführung der zwischen nordischer Renaissance und Wiener Sezession oszillierenden Bauten sich einmal mehr die Poesie der gezeichneten Architektur verflüchtigen wird.

Rationalistische Ansätze

Dass Rob Krier nicht immer dem Neotraditionalismus huldigte, den er jetzt mit so viel Erfolg in grossen Siedlungen und Geschäftszentren ausleben kann, veranschaulichen die Entwürfe aus den siebziger Jahren, welche dem Luxemburger Grossprojekt gleichsam als Antithese gegenübergestellt sind. Sie zeigen rationalistische Villen wie das weisse Würfelhaus Dickes in Luxemburg, aber auch einen 1967 zusammen mit Léon Krier erarbeiteten Entwurf für das neue Rathaus von Amsterdam, bei dem die beiden Brüder noch von den futuristischen Ideen eines Antonio Sant'Elia oder Mario Chiattone schwärmten. Wie weit entfernt ist diese aggressive Grossform vom geschmäcklerischen Erscheinungsbild des die Sprache eines Otto Wagner verballhornenden Hochhauses «Muzentoren», das den Eingang zum zentralen Resident-Quartier in Den Haag bildet! Hier sinkt Rob Krier auf das Niveau seiner Epigonen, die den von ihm aus der Beaux-Arts-Tradition entwickelten romantischen Neohistorismus zur aalglatten Kommerzarchitektur pervertierten. Damit berührt die Ausstellung auch die Problematik der baulichen Umsetzung von Kriers stets so atmosphärisch skizzierten Projekten. Dass es Krier, der Architektur als «ästhetische Überformung» von Funktion und Konstruktion versteht, aber auch besser kann, bewies er jüngst mit den rationalistisch geläuterten Klinkerbauten von Haverleij Slot bei s'Hertogenbosch.

[ Bis 30. Oktober. Katalog: Rob Krier. Ein romantischer Rationalist. Architekt und Stadtplaner. Hrsg. Ursula Kleefisch- Jobst. Springer-Verlag, Wien 2005. 227 S., Euro 29.-. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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