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TEC21 2009|03-04
Kleid und Wirkung
TEC21 2009|03-04
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Dreiklang in Grün

Die Wohnüberbauung Grünenberg der Zürcher Architekten Annette Gigon und Mike Guyer steht im Park der gleichnamigen Villa in Wädenswil ZH, im Spannungsfeld zwischen Natur, Industrie und heterogenen Wohnbauten. Drei polygonale Solitäre besetzen in versetzter Anordnung den Hang. Durch ihre subtile Farbigkeit fügen sich die Bauten sowohl in den Park als auch in die gebaute Umgebung ein, ohne beliebig zu wirken.

16. Januar 2009 - Tina Cieslik
Die Villa Grünenberg liegt an privilegierter Stelle: in Hanglage mit einem 180°-Panorama über den Zürichsee, inmitten eines Parks mit altem Baumbestand. Der Park selbst wurde um die Jahrhundertwende vom Unternehmer Heinrich Blattmann-Ziegler, dem Besitzer der unterhalb des Grundstücks gelegenen Fabrik, nach dem Vorbild spätklassizistischer Landschaftsgärten angelegt. Die Familie wohnte zunächst in unmittelbarer Nachbarschaft zum Unternehmen, auf dem Gelände des späteren Parks befanden sich Obstwiesen. Im nordwestlichen Teil des Grundstücks, dort, wo die heutige Wohnüberbauung steht, liess Blattmann ein Arboretum mit exotischen Bäumen anlegen. Einher mit dem steigenden Wohlstand der Familie ging dann der Wunsch nach einem repräsentativeren Wohnsitz: 1911 bauten die Zürcher Architekten Robert Bischoff und Hermann Weideli im Grünenberg-Park eine Villa für die Familie.[1]

Als Ensemble von Park und Fabrikantenvilla in Sichtweite des familieneigenen Unternehmens spiegelt das Anwesen den Lebensstil der beginnenden Industrialisierung am linken Zürichseeufer wider und wurde daher von der Denkmalpflege als regional bedeutsam eingestuft. Der letzte Grundeigentümer liess als Kompromiss zwischen wirtschaftlicher Nutzung des Geländes und denkmalpflegerischem Interesse am integralen Erhalt der Anlage einen privaten Gestaltungsplan entwickeln: das 23 000 m² grosse Grundstück wurde in mehrere Bauzonen aufgeteilt, die Villa blieb erhalten, 15 000 m² des Terrains sollten nicht überbaut werden und den Bewohnern als Grünfläche erhalten bleiben. Den Wettbewerb auf Einladung konnten im Sommer 2002 die Zürcher Architekten Annette Gigon und Mike Guyer für sich entscheiden.

Gegossener Stein

Von 2005 bis 2007 wurde die Zone im nordwestlichen Teil des Parks bebaut. Leitmotiv des Projekts war es, der Villa in Bezug auf Präsenz und Dominanz den Vorrang zu lassen und die Neubauten dem Park zuzuordnen. Diese Überlegung hatte Einfluss auf die Anordnung der Volumen im Gelände: Die versetzte Position der Häuser erlaubt Durch- und Ausblicke in den Park und auf den See. Aber auch die formale Gestaltung der Körper trägt dem Konzept Rechnung: Kompakt sitzen die drei Gebäude im Hang, Loggien und auskragende Betonelemente gliedern die in Grüntönen variierenden Baukörper. Die mehrseitig orientierten oder durchlaufenden Grundrisse bieten für jede der 30 Wohnungen Seesicht, ebenso wie eine optimale Besonnung der Innenräume. Dafür wurden acht verschiedene Wohnungstypen entwickelt, von nach drei Seiten orientierten Wohnungen über kreuzweise angeordnete Maisonette-Wohnungen bis zu über die ganze Bautiefe reichenden Wohnräumen. Zur Materialisierung der Fassaden wurde mit Beton ein Material gewählt, das durch seine steinerne Erscheinung die Volumina der einzelnen Bauten noch betont.

Farbigkeit in Licht und Schatten

Komplettiert wird dieses Konzept durch die Farbigkeit der Fassaden. Jedes der drei Volumen ist in einer schwer fassbaren Nuance von Grün gestrichen, das Spektrum reicht von hellem Gelbgrün beim Haus A, dem kleinsten der Gruppe, über dunkles Olivgrau bis zu Ockergrün bei Haus B und Haus C. Farbig ist nur die nach aussen gerichtete Oberfläche, Laibungen von Fenstern und die Innenseiten der Pfeiler der Loggien sind in sandgestrahltem Beton belassen. Die Farbe ist appliziert und kann in naher Zukunft schon fast wie Patina wirken. Je nach Lichteinfall oder bei Regen changiert das Erscheinungsbild, Assoziationen mit der Witterung ausgesetzten Findlingen drängen sich auf. Bei der Entwicklung des Farbkonzepts arbeiteten die Architekten mit Pierre André Ferrand zusammen, es ist das erste gemeinsame Projekt mit dem Genfer Künstler. Durch die unregelmässige Form der Bauten und ihre Lage im Hang, vor dem Hintergrund der spiegelnden Oberfläche des Sees, inmitten der alten Bäume, drängte sich für Ferrand die Assoziation von Klippen, von kompakten felsigen Volumen auf – dies umso mehr, als für die Häuser in dieser Phase noch keine auskragenden Balkone projektiert waren. Daraufhin war klar, dass jedes Gebäude monolithisch in einer einzigen, eher dunklen Farbe gestrichen werden sollte. Anzahl und formale Gestaltung der Bauten legten zudem eine bestimmte Beziehung zwischen den Gebäuden nahe: die Aufteilung A, B C (ein kleines, zwei grosse Gebäude) übersetzte sich beim Farbkonzept in zwei Tönungen des gleichen Farbspektrums, ergänzt um eine dritte Farbe, die nicht lediglich eine chromatische Variation der ersten beiden sein sollte. Dieser Kontrast innerhalb der Farbfamilie erlaubte es zum einen, die innere Einheit des Ensembles zu stärken und es gegen die benachbarten, rot getönten Gebäude abzugrenzen. Zum anderen sollte die Identifikation der zukünftigen Bewohner mit ihrem Wohngebäude gestärkt werden.

Aufgrund der Kompaktheit der Bauten tendierte Ferrand zu dunklen, mineralischen Tönen, die Bauherrschaft empfand diese aber als zu trist. Eine Lösung zeichnete sich durch die Vorliebe der Architekten für vegetabile Farben ab; trotz dem Risiko, dass ein auf den Beton aufgetragenes künstliches Grün mit der umgebenden Vegetation konkurrieren könnte. Das helle Grün von Haus A war die Ausgangsfarbe, es entspricht einer Schattierung, die die Architekten schon bei früheren Projekten[2] benutzten. Es wurde ergänzt durch ein Ockergelb- Grün, als dritte Farbe setzte sich ein Olivgrau durch. Bei der Auswahl war es wichtig, dass sich die Farben klar voneinander abgrenzten, um den dazwischen liegenden Raum grösser erscheinen zu lassen. Zudem bestand die Gefahr, dass sich, je nach Lichtverhältnissen und Blickwinkel, Wände zweier unterschiedlicher Häuser mehr glichen als die Wände desselben Gebäudes. Gleichzeitig galt es, eine Atmosphäre der Ruhe zu schaffen, ohne fade und langweilig zu wirken.

Die Farbe komplettiert den Entwurf und erweitert das Projekt um eine Dimension. Sie erlaubt die Verschränkung von Bauten und Park, auch wenn sich Ferrand rückblickend zumindest beim olivgrauen Haus B eine noch dunklere Schattierung gewünscht hätte.

Anmerkungen:
[1] Adrian Scherrer: Vom Garten zur Wohnlandschaft – Zur Geschichte des Grünenberg-Parks. Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2005, S.31 ff .
[2] Z.B. «Espace de l’art concret» (EAC) in Mouans Sartoux, Frankreich, 2004

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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