Veranstaltung

Miller & Maranta
Ausstellung
22. September 2006 bis 11. November 2006
aut. architektur und tirol
Lois-Welzenbacher-Platz 1 (im Adambräu)
6020 Innsbruck


Eröffnung: Donnerstag, 21. September 2006, 19:00 Uhr

Bilder und Stimmungen

Die Basler Architekten Miller & Maranta in Innsbruck

In den vergangenen Jahren hat das Basler Architektenteam Miller & Maranta mit seinen Bauten und Projekten viel Aufmerksamkeit erregt. Einen ersten gültigen Überblick über sein Werk bietet derzeit eine grosse Retrospektive im Architekturzentrum «aut» in Innsbruck.

4. Oktober 2006 - Roman Hollenstein
Dürfte man nur einen überragenden Bau nennen, der in den letzten Jahren im alpinen Raum entstanden ist, so würde man wohl die Erweiterung von Gottfried Sempers Villa Garbald durch Miller & Maranta in Castasegna wählen. Dennoch ist dieses mit minimalen Mitteln und baukünstlerischer Ökonomie realisierte Meisterwerk jüngst in Sexten bei der Preisausschreibung für «Neues Bauen in den Alpen» ohne Auszeichnung geblieben. Da kommen Zweifel auf an der Kompetenz der Jury, die offensichtlich nicht erkennen wollte, mit wie viel Sinn für den gebauten Kontext dieser schlanke Wohnturm ins Dorf und in den Villengarten eingepasst wurde. Solches Spüren nach dem Genius Loci und nach dem Atmosphärischen einer städtebaulichen Situation bestimmt alle Arbeiten der Basler Architekten. Das belegt die Miller-&-Maranta-Retrospektive, die derzeit im Ausstellungszentrum «aut architektur und tirol» im Innsbrucker Adambräu zu sehen ist und einmal mehr zeigt, dass man das Schaffen unserer interessantesten Baukünstler eher in Dornbirn, Meran, München oder Innsbruck studieren kann als in Basel, Lausanne, Zürich und Mendrisio.

Psychologische Architektur

Am Ende des abwechslungsreichen Ausstellungsparcours verweisen die 1959 in Chur geborene Paola Maranta und ihr zwei Jahre jüngerer, aus Aarau stammender Partner Quintus Miller in einem intimen, mit zahllosen kleinen Bildern tapezierten Raum auf die Anregungen zum Erweiterungsbau von Castasegna: vom Roccolo, dem Tessiner Vogelfangturm, bis hin zum verwinkelten Engadinerhaus. Diese Reproduktionen vermitteln einem zusammen mit einer Vielzahl weiterer Abbildungen von türkischen Keramikfliesen, von Giambattista Nollis Rom-Plan oder von expressionistischen Zeichnungen, die immer im Dialog mit Fotos der Bauten von Miller & Maranta stehen, in Kürze mehr über die architektonische Recherche des Architektenpaars als jede theoretische Abhandlung.

Stets gehen die von der «Analogen Architektur» ihrer Lehrer Miroslav Šik und Fabio Reinhart geprägten Baukünstler in ihrer Entwurfspraxis vom Ort, von seiner Geschichte, seinen Bildern und Stimmungen aus. Die Resultate dieser geduldigen Suche lassen sich nicht leicht unter einem einzigen Begriff schubladisieren, was Miller & Maranta zur Blütezeit der «Schweizer Kiste» den Weg zum Erfolg etwas versperrte. Inzwischen aber haben sie sich mit ihren formal oft komplexen, materiell reduzierten und atmosphärisch mitunter traumartig melancholischen Bauten durchgesetzt. Diese könnte man als Beispiele einer psychologischen Baukunst bezeichnen; dies umso mehr, als Miller & Maranta im Entwurfsprozess davon ausgehen, «dass die Interpretation unserer eigenen Wahrnehmung eng mit unseren Erinnerungen zusammenhängt». Aufgrund dieser Arbeitsweise unterscheidet sich die hölzerne, im Abendlicht wie eine Bronzeskulptur erscheinende Markthalle am Färberplatz in Aarau (2002) entschieden vom bienenwabenartigen Mehrfamilienhaus im Basler Schwarzpark (2004) oder von der mit den Wohn- und Geschäftshäusern der Nachbarschaft flirtenden Seniorenresidenz Spirgarten in Zürich Altstetten (2006), die mit ihrer Verschmelzung von Band- und Lochfenstern weder Stein- noch Glashaus sein will.

Wie diese unterschiedlichen Bauten im Dialog mit dem Bestand und der gestellten Aufgabe entstehen, veranschaulicht die Ausstellung höchst suggestiv in fünf Stationen. Da ist der Raum mit den Mustern und Materialien, wo haptische und sinnliche, aber auch traditionelle Aspekte der Architektur von Miller & Maranta zutage treten. Oder jener mit den Modellen, in welchem ein Dutzend unrealisierte oder noch nicht vollendete Werke anhand höchst unterschiedlicher Maquetten einen Einblick in die Werkgenese geben. Der Suchprozess führt oft zu mehreren formalen Varianten - zu geometrisch-strukturalistischen wie auch zu plastisch-biomorphen. Die Hausminiaturen aus Holz, Kunststoff oder Karton helfen den beiden Architekten nicht nur beim Finden der architektonisch und urbanistisch richtigen Antwort auf eine Aufgabenstellung. Mit ihrer Unterstützung versuchen sie auch den endgültigen Bau vorwegzunehmen oder die Innenräume möglichst exakt zu definieren, wie die grossen Arbeitsmodelle des Hotels «Waldhaus» in Sils Maria oder der in einen Industriebau integrierten Volta- Schule in Basel demonstrieren.

Ein Blick in die Zukunft

Dreizehn Arbeiten werden schliesslich in kommentierten Projektmappen bis in alle Details vorgestellt. Dabei wird deutlich, dass Miller & Maranta in neusten Projekten wie der gezackten Wohnkette am Rande des Zürcher Patumbah- Parks, den gestaffelten Seevillen in Buonas bei Risch oder dem Wohnhaus im Baumgarten in Riehen mehr Wert legen auf skulpturale Objekthaftigkeit als auf jene baustatischen Experimente, welche die zum Teil mit dem Churer Ingenieur Jürg Conzett entwickelten Bauten in Aarau, Castasegna oder Basel prägten. Den Kontextbezug hingegen findet man weiterhin: beim Wellnessbad von Samaden ebenso wie beim Hochhaus der Kantonalbank in Zug. Dieses wird nach seiner Vollendung im Jahre 2010 den Zuger Bahnhofsplatz mit einer filigranen, bronzefarbenen Fassade aus Stahl und Glas dominieren und so der Umgebung mit einem Erscheinungsbild antworten, das den spröden Klassizismus der siebziger Jahre mit der Sprache unserer Zeit vereint. Damit dürften Miller & Maranta wohl einmal mehr beweisen, wie meisterlich sie den Stadtraum zu definieren und mit neuen Stimmungen und Irritationen aufzuladen wissen. Kurz: In den ausgestellten Werkberichten liegen Informationen verborgen, die man einem interessierten Publikum unbedingt in Buchform zugänglich machen sollte.

[ Bis 11. November im «aut architektur und tirol» im Adambräu in Innsbruck. Kein Katalog. ]

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: