Veranstaltung

Les 7 tours de Moscou 1935-1950
Ausstellung
25. November 2005 bis 19. Februar 2006
Le Botanique
Rue Royale, 236
B-1210 Brussels


Veranstalter:in: Le Botanique

Sieben Türme für Stalin

Moskauer Hochhäuser in einer Brüsseler Ausstellung

21. Dezember 2005 - Hubertus Adam
Der Ministerrat der UdSSR erliess am 13. Januar 1947 ein Dekret, dem zufolge in Moskau acht «Gebäude mit vielen Geschossen» zu errichten seien. Diese Bauten mit ihren 15, 25 oder 31 Stockwerken sollten sich von ausländischen «Hochhäusern» unterscheiden. Zudem wünschte man, dass sie den Bezug zum historischen Stadtbild Moskaus wahrten und darüber hinaus mit dem in Planung befindlichen Sowjetpalast korrespondierten. Die Planungsgeschichte des Sowjetpalastes hatte bereits 1930 begonnen; die Wahl war damals auf einen Entwurf von Boris Iofan gefallen. Dieser sah ein 416 Meter hohes neoklassizistisches Turmhaus vor, welches von einer Leninstatue bekrönt sein und das Empire State Building deutlich überragen sollte. So sehr Iofans Super-Wolkenkratzer auch das Erscheinungsbild der stalinistischen Architektur prägte: Erfolg war dem Architekten kaum beschieden. Der unmittelbar westlich des Kremls am Ufer der Moskwa geplante Sowjetpalast kam nämlich über die Fundamente nicht hinaus, und Iofans im Rahmen des Acht-Türme-Plans 1947 ausgearbeitetes Projekt für die Universität auf den Lenin-Bergen blieb als Anbiederung an «westlich-dekadente Architektur» unausgeführt. Mit der Realisierung betraut wurde Lew Rudnew, der zeitgleich auch den Warschauer Kulturpalast als stalinistischen Architekturexport ausführen konnte.

Mit knapp 50 grandiosen, zum Teil wandfüllenden Plänen und Perspektiven, die aus dem Bestand des Moskauer Schtschussew-Architekturmuseums stammen und zum grossen Teil erstmals öffentlich zu sehen sind, wird derzeit im Brüsseler Kulturzentrum Botanique das ehrgeizige Projekt dokumentiert, die Idee des turmbestandenen Kremls auf die Millionenstadt zu projizieren. Einige der Türme bekamen im Laufe der Planung andere Funktionen zugewiesen, andere unterlagen endlosen Veränderungen - von Alexei N. Duschkins Turm an der Krasnie Worota etwa sind sechs Entwurfsvarianten ausgestellt. Und das Hochhaus des Innenministeriums östlich des Kremls blieb unrealisiert. Die sieben ausgeführten Türme indes, wiewohl Zeugnisse einer totalitären Ära, bestimmen auch heute noch das Moskauer Stadtbild und vermögen als hybride Bauten, die zwischen nationalromantischem Gestus, neoklassizistischer Formensprache und amerikanischer Art-déco-Ästhetik oszillieren, noch heute zu faszinieren.

[ «Les 7 tours de Moscou», bis 19. Februar 2006; Katalog: Les sept tours de Moscou 1935-1950. Hrsg. David Sarkisyan Europalia, Bruxelles 2005. 98 S., Euro 30.-. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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