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Welt im Modell
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zur Zeitschrift: Hintergrund
Herausgeber:in: Architekturzentrum Wien

Modellbau ist Dedektivarbeit

Franz Hnizdo unterrichtet seit 1985 Architekturmodellbau an der Universität für angewandte Kunst in Wien und arbeitet derzeit u.a. an einer Publikation über die Bedeutung des Modells von der Antike bis in die Gegenwart und den historischen Modellbautechniken. Gabriele Kaiser und Sonja Pisarik trafen Franz Hnizdo zum Gespräch.

20. November 2008 - Gabriele Kaiser, Sonja Pisarik
Ihr Spezialgebiet sind Modellrekonstruktionen von historischer Architektur, und in diesem Sinn ist der Modellbau eine Forschungsdisziplin.
Er ist wesentlicher und anerkannter Beitrag zur Bauforschung – hauptsächlich interuniversitär und interdisziplinär in Zusammenarbeit mit archäologischen Instituten, auch mit der Ägyptologie und vielen Museen. Manches rekonstruieren wir auch völlig alleine, aber bei archäologischen Projekten arbeiten wir natürlich immer eng mit den jeweiligen Fachleuten zusammen. Bei vielen archäologischen Grabungen gibt es sogenannte Grabungsarchitekten, auch Studierende, die alles, was aus dem Boden herauskommt, aufnehmen und zeichnen. Da sitzen sie oft Monate bei einer bestimmten Volute, einem Kapitell oder sonst was. D.h. es entstehen viele Detailpläne von Steinen, steingerechte Aufrisse – oft ganze Pakete von Zeichnungen. Aber in den wenigsten Fällen macht sich wirklich jemand Gedanken, wie das ganze Gebäude ausgesehen hat. Wenn allerdings eine größere Ausstellung bevorsteht, wo auch die aufgehende Architektur gezeigt werden sollte, nicht nur schnell virtuell, sondern real, dann wird es manchmal eng. Das ist der wunde Punkt – es fehlt oft an der räumlichen Vorstellung. Da springe ich ganz gern in die Bresche und versuche mit Vormodellen, Modellstudien gewisse Dinge 3D wachsen zu lassen, damit wir der Wahrheit näher kommen. Das muss natürlich in sich stimmig sein, denn Sie können bei einem Rekonstruktionsmodell natürlich nicht lügen. Es muss immer übers Eck stimmen. Sie können zwar einfach wo beginnen, aber irgendwo lässt es dann aus – da gibt es dann plötzlich Fragezeichen an jeder Ecke. Mit einer Perspektive können Sie – das war schon in meiner Studienzeit so – schummeln wie Sie wollen. Wenn es dann real wird, ob jetzt in einem kleineren Maßstab oder in einem größeren gebaut wird, können Sie eigentlich nicht lügen. Da müssen Sie sich zur Wahrheit durchkämpfen.

Also kann man sich vorstellen, dass diese Modelle, die Sie auch zwischendurch anfertigen, bei sehr schwacher Datenlage auch so etwas wie Arbeitshypothesen sind, die immer überprüft werden müssen mit dem konkreten Fund.

Richtig. Man muss sich genau einlesen in das spezielle Fachgebiet, um eine profunde Gesprächsbasis mit dem Archäologen zu haben. Zunächst sind das ja nur Arbeitsgrundlagen. Und dann steigert sich das. Das ist so wie eine umgekehrte Pyramide, da haben wir oft zunächst wirklich nur die Spitze, dann irgendwann kriegen wir die Basis, und letztlich können wir ein seriöses Repräsentationsmodell bauen.
Wenn man an jüngere Beispiele wie das „Kabarett Fledermaus“ oder das „Palais Stoclet“ denkt, da gab es doch zum Teil Fotos oder Pläne, die Sie für das Rekonstruktionsmodell zu Hilfe nehmen konnten, oder?
Ja, beim Palais Stoclet gibt es viele Fotos, die wir im Vorfeld gemacht haben. Für solche Sachen recherchieren wir wie die Detektive. Aber ins Palais Stoclet kommt man nicht so einfach hinein, da gab es damals die Madame Stoclet, die niemandem so ohne weiteres Zutritt gewährte. Das kam immer sehr auf ihre Stimmung an. Wir wollten uns nicht abschrecken lassen, haben einen Schulbus gemietet und sind mit einem Fotografenteam nach Brüssel hinaufgefahren, ohne dass wir uns vorher groß angemeldet hätten. Ich habe nur versucht, über den Schwiegersohn, den Dr. Haas-Stoclet, dessen Tochter selbst Fotografin war, einen Kontakt herzustellen und ihm zu sagen, dass wir kommen. Er hat gemeint, dass er es seiner Maman sagen wird. Und so sind wir hineingekommen und konnten immerhin eine Woche dort verbringen. Wir haben mit Messlatten eine komplette Bauaufnahme gemacht, wir sind sogar in der Hoffmann-Küche von der Madame mit Tee bewirtet worden. Am Abend mussten wir ihr die Fotos und die Skizzen, die wir untertags gemacht haben, immer zeigen. Um am dritten Tag hat sie uns plötzlich alle hinauskomplimentiert, es war aus. Was jetzt? Es hat sich herausgestellt, dass wir ein Foto vom Innenhof gemacht haben, auf dem auch zufällig ein zerbrochener Blumentopf zu sehen war, und das war fatal, denn Madame Stoclet war extrem darauf bedacht, dass dieser Bau in seinem Idealzustand festgehalten wird. Es war ein Akt der Bewahrung – sie hat dort wie eine Oberinspektorin gewacht, denn sie hat schon so viele schlechte Dinge erlebt, dass der Bau z.B. auf Zigarettenpackerln abgebildet war. Das besagte Foto haben wir ihr dann ausgehändigt, und dann ging es wieder weiter. Wir waren sogar am Dach und haben von dort wunderbare Aufnahmen machen können. Außerdem haben wir in die Familienbücher Einblick nehmen dürfen. Später haben wir dann im Maßstab 1:50 für die Ausstellung „Traum und Wirklichkeit“ das Modell gemacht. Als dann Madame Stoclet zur Verleihung eines Ehrenringes nach Wien kam, war sie von dem Modell – weil es ja wirklich den Erstbau abgebildet hat – zu Tränen gerührt.
Beim „Kabarett Fledermaus“ tauchte eine Plan von Le Corbusier auf. Oder vielmehr eine kleine Skizze, die das Kabarett Fledermaus gezeigt hat. Man ist im Zuge einer geplanten Ausstellung im Wiener Theatermuseum an mich herangetreten und hat gemeint, jetzt können wir das Kabarett Fledermaus bauen, jetzt haben wir ja die Skizze. Und dann hat sich im Laufe intensiver Recherchen herausgestellt – wir waren auch vor Ort und haben wieder alles vermessen – dass die Skizze überhaupt nicht gestimmt hat. Dass Le Corbusier das zwar gezeichnet hat, aber idealisierend! Zwei Jahre später hat er sich halt in einer Eisenbahn daran erinnert und das Lokal aus der Erinnerung skizziert, was natürlich in den Proportionen nicht gestimmt hat. Ich habe dann u.a. alte Feuerwehrpläne ausgehoben. Also das geht wirklich in die ganz strenge Recherche.

Wie lange dauert im Wesentlichen so eine Recherche?

Mindestens ein halbes Jahr lang wird nur geforscht. Der eigentliche Modellbau ist ja dann nur mehr eine Umsetzung. Da gibt es dann natürlich immer wieder kleine Rückschläge oder Probleme, da muss man dann wieder nachschauen und gewissenhaft weitersuchen. Es geht immer um den Erstbau. Auch beim Belvedere zum Beispiel. Das Belvedere im Modell nachzubauen war, was die Datenlage betraf, eher leicht, immerhin gab es die Pläne von Salomon Kleiner. Salomon Kleiner hat den Erstbau ja seinerzeit ganz genau gezeichnet, aber trotzdem waren Fehler drinnen. Man kann nicht immer aus der Ferne diagnostizieren, man muss also dort auch selbst mit dem Maßstab herumgehen und schauen, was ist verbaut worden, wo schaut noch was heraus?
Gibt es bzgl. der Materialität des Modells zwingende Gründe, warum etwas aus Gips oder Holz gemacht wird?
Gebäude, auch die der Antike, leben für mich irgendwie. Jetzt könnte man sagen, so einen Tempel kann man aus Gips bauen, das wäre auch irgendwie naheliegend, hat man ja auch früher gemacht – aber Gips ist ein totes Material, das strahlt keine Lebendigkeit aus. In der Antike waren ja viele Tempel zumindest teilweise bemalt. Es wird daher versucht, verschiedene Edelhölzer betont abstrakt und farbnuanciert zusammenzustellen. Ich komme ja ursprünglich vom Geigenbau und von der Kunsttischlerei und Bildhauerei her, also mir ist der Werkstoff Holz einfach am liebsten, er ist auch am Dauerhaftesten, dazu sind Holzmodelle heute eine ausgesprochene Rarität. Das Belvedere z.B. hat an die 200 Figuren auf dem Dach, jedes Fenster hat ein anderes Ornament. Das kann und will ich nicht mit Kitt herstellen, wie das die Italiener in der Renaissance gemacht haben. Das sind Miniaturschnitztechniken, die ich seinerzeit bei einem Griechen gelernt habe. Und ich möchte das so präsentieren. Deswegen kosten die Modelle auch entsprechend, weil man da eine Menge Zeit braucht. Die Figuren sind ja dann oft nur etwa 2–2,5 cm groß, und sie müssen in den Proportionen ziemlich stimmen. Da komme ich mit Holz am besten hin. Wenn Sie da mit Malerei anfangen, dann wird es schnell zum Zuckerbäcker-Modell.

Es besteht die Gefahr, dass ein Modell wie ein Kinderspielzeug aussieht.

Bei uns nicht, da predige ich immer die Drei-Finger-Regel: Maximal drei fein abgestufte Holzarten; oder bei der Mischtechnik höchstens drei zueinander passende Materialien – das kommt meistens hin.
Manchmal ist es aber auch ein Kinderspielzeug! Aus der Antike bzw. aus der Steinzeit gibt es richtig schöne Kinderarbeiten – Esel, Schafe, kleine Töpfe, Häuser. Das kann also auch einfach Spielzeug gewesen sein, man muss nicht immer gleich an wahnsinnige Architekturleistungen denken. Wir haben doch als Kinder alle gerne in der Sandkiste Dinge geformt, und wenn die Eltern aus Ton modelliert haben, Töpfe, Löffel bis zum Steinzeitschnuller, und das Kind steht daneben, will es ja auch was formen. Wir haben manchmal den Beweis, weil die Fingerabdrücke von Kindern teilweise noch sichtbar sind, 7.000 oder 8.000 Jahre alt.

Sie unterrichten seit 1985 an der Angewandten. Liegt Ihr Schwerpunkt auf „klassischen“ Modellbautechniken?

Heute wird natürlich auch bei uns sehr viel mit dem Computer entworfen. Aber es ist auch Teil meiner Lehre, dass ich auf bestimmte Gefahren hinweise. Wir machen schon noch beides. Wir entwerfen nicht nur am Computer und lassen es über den Plotter drucken, weil da der Entwerfer oft draufkommt, dass das dann doch anders ausschaut als gedacht. Also, diese Ambivalenz zu erklären ist mir wichtig im Unterricht. Man muss sich fragen, was kann das reale Modell, was kann das virtuelle Modell? Ich will keines von beiden verdammen, da muss man vorsichtig sein! Aber es sollte ein Dialog, eine Ergänzung zwischen beiden sein. Das, was ich aus dem Computer rausnehme, wird vielleicht händisch weiterbearbeitet. Dann wird es ausgeplottet, weil das halt am einfachsten geht, dann wird weiterentwickelt, man scannt es wieder ein, kann das im Computer wieder weiterverändern, nimmt es wieder heraus – also ein Vice-versa zwischen Computer und Modell. Die großen Architekten wie Rietveld oder Gaudí hatten auch keine Zeichenateliers, da wurde alles nur mit Arbeitsmodellen gemacht. Wenn Sie an die Sagrada Familia denken – das wäre ja anders gar nicht gegangen. Diese ganzen Knoten in der Kathedrale, man hat ja gar nicht gewusst, ob das statisch alles trägt. Heute sind die Statik-Rechenprogramme perfekt, man kann ganze Netze durchrechnen lassen.
Grundsätzlich kann man wohl sagen, Rekonstruktionsmodelle sind Hypothesen oder auch analytische Instrumente, aber auf dem anderen Ende des Spektrums befindet sich die freie Plastik. Das ist es ja auch immer in gewisser Weise, wenn man anerkennt, dass das Modell kein totales Abbild der Wirklichkeit sein kann.
Man weiß ja aus der Antike, z.B. aus der Zeit der der großen Pyramiden, später der Lykier, dass viele Bauplastiken im Vorfeld im Kleinmaßstab gebaut worden sind. Wenn ich ein schwieriges Material vor mir habe, ist es schon ratsam, es vorher auszuprobieren. Ein wesentlicher Aspekt ist ja der Materialwiderstand, der sich dem künstlerischen Prozess entgegenstellt. Es wird jetzt auch versucht, diesen mittels Computer zu simulieren. Na ja. Wenn Sie eine Idee im Kopf haben und Sie versuchen, diese Idee umzusetzen, und Sie haben einen Stein vor sich, Holz, Styropor, dann wird diese Idee drei verschiedene Ausformungen haben. Der Widerstand, der sich Ihnen beim Stemmen oder Formen von Styropor oder Gips bietet, ist jeweils ein ganz anderer. Das heißt, man versucht, diese Statuen schon im richtigen Material zu machen. Heute gibt es schon Programme, wo man – damit das realer wird – beim Führungsstift verschiedene Materialwiderstände einstellen kann. Das heißt, stelle ich Stein ein, dann muss ich mehr drücken, stelle ich Styropor ein, gibt er mir dann weniger Widerstand. Das ist schon kurios. Die Materialwahl, die Materialgerechtigkeit, die Materialspannungen – das geht in den Entwurfsprozess hinein, und das ist wahnsinnig wichtig und kann natürlich nie richtig am Computer simuliert werden. Wenn der Student das neutral und mit natürlichen Materialien bearbeiten will und ihm Holz zu schwer ist, soll er halt Ton nehmen. Ich mache mit ihnen auch immer Tonübungen, gehe mit ihnen in die Keramik-Abteilung hinunter und gebe ihnen ein Thema, wo sie aus Ton etwas formen sollen. Ganz am Anfang, im ersten Semester, das ist ein ganz wichtiges Semester. Das Arbeiten mit Naturmaterialien ist bei den Studierenden wieder sehr gefragt, es wird wieder gerne „begriffen“, wir sind eben doch noch die „Angewandte“ und kein reiner Geistestempel.

Wie ist der internationale Stellenwert von solchen Rekonstruktionen? Gibt es da in Österreich eine Sonderstellung?

Ja ich glaube schon, das dürfte doch so eine kleine, leichte Einmaligkeit sein, und nicht nur in Österreich, da habe ich das Feedback von vielen namhaften Architekten und Archäologen. Wir hatten ja auch sehr berühmte Leute in Österreich, die zwar keine Rekonstruktionsmodelle bauten, sondern brav nach Plänen der Architekten vorgingen, z.B. aus dem Barock oder Rokoko, wie Matthias Steindl mit der Turmfassade von Zwettl. Das waren oft riesige Modelle, 15er, 25er, 30er. Der mathematische Turm von Kremsmünster ist aus Buchsbaum gebaut. Dieser Baum kann ein paar Hundert Jahre alt werden und ist kaum mehr zu bekommen. Er hat eine Härte fast wie Kalkstein, da kann man die kleinsten Details schnitzen. Antonio Selvas’ Modell für das Teatro la Fenice in Venedig fällt mir da noch ein und natürlich die Palladio-Modelle. Manche Ausführungen sind Riesenapparate, fast schon Möbel, da füllt ein Modell einen halben Raum.
Gab es quer durch die Jahrhunderte gesehen bestimmte Maßstabskonventionen?
Meistens wurden solche Modelle bei reicheren Leuten auf irgendwelchen Schlössern ausgestellt. Da gab es kein Platzproblem. Gemacht wurde das meist von Spezialschreinern. Michelangelo – das war die klassische Zeit der Modelle, oder Elias Holl. Es hat aber eine Zeit in Italien gegeben, wo Modelle wie Bücher gehandelt wurden. Wenn ich also ein Pseudogelehrter aus dem aufkommenden Bürgertum bin, dann richte ich mir eine Bibliothek ein. Ich umgebe mich also mit ernstzunehmender Literatur und Wissenschaft. So ca. 1775 hatten Antonio Chichi und Augusto Rosa einen Einfall, weil sie bemerkt haben, dass die Leute modellbegeistert sind und sich mit dem Altertum umgeben wollen. Sie haben eine Marktlücke entdeckt und Korkmodelle gebaut. Ruinenhafte Tempel, ein bisschen romantisch, ein bisschen künstlerisch. Sie hatten richtige Model, weil diese Korkmodelle weggegangen sind wie die warmen Semmeln. Richtige Korkpressen, um die Säulen schneller zu machen und die Voluten und Kapitelle. Denn die waren ja schwierig aus Kork zu schnitzen, und so hat man eine richtige kleine Industrie aufgebaut. Man hat die Königshöfe und das Bürgertum beliefert. In Wien gibt es noch ein paar dieser Korkmodelle im Technischen Museum, in Augsburg im Rathaus gibt es noch einige. Im John Soanes-Haus in London gibt es auch auf dem Dachboden sehr viele Chichi-Modelle. Augusto Rosa hat das dann noch weiterbetrieben bis zum Exzess. Da wurden die Modelle wie im Prater vor Publikum vorgeführt, und da hat sich was getan. Zum Beispiel wurde ein Modell vom Vesuv gebaut, und der ist dann plötzlich explodiert, da sind die Leute kohlrabenschwarz herausgekommen. Das war der Hit damals. Man hat Bauwerke zerkrachen lassen – ein Panoptikum.

Welchen Stellenwert haben in Ihrer Disziplin 1:1-Modelle?

1:1-Modelle sind nicht zu verachten. Eines der berühmtesten Beispiele ist das Belvedere. Anlässlich der Hochzeit von Marie Antoinette war der ganze Park geöffnet für das Publikum, es schwammen Kerzen auf den Teichen, das Volk war eingeladen. Aber Antoinette hat die Fassade vom Belvedere missfallen. Marie Theresia hat daher über die ganze Nordfassade eine Holzwand aufbauen lassen, also ein richtiges Gerüst mit Fenstern, und nach dem Stil der damaligen Zeit bemalen lassen. Fast das ganze Belvedere war nur sichtbar mit einer neuen Fassade, die ist zwei Meter vor der alten gestanden. Man musste durch die Kulisse durchgehen, wenn man hineinwollte. Also ein wunderbares Beispiel für ein 1:1-Modell. Oder denken Sie an Otto Wagners Museumsprojekt am Karlsplatz, oder an Plischkes Haus Gamerith, an Mies van der Rohe. Da wurde das Haus aus Holz und Segeltuch in wahrer Größe in die Landschaft hineingestellt, und der Bauherr konnte sich das anschauen. Und heute baut man aus rein pekuniären Gründen bei Hochhäusern auch schon einen Teil einer Etage im Voraus mit Teppich und allem, da kann der Professionist genau hochrechnen, was das insgesamt kosten wird. Das heißt, die Baukosten sind viel genauer. Aus reinen baukalkulatorischen Gründen wird das gemacht, aber auch für die Mieter natürlich, die noch was ändern wollen. Das kostet zwar, aber letztlich kann ich vorher schon verkaufen und weiß ganz genau, wo hab ich tragende Teile, wo kann ich bei den Zwischenwänden individuell variieren. Und jeder Professionist, ganz egal ob Maurer, Tischler oder Installateur, kann, sobald er wo unsicher ist, nachschauen, wo es z.B. Rohrverschneidungen etc. gibt. Denn wenn ein Professionist Unsicherheiten spürt, dann schlägt er das direkt auf die Kosten um. Große Bauwerke in der Antike haben eine sehr lange Bauzeit beansprucht. Im Normalfall hat irgendein Herrscher mit dem Mausoleum oder Palast, oder was auch immer, schon in seiner Jugend anfangen müssen. D.h. der Modellbauer hat auch den Stellenwert gehabt, dass man bereits vorher zeigen konnte, wie der Bau dann letztendlich einmal ausschauen wird.
Bei meinen eigenen Projekten kommt es natürlich auch vor, dass ich direkt am Grabungs-Campus eine sogenannte Architekturprobe 1:1 aus ergrabenen Blöcken zumindest teilweise aufbaue, dann mutiert eben das Studienmodell zu einem Stück Original.

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Für den Beitrag verantwortlich: Hintergrund

Ansprechpartner:in für diese Seite: Martina Frühwirthfruehwirth[at]azw.at

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