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hochparterre 11|2007
Zeitschrift für Architektur und Design
hochparterre 11|2007
zur Zeitschrift: hochparterre

Das bildhübsche Andermatt

Das Tourismus Resort Andermatt wächst. In Bildern und auf den Plänen jener zwölf Architekturbüros, die Samih Sawiris und seine Berater nach den ersten Studienaufträgen ausgewählt haben. Die zwölf Büros trafen den Geschmack des Gremiums – wie dieser aussieht, zeigt ein Streifzug durch das bebilderte Feriendorf.

6. November 2007 - Rahel Marti
«Wir wollen ein in sich stimmiges, pluralistisches, neuzeitliches Ensemble erstellen, das nach Andermatt passt. Ein Ensemble, das lebt, zu dem man sich gerne hinbegibt, und dies auch noch in fünfzig Jahren. Was wir nicht wollen: Aus einer kurzfristig verkaufsorientierten ‹Copy-paste›-Mentalität heraus ein paar gefällige Elemente der Schweizer Alpen-Bauweise vervielfältigen.» Diese Worte stammen von Samih Sawiris. Sie leiten das dicke Buch ein, das die ersten Entwürfe für das Tourismus Resort Andermatt versammelt. 33 Büros, vom ägyptischen Investor und seinen Beratern ausgewählt (HP 8/07), hatten Vorschläge geliefert für Villen, Sportzentrum, Hotels und das Zentrum mit Läden, Restaurants und Ferienwohnungen. Die Neugierde ist gross: Wer hat wie entworfen für dieses kühne Projekt? Exklusiv zeigt Hochparterre hier die Bilder für das Resort, in hochparterre.wettbewerbe (hpw 5/07) detailliert die ausgewählten zwölf Projekte. Zuerst zum Sportzentrum; sechs Entwürfe lagen dafür vor. Die jungen Büros Geninasca Delefortrie, Slik Architekten und Weberbrunner ersannen wechselvolle Innenwelten mit Hallen fürs Schwimmen und Höhlen für die Spa-Bereiche. Aussen versuchten sie es mystisch-verformt und kühl in Beton oder Metall. Doch Samih Sawiris und sein Gremium gingen auf Nummer sicher und wählten Theo Hotz (Seite 38): Das Gremium billigt ihm «hohe Adaptationsfähigkeit an sich noch verändernde Randbedingungen» zu. Nach Norden Bruchstein, nach Süden Glas, so könnte man das Hotz-Projekt zusammenfassen. Holz und Stein dominierten reihum, vorzugsweise Bruchstein, denn in Andermatt, da ist es rauh und karg, wie in fast allen Projekttexten stand.

Weisse Flecken

Noch alles offen ist beim Kongresszentrum und den Hotels. Mit Burkhalter Sumi, Christian Kerez, Steven Holl und Rüssli Architekten, Matteo Thun & Partners, Gay Holzer Kobler und dem Atelier Christian Hauvette lieferten sechs Teams Vorschläge. Doch das Auswahlgremium konnte mit keinem viel anfangen und kritisierte: «Kaum einer der Entwürfe hat sich vertieft mit dem Typ des gehobenen Gebirgshotels auseinandergesetzt, das im Alpenraum eine lange Tradition kennt.» Das enttäusche – doch liege es, wie das Gremium zugibt, «nicht zuletzt am sehr unbestimmten Programm und an den eher weichen Randbedingungen». Samih Sawiris wartet auf interessierte Betreiber, die interessierten Betreiber warten auf Projekte, wie bei Huhn und Ei. Gemäss Projektkoordinator Max Germann sind zwei der Büros mit Überarbeiten beauftragt; mehr ist aber nicht zu erfahren. Ende Januar sollen die Projekte abgeliefert sein, damit die Quartiergestaltungspläne fertig gestellt und eingereicht werden können. Dann müssen auch die Hotelprojekte einen Schritt weiter sein – weisse Flecken wird der Kanton nicht akzeptieren. Im August berichtete Hochparterre, Jean Nouvel werde das Luxushotel auf dem alten Bellevue-Areal bauen. Obschon seitens der Veranstalter nicht dementiert, ist dies falsch. «Zwischen Samih Sawiris und Jean Nouvel liefen Gespräche, aber bis heute erhielt Nouvel keinen Auftrag», korrigiert Max Germann. Das Hotel planen Denniston Architects aus Kuala Lumpur; sie hatten auch den Resort-Masterplan erstellt. Schon 2008 will Sawiris mit dem Bau dieses «schönsten Hotels der Alpen» beginnen.

International Alpin Style

Bei den Villen reichten die Entwürfe von Puristisch über Mondän bis zu trendigen Chalets. Letztere fanden grossen Anklang. Offenbar geht Sawiris davon aus, das Publikum suche eine Art Swissness, nicht bieder, nicht ausschweifend. Aus zehn Bewerbern ausgewählt wurden hier Scheitlin-Syfrig Partner, Group 8, Müller Sigrist / Dipol, Matti Ragaz Hitz / Baserga Mozzetti, Graber Pulver / Masswerk, Silvia und Reto Gmür und Hauenstein LaRoche Schedler. Ihre Entwürfe sollen einen Katalog füllen, aus dem die Käufer einen Villentyp aussuchen können – inklusive Architekt, wie Sawiris verspricht. Auch die Villenentwürfe zeigen: Dieser Wettbewerb war eine Konkurrenz der Bilder. Imre Bartal und sein Team vom Visualisierungsbüro Architron bebilderten zwei Villen und ein Sportzentrum. Dabei versuchten sie, «internationale Vorstellungen alpiner Welten umzusetzen». Die Visualisierungen sollten das Leben in den Bergen vermitteln und gesättigt sein mit Stimmung. Dazu wob Architron Hinweise auf die umgebende Natur und die Andermatter Wetterverhältnisse in die Bilder ein und entwarf präzise Sommer-und Winterstimmungen für aussen und innen. «Ein Bild eines Nebeltags soll zeigen: Auch dann ist es im Gebirge reizvoll.» Auch opulenter, verführerischer als sonst durfte es sein: Orientteppiche, englische Fauteuils, Cheminéefeuer staffieren die Zimmer und Hallen der Villen aus, auf einem der Couchtische steht eine angebrochene Flasche Whiskey, und Imre Bartal schmunzelt: «Hirschgeweihe hatten wir bisher nicht im Ausstattungs-Sortiment.» Kurz, die Beschwörung der Gemütlichkeit.

Dreamteam der Analogen

Zum Kern der Sache, zum Dorfkern. Devanthéry Lamunière und der Mailänder Cino Zucchi planen hier weiter sowie Quintus Miller, Paola Maranta, Miroslav Šik, Kaschka Knapkiewicz und Axel Fickert. Dieses Quintett musste sich nach der ersten Runde zu einem Team vereinen – von aussen betrachtet ein Dreamteam der analogen Architektur. Ein Dorf, ein gewachsenes Ensemble bauen – hier könnensie eines ihrer zentralen Entwurfsthemen anwenden, zum ersten Mal «richtig». Über das gemeinsame Projekt wollen und dürfen sie aber nicht sprechen. Daher ein Blick auf die ersten, getrennten Entwürfe. Miller Marant schütteten für das Resort einen künstlichen Hügel auf. Untergeschosse und Parkgaragen fanden darin Platz, gestaltet als ‹Felsendom› oder ‹Säulenhalle› – ein besonderer Ankunftsort für die Autofahrer. Der Hügel modellierte die ausdruckslose Talfläche und bot profitable Aussichtshänge, nebst klimatischen Vorteilen: Er hätte das Resort dem Kältesee der Talebene enthoben. Die Hügel-Idee fand aber kein Verständnis und ist begraben. Den Dorfkern entwarfen Miller Maranta als Gefüge ähnlich grosser Strickbauten. Seine Dichte liegt zwischen jener des alten Dorfs und der Einfamilienhausquartiere. Das Ziel des Projekts: ein Feriendorf mit traditionellen regionalen Bautypen, Bauweisen und Materialien. Seine Nähe zum Bestand soll gross, der Bezug möglichst unverfälscht sein.

Komplex – wie lange?

Das Ziel des Teams Miroslav Šik / Knapkiewicz & Fickert lautete, eine neue Altstadt zu bauen. «Die Neugründung eines Dorfs, das bedeutet das Entwerfen einer komplexen Ordnung, einer Gestalt ohne klare, eindeutige Qualität » – für Miroslav Sik ein Forschungsgebiet und er gerät ins Schwärmen. Sie hätten drei Prinzipien aufgestellt: «Erstens: Empirische Ensemblegestalt, zweitens: Verismus von innen und aussen, drittens: ein Alphabet aus lokalen Fassadenelementen.» Dem ersten Prinzip folgend, komponierten sie einen skulpturalen, geometrischen, jedoch nicht repetitiven Grundriss der neuen Altstadt. Dazu stellten sie Überlegungen zum Flanieren an: Man soll von einem Laden zu einem Restaurant über einen kleinen Platz hin zur Wohnung geleitet werden; Hauptgassen führen auf Häuser zu, gabeln sich in Nebengassen, geben neue Blickrichtungen frei. Einige Fassaden sind hervorgehoben, wie früher Kirche oder Schulhaus – hier könnte es ein Hotel oder ein besonderes Geschäft sein. Das zweite Prinzip galt den Hausgrundrissen. Es verlangte deren Kohärenz mit dem Stadtgrundriss: Was man von aussen sieht, ist nicht Kulisse, sondern wird innen weitergeführt. Also sind die Hausgrundrisse von aussen nach innen entwickelt; so entsprechen sie ihrer Lage im Stadtgefüge und jede Wohnung erhält interessante Aussichten in Gassen, auf Plätze, in die Öffentlichkeit. Das dritte Prinzip galt den Fassaden. Das Team stellte ein Alphabet zusammen aus Andermatter Elementen, aus architektonischen Versatzstücken wie Eingängen, Fenstern, Anbauten oder Dachaufbauten, aus Materialien wie Holz, Verputz oder Eternit. «Mit dem Resort ist es wie mit Las Vegas», steht auf einem Plan: «Tabula Rasa. Es geht um Kopie und Original. Wir kopieren hier nicht. Wir verwenden Elemente ohne Vorbehalte. Es sind ortstypische, prägende, manchmal surreale, aber vertraute Elemente, die wir abgewandelt, verfremdet benutzen.» Die drei genannten Teams arbeiten nun Referenzprojekte für das Dorfzentrum aus, erklärt Projektkoordinator Max Germann, und «sie können damit rechnen, dass sie wesentliche Bauten der Zentrumszone bearbeiten können.» Weitere Beteiligte sollen sich an ihre städtebaulichen und architektonischen Prinzipien halten. Ein lebhaftes Dorf muss durchmischt sein – das ist hier mit Wohnen, Shopping und Gastronomie gegeben. Allein die Belegung können die Architekten nicht kontrollieren. Soll das Dorf funktionieren, dürfen die Fenster nicht monatelang dunkel sein. Auch dafür will Samih Sawiris sorgen (‹Nullenergie für Andermatt›). Neulich bescheinigte die Weltwoche dem Investor eine «ausgeprägte Fähigkeit zur Komplexitätsreduktion» – was dies für die Resort-Architektur heisst, bleibt abzuwarten. Vorläufig gilt: Sawiris liess sich überzeugen, beste Büros zu engagieren. Er erhielt beste Vorschläge. Jetzt hängt wieder alles von ihm ab. •

Nullenergie für Andermatt
Samih Sawiris sprach: «Ich werde viel investieren, damit die ‹Andermatt Alpine Destination Company› eine Nullenergie-Bilanz in Bau und Betrieb vorweisen kann. Die nötigen Studien haben wir veranlasst. Einerseits wird die Energie als ‹Clean Energy› produziert. Wir denken an eigene Wasserkraft, an Windkraft und an Sonnenenergie. Anderseits wird die Isolation der Hotels, der Villen, der Sportzentren und so weiter dem rauhen Klima trotzen.» Sawiris denkt dabei weniger an die Weltrettung als an den Profit. «Einerseits werden wir auf diese Weise erheblich Geld einsparen. Anderseits wird uns ein energetisch musterhaftes Resort grosse Vorteile fürs Image bringen. Dem Resort in Andermatt, aber auch meiner Orascom-Gruppe. Die nötigen Investitionen werden wir deshalb auch aus der Gruppe mitfinanzieren.» Ist es Sawiris ernst? Wir werden sehen. Er sagte an einer Podiumsdiskussion, zu der im September die Immobilienfirma Engel & Völkers ins Zunfthaus zur Meise in Zürich geladen hatte: «Ich bitte Hochparterre, das Projekt Andermatt und mich auf diese Aussagen zu behaften.» Wir gaben zurück, dass wir gern mit ihm aufs Grundbuch kämen und ihm zuschauten, wie er dort Verpflichtungen einschreibe. In der munteren Debatte mit Hanspeter Danuser, dem Kurdirektor von St. Moritz, schoss Sawiris einen Vogel ab. Das Milliardenvorhaben, für das im nächsten Frühling die Baugruben aufgehen sollen, kann der ägyptische Investor nur realisieren, weil der Bundesrat für ihn die Lex Koller aus den Angeln hob. Bekanntlich soll dieses Gesetz nun aufgehoben werden. «Ich finde das schlecht», kommentierte Sawiris. «Die Einheimischen brauchen Schutz und bezahlbaren Wohnraum. Die Aufhebung der Lex Koller wird das erschweren.» Und er bekannte: «Die Destination Andermatt wird einen Erstwohnungsanteil haben und wie in meinen anderen Resorts wird es hier keine kalten Betten geben, sondern Vermietungspflichten.» GA

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Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

Ansprechpartner:in für diese Seite: Roderick Hönighoenig[at]hochparterre.ch

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