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db deutsche bauzeitung 02|2010
Material wirkt
db deutsche bauzeitung 02|2010

Schmuckhaut vom Baumarkt

Sporthalle Reiferbahn in Schwerin

Der enge Kostenrahmen machte es den Architekten nicht leicht, dem disparaten Umfeld etwas Wertigkeit zukommen zu lassen. Mit der dreidimensionalen Struktur von Aluminium-Streckmetalltafeln belebten sie die großen Fassadenflächen des Baukörpers. Sie erscheinen je nach Blickwinkel durchscheinend oder metallisch reflektierend. Zu Kreissegmenten gebogene Platten bringen zusätzlich Bewegung in die Fläche der Längsseite. Der Versuch, mit wenig viel zu erreichen, ist nicht in aller Konsequenz erfolgreich verlaufen.

9. Februar 2010 - Mathias Remmele
Eine Dreifeldhalle gemäß DIN 18032 gehört wahrlich nicht zu den attraktivsten und prestigeträchtigsten Aufgaben des Architektenberufs. Um so weniger, wenn eine solche Funktionskiste mit minimalem Budget und an einer verkehrsreichen innerstädtischen Einfallstraße zu realisieren ist. Im Normalfall wird dafür, ohne besondere gestalterische Energie aufzuwenden, eine pragmatisch-praktische Lösung gesucht.

Eine Ausnahme von dieser Regel bildet die Dreifeldhalle »Reiferbahn«, die das dort ansässige Architekturbüro jäger jäger in der Mecklenburg-Vorpommerschen Landeshauptstadt Schwerin errichtete. Denn hier ist, trotz Vorgabenkorsett und karger Finanzen eine Sporthalle entstanden, die, zumindest in ihrer äußeren Erscheinung, nicht nach der Norm geraten ist.

Damit ist freilich schon angedeutet, dass sich das Interesse an diesem Bau auf die Fassade konzentriert und über das Innere der Halle nicht viele Worte zu verlieren sind. Programmflächen, Materialeigenschaften und Belichtung – hier ist vieles durch die DIN geregelt und entsprechend ausgeführt. Erwähnenswert ist neben der kleinen, karg gestalteten Besuchertribüne für exakt 199 Zuschauer, die sich oberhalb der Geräteräume befindet, das Eingangsfoyer. Seitlich aus dem Gebäudevolumen herausragend, ist es als kleine, doppelstöckige Halle ausgeführt. Ebenerdig sind von hier aus die Umkleiden erreichbar, eine einläufige Treppe erschließt die Besuchertribüne. Der Raum, der durch seine ungewöhnlichen, aber ansprechenden Proportionen gefällt, ist so dimensioniert, dass er auch für kleinere Empfänge und Feiern genutzt werden kann.

Dynamisches Erscheinungsbild

Die vom nahe gelegenen Gymnasium Fridericianum für den Schulsport und auch vom Sportverein Grün-Weiß Schwerin genutzte Halle liegt an der Reiferbahn, einer, an der Bahntrasse entlang führenden, innerstädtischen Erschließungsstraße, die vorwiegend dem Autoverkehr dient und nicht nur deshalb jeglichen Charme vermissen lässt. Die städtebauliche Situation zwischen der Straße, der Rückseite einer zur Wohnanlage umgebauten alten Kaserne und den Hinterhäusern der Wallstraße schien den Architekten dabei so hoffnungslos, dass sie die Halle demonstrativ als kubischen Solitär auf das dafür vorgesehene Areal platzierten. Um sie in diesem disparaten Umfeld dennoch hervorzuheben, entschlossen sie sich, den kantigen, auf die Reiferbahn ausgerichteten Baukörper in eine auffällige, weil außergewöhnliche Hülle zu stecken – in ein Kleid aus schimmernden Aluminium-Streckmetall-Tafeln. Während sich diese horizontal geschichtete Metallhaut an den geschlossenen Seiten sowie an der Rückfassade der Halle als plane Fläche präsentiert, wölbt sie sich auf der Schauseite zur Straße hin in einer gleichmäßig rhythmisierten Wellenbewegung auf. Vorgegeben wird der Rhythmus durch schmale, hochrechteckige Fensteröffnungen, die, in mehreren Reihen übereinander und jeweils zueinander versetzt, die Fassade rasterförmig gliedern. Fast macht es den Eindruck, als hätten die opaken Fensterschlitze, um sich Platz zu schaffen, die Metallplatten zusammengeschoben und dadurch deren nach außen gerichtete Wölbung verursacht. Die optische Wirkung der asymmetrisch ausgebildeten konvexen Ausbuchtungen der Streckmetall-Tafeln, die der Fassade zugleich Plastizität und Dynamik verleihen, ist beachtlich. Geschickt verstanden es die Architekten die strukturelle Besonderheit des Streckmetalls zu nutzen: Wer das Gebäude betrachtet, sieht, je nach Perspektive, mal eine weitgehend geschlossene, das Licht reflektierende, mal eine semi-transparente Metallhaut, die den Blick auf die darunter liegenden tragenden Außenwände freigibt. Und wer an der Halle vorbeigeht, dem mag es vorkommen, als ob quasi die gesamte Gebäudehülle dynamisiert sei und jede Bewegung nachvollziehe. Das ist ein schöner Effekt, ebenso schön wie die Reflexion des Sonnenlichts auf der silbrig glänzenden Aluminiumhaut, die das Gebäude bisweilen überaus kostbar erscheinen lässt.

Freilich, auch in Schwerin scheint nicht alle Tage die Sonne. Und so ist es gerade die industrielle Anmutung des Streckmetalls, die einerseits den Architekten faszinierte und zur Wahl dieses Materials anregte, die andererseits aber auch dazu führt, dass die Sporthallenhaut (vor allem an den drei Gebäudeseiten, an denen die Metalltafeln eine ebene Oberfläche bilden) abhängig vom Blickwinkel und den Lichtverhältnissen ungefähr die gleiche ästhetische Wertigkeit vermittelt wie eine billige Baumarktfassade. Der Sporthalle mit Hilfe der Metallhülle etwas vom Charakter eines Gewerbebaus zu verleihen, um auf diese Weise die solitäre Sonderstellung des Gebäudes zu betonen, erweist sich also als zweischneidige Maßnahme. Das wiegt umso schwerer, als die Streckmetall-Haut der Halle rein als »Schmuckkleid« ohne weitere Funktion konzipiert ist. Akustisch oder bauphysikalisch bleibt sie ebenso wirkungslos wie als »Schutzschild«. Zwar haben Sprayer wenig Freude am Streckmetall, gegen einen Vandalismus der gröberen Sorte ist das Material aber nicht gefeit, wie vor Ort die zahlreichen unschönen Trittdellen im unteren Bereich der Fassaden bezeugen.

Wenn es richtig ist, dass sich die Qualität eines gestalterischen Produkts an den Detaillösungen erweist, vermag die Fassade der Sporthalle auch in dieser Hinsicht nicht immer zu überzeugen: Da ist etwa die bei genauer Betrachtung recht auffällige, von unten nach oben mit jeder Reihe zunehmende Größe der Öffnungen in den Metalltafeln, die eigentlich dem Zweck dienen sollte, die Fassadenhaut optisch möglichst homogen erscheinen zu lassen. Die feinen Übergänge in der Öffnungsweite, die dafür notwendig gewesen wären, ließen sich aber mit den Standard-Tafeln, die aus Budgetgründen verbaut werden mussten, nicht erreichen. Jetzt entfalten die unterschiedlichen Maschenweiten der Streckmetallpaneele leider eine eher gegenteilige Wirkung.

Da sind die Ecken der Straßenfront, wo die Aufwölbungen der Metallpaneele genau an der Stelle abbrechen, an der der Fassadenraster nicht mehr aufgeht und man den Eindruck gewinnt, als hätten sich die Architekten hier vorschnell mit der einfachsten Lösung zufrieden gegeben. Da ist die unterste Reihe der gewölbten Bleche, die aufgrund des leicht abschüssigen Geländes zum Teil stark angeschnitten werden mussten. Da sind schließlich die fünf versetzt übereinander gestaffelten Fensterreihen der Hauptfassade, die von außen betrachtet zwar ein grafisch ansprechendes Bild abgeben, aber fast zur Hälfte nur der Fassadengrafik dienen, weil ein großer Teil hinter der Dachkonstruktion bzw. hinter der die Spielfläche begrenzenden Prellwand verborgen liegt. Ein zwiespältiger Eindruck also, den dieses an sich ambitionierte Projekt am Ende hinterlässt.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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