Zeitschrift

Steeldoc 01/09
Skyline - Hochhäuser in Stahl
Steeldoc 01/09
zur Zeitschrift: Steeldoc
Herausgeber:in: Stahlbau Zentrum Schweiz

Ohne Stahl kein Hochhaus

Der Schweizer Architekt Rolf Läuppi gilt als Pionier in der Entwicklung von Hochhäusern in Stahl. Was ihn besonders interessiert ist die Nachhaltigkeit von Bausystemen. In einem Gespräch mit dem Stahlbau Zentrum Schweiz antwortet er auf die Frage, weshalb in der Schweiz nicht häufiger in Stahl gebaut wird.

Stahlbau Zentrum Schweiz: Die aktuelle Hochhausdiskussion in der Schweiz widerspiegelt ein gesellschaftliches Bedürfnis. Sind Sie ein Verfechter von Hochhäusern für die Schweiz?

Rolf Läuppi: Hochhäuser sind in erster Linie Imageträger. Man baut Hochhäuser in eine Stadtlandschaft, um Akzente zu setzen und um Investoren eine Möglichkeit für ihre Corporate Identity zu bieten. Im Sinne einer Verdichtung mit Zentrumsfunktion sind hohe Häuser zwar sinnvoll, wie zum Beispiel in der City von Frankfurt, aber in Schweizer Städten verträgt es meiner Meinung nach keine wirklichen Wolkenkratzer. Ein Hochhaus muss in einer vernünftigen Relation zu der Umgebung stehen. Dies wiederum heisst, dass Hochhäuser in der Schweiz meist zu klein geraten.

Sie meinen, die Hochhäuser in der Schweiz müssten aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus eigentlich höher sein? Gibt es denn einen Break Even Point der Höhe?

Der Messeturm in Basel ist mit 120 Meter beispielsweise zu niedrig, um wirtschaftlich gut zu sein. Er sollte eigentlich 150 bis 200 Meter hoch sein. Es geht ja um die Gewinnung von Nutzfläche und da sind Faktoren wie die Anzahl der Kerne, die Ausbildung der Liftanlagen sowie die Erschliessung entscheidend. Bei einer Gebäudehöhe von 15 Geschossen müssen bereits alle Vorschriften für Hochhäuser erfüllt werden. Dies führt bei dieser Gebäudehöhe zu einem suboptimierten Kosten-Nutzen-Verhältnis. Bei etwa 50 Geschossen kann ein Optimum erreicht werden. Irgendwo bei 80 Geschossen hört die Wirtschaftlichkeit sowieso auf. Bei Rekord-Hochhäusern wie in Dubai spielt das aber alles keine Rolle. Dort steigt der Quadratmeterpreis mit zunehmender Höhe bis auf das Achtfache – und Investoren sind bereit, das zu bezahlen. Dort geht es eben um das Prestige, ganz oben zu sitzen.

Sie haben in Zürich mehrere grosse Überbauungen und Hochhäuser in Stahlbauweise vorgeschlagen. Wie erklären Sie sich, dass keines der geplanten Bauwerke in Stahl ausgeführt wurde?

Lassen Sie mich zuerst etwas Allgemeines zum Stahlbau sagen. Mit Stahl bauen fängt im Kopf an: die Fragestellungen sind klar zu formulieren, die Anforderungen an das Raumprogramm und die Abläufe im Gebäude zu strukturieren und alles ist in eine entsprechende Planung umzusetzen. Bauen mit Stahl verlangt Disziplin – dies betrifft auch den Bauherrn. Er muss die Vorteile des Stahlbaus und seine Gesetzmässigkeiten kennen. Es gibt Gebäude, die sich speziell für den Stahlbau eignen, z.B. jene, die den Gesetzmässigkeiten des Materials entsprechen und die sich einfach über ein Raster strukturieren lassen.

Was sind denn diese Gesetzmässigkeiten beim Stahlbau?

Die klare Trennung von Tragstruktur und Ins tallation zum Beispiel. Man sollte nie mit Lüftungen, Installationen etc. ins Tragsystem eingreifen, wie das meistens bei Betondecken gemacht wird. Auch das bedeutet Nachhaltigkeit! Was mache ich mit einem Be tonbau, bei welchem neben der Armierung auch noch die Leerrohre etc. eingelegt werden? Was geschieht damit beim Rückbau? Es muss mühsam und aufwendig getrennt werden, kostet Zeit und Energie und verursacht Emissionen durch Staub. Hinzu kommt der rasante Wandel bei der IT-Technik und der Elektroinstallation. Es ist nicht sinnvoll, die Leitungen fest zu verlegen, respektive in den Beton einzugiessen. Beim Stahlbau ist alles von vornherein bereits getrennt. Dies zeigt einmal mehr, wie effizient sich ein Gebäude über die Jahre nutzen lässt, wenn die dem Material immanenten Gesetzmässigkeiten eingehalten werden.

Hochhäuser würden sich also für die Stahlbauweise besonders eignen?

Ja klar. Für Stahl spricht zum Beispiel, dass zu jeder Jahreszeit gebaut werden kann, weil die Nachlaufzeiten für das Austrocknen wie bei der Betonbauweise weitgehend entfallen. Während oben das nächste Geschoss errichtet wird, kann im Erdgeschoss bereits mit der Montage von Fassaden begonnen werden. Zudem werden keine Gerüste benötigt, da die Fassadenelemente in die Stahlkonstruktion eingehängt werden. Diese Elemente können aufgrund der geringen Toleranzen im Stahlbau vorgefertigt und zum Termin der Montage angeliefert werden. So wies beispielsweise der Messeturm in Basel bei einer Höhe von 120 Meter lediglich eine Gesamtabweichung von 1 Millimeter pro Geschoss auf. Für die Fassade waren keine Justierschrauben notwendig.

Ihre eigenen Hochhausplanungen in Stahl konnten Sie nur im Mobimo-Tower in Zürich verwirklichen. Der Bau ist heute 8 Jahre alt. Wie beurteilen Sie das angewendete Bausystem aus heutiger Sicht?

Das Mobimo-Hochhaus ist immer noch beispielhaft. Es zeigt, dass man Minergie-Standards auch mit Stahl erreichen kann. Das ursprüngliche Hochhaus aus den 70er-Jahren war ja schon ein Stahlbau, weshalb sich die Aufstockung von 3 Geschossen in Stahl leicht umsetzen liess. Dem Gebäude wurde eine Doppelfassade als Energiegewinnungsanlage vorgehängt. Im Sommer dient diese Schicht als Klimaanlage. Vorbildlich war die Trennung von Tragwerk und Gebäudeinstallationen. Beim Mobimo-Tower haben wir einen klassischen Stahlbau mit Holorib-Decken. Alle Installationen wurden unten abgehängt. So konnte der gesamte technische Ausbau innert kürzester Frist ersetzt und aufgerüstet werden. Die Technikzentrale kam in den Keller und oben konnte man Nutzfläche gewinnen. Mit Stahl lassen sich Struktur und Installation klar trennen, was sich mittelfristig für den Bauherrn auszahlt.

Sie haben das Business Center Andreaspark in Zürich komplett in Stahl geplant. Ausgeführt wird es in Beton. Wieso?

Die Stahlvariante war etwas teurer. Diese Kosten wären durch die Vorteile der Stahlbauweise auf anderen Gebieten wieder wettgemacht worden. Nach dem Aufrichten der Stahlstruktur und der Montage der Slim-Floor-Decken hätten die Fassadenelemente lediglich eingehängt und der Doppelboden montiert werden können. Somit wäre das Gebäude innert kürzester Frist bezugsfertig gewesen! Das zeigt, wie kurzfristig man auch heute noch kalkuliert: es zählt einfach der Preis bei der Auftragsvergabe. Ich bin sicher, dass die Ausführung in Beton am Ende teurer zu stehen kam. Interessant wäre hier die Gegenüberstellung des Vorprojektes in Stahl mit der Ausführung in Beton. Vor allem auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit!

Stichwort Nachhaltigkeit. Sie gelten als Pionier des nachhaltigen Bauens. Wie weit sind wir heute damit?

Ich habe schon vor 20 Jahren nachhaltige Gebäude in Stahl entwickelt. Am Ende wurden alle Projekte in Beton ausgeführt, weil die Betondecke pro Quadratmeter etwas billiger war. Die Vorteile der Stahlbauweise sind ja nicht nur wirtschaftlich, sondern eben auch ökologisch von Bedeutung. Stahl ist ein Recyclingprodukt, die Bauweise ist leicht, flexibel, einfach demontierbar und äusserst materialoptimiert – beim Stahlbau kommen nur so viele Elemente auf die Baustelle, wie unmittelbar benötigt werden: keine Materialverschwendung! Weil beim Stahlbau vorausgedacht wird und man damit Planungs- und Fabrikations fehler, die teuer und ineffizient sind, vermeidet. Das zeigt sich auch im Unterhalt: die Konstruktion ist immer zugänglich und kontrollierbar.

Was braucht es, damit Investoren auch die ökologischen Vorteile des Stahlbaus nutzen?

Der Stahlbau war bis jetzt immer im Nachteil wegen der hohen Präzision, die er erfordert. Das bedeutet quasi eine Planungs-Investition, die keiner übernehmen will. Aber was uns in nächster Zeit beschäftigen wird, ist die Definition von standardisierten Bauteilen. Im Flugzeugbau ist es schon lange üblich, die Eigenschaften der Bauteile zu beschreiben, so dass jedes Element überall auf der Welt beschafft werden kann. Diese Situation werden wir auch im Bauwesen bekommen. In den skandinavischen Ländern und Amerika baut man bereits die ersten Gebäude nach diesem System. Das könnte der Durchbruch für den Stahlbau sein, weil man dann alles vorab definieren muss. Dabei wird auch eine ökologische Bewertung von Bauteilen verlangt, verbunden mit einer Deklaration woher die Produkte kommen, wie sie produziert werden, welches die Umweltauflagen sind.

Inwiefern ist das Zukunftsmusik für die Schweiz?

Ansätze dafür gibt es heute in der Schweiz mit dem Bauteilkatalog. Aber es fehlt eine Kontrollinstanz, die das fertige Objekt untersucht und bewertet. Das Ziel müsste ein Gebäudepass sein, z.B. müsste bei der Bauabnahme eine Thermographie geliefert und Bauschäden an der Aussenhaut bekannt gemacht werden. Ganz dringend muss der Energieverbrauch aufgeführt werden – auch bei einer Sanierung sollte der Passivhausstandard gefordert werden.

Energieeffizienz ist auch beim Hochhausbau ausschlaggebend. Gibt es den grünen Wolkenkratzer?

Das Business Center Andreas Park ist das erste als Passivhaus zertifizierte Hochhaus mit dezentraler Haustechnik und aktiver Kühlung. Bei der Simulation zeigte sich ganz klar, dass ein energieeffizientes Gebäude mit Erdsonden nicht schwer, sondern leicht gebaut sein sollte.

Ich würde mir heute zutrauen, einen grünen Wolkenkratzer in Stahl zu bauen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Steeldoc

Ansprechpartner:in für diese Seite: Evelyn C. Frischinfo[at]szs.ch

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