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db deutsche bauzeitung 03|2010
Außenräume
db deutsche bauzeitung 03|2010

Eine Insel um den Ozean

Plaza de España in Santa Cruz auf Teneriffa (E)

Durch das große runde Meerwasserbecken auf der Plaza de España in Santa Cruz de Tenerife wird symbolhaft die Verbindung der Stadt zum Meer geschaffen. Der Platz, der sich wie ein Querschnitt durch die Vegetation und Tektonik der Insel liest, ist binnen kurzer Zeit zum beliebten Treffpunkt der Bewohner geworden. Ob flanieren, sonnen, lesen, spielen, schwatzen oder skaten – alles ist hier möglich.

3. März 2010 - Ulrike Kunkel
Sonnenschein und unbeschwertes Strandleben am tief blauen, stets angenehm warmen Atlantik – Sommer ein ganzes Jahr lang: Teneriffa ist für viele der Inbegriff von Urlaub und wohl kaum jemand würde die kanarische Insel auf Anhieb mit anspruchsvoller Architektur oder Außenraumgestaltung in Verbindung bringen. Doch so unterschiedlich die Vegetation von Nord nach Süd ist, so unterschiedlich ist zum Glück – zumindest teilweise – auch die Bebauung. Während der karge, wasserarme und sonnenverwöhnte Inselsüden vom Massentourismus mit all seinen unangenehmen Begleiterscheinungen schwer gezeichnet ist und sich die aneinandergereihten Hotelanlagen an Belanglosigkeit gegenseitig überbieten, finden sich auf der wasser- und vegetationsreicheren Nordseite noch ruhigere Orte. Auch viele der Hotels haben hier ein etwas anderes Gesicht, so z. B. einige fein gegliederte, relativ gut erhaltene Hotelhochhäuser aus den 60er Jahren in Puerto de la Cruz.

Architektonische Zeichen in der Hauptstadt

In der im Nord-Osten gelegenen Hafenstadt Santa Cruz spürt man vom Tourismus nur wenig. Ihre wirtschaftliche Bedeutung verdankt die Stadt dem konsequenten Ausbau des Hafens seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Zusammen mit Las Palmas auf Gran Canaria teilt sie sich abwechselnd die Hauptstadtfunktion der autonomen spanischen Provinz Canarias. Der Mix aus Kolonialbauten, Ensembles des Jugendstils, des Art déco und der Moderne, durchsetzt mit durchaus brachial zu nennenden Spekulationsbauten, machen Santa Cruz erfreulich »normal«. Doch besteht, wie so oft, ein entscheidendes Defizit der Stadt darin, dass sie durch eine mehrspurige Hauptstraße sowie vorgelagerte Industrie- und Hafenareale vom Meer abgeschnitten ist. Die Stadtverwaltung hat dieses Manko zwar erkannt, von dem umfassenden, seit 1998 u. a. von Herzog & de Meuron entwickelten Konzept, wie die Stadt sich zum Meer hin öffnen ließe, wurde bislang allerdings nur ein erster, wenn auch wichtiger und überaus gelungener Teil umgesetzt. Dabei handelt es sich um die Neugestaltung der Plaza de España, dem wichtigsten Platz von Santa Cruz. Ehemals verkehrsumtost und vom klobigen »Monumento de los Caidos« der Franco-Ära unangenehm dominiert, ist nach der Umgestaltung ein urbaner Ort mit hoher Aufenthaltsqualität entstanden. Ein Platz, der unterschiedliche Angebote macht und sowohl neuer touristischer Anziehungspunkt als auch Identifikations- und Treffpunkt für die Bewohner geworden ist. Das monströse Denkmal wurde zwar erhalten, bildet aber nicht mehr den Platzmittelpunkt, sondern liegt etwas abseits im westlichen Teil.

Wie ein kleiner Ozean

Neuer Mittelpunkt und wesentliches Gestaltungselement dieses, am Rande der Innenstadt gelegenen Platzes, ist ein kreisrundes, bis zu einem Meter tiefes, im Durchmesser knapp 80 m messendes Meerwasserbecken. Die abschließend polierte Oberfläche des Beckens besteht aus weißem, Kunstharz gebundenen Marmorkies. Der Verlauf der Festungsmauern des unter dem Wasserbecken in Teilen erhaltenen »Castillo de San Cristóbal« ist als schwarze Linie markiert. Über einen etwas lieblos gestalteten Ab- und Zugang steigt man zu den Überresten der wehrhaften Mauern hinunter, eine kleine Ausstellung informiert über die Geschichte des Castillos und die Stadtbefestigung Santa Cruz’. Aus verschieden hohen Metallrohren schießt vier Mal täglich aus dem Wasserbecken für einige Minuten eine Fontäne empor und zeigt den Wechsel der Gezeiten an; analog zu den Gezeiten ändert sich auch die Höhe des Wasserspiegels. Da das Wasser aber nie bis ganz an den Beckenrand heranreicht, kann man im Becken immer sowohl am Wasser entlang als auch im Wasser gehen – ganz wie am Strand! Den Abschluss des Beckens bildet ein wulstartiger Rand, der unterschiedlich tief in den umgebenden Asphalt eingebettet ist, so dass sich verschiedene Sitzhöhen ergeben. Der glatte, fast schwarze Asphalt mit weißer Marmorkies-Beimischung umfließt das Becken und »ergießt« sich über die Platzfläche. Er erinnert an Lavaströme und an vulkanische Gesteinsformationen der Insel.

Querschnitt durch die Insel-Vegetation

Rund um das Wasserbecken lenken drei größere Pavillons und mehrere kleine »Verkehrsbauten«, die u. a. die Abgänge zur Tiefgarage markieren, die Aufmerksamkeit auf sich. – Keine Architekturen im eigentlichen Sinne, sondern asymmetrische Pavillon-Skulpturen, gebildet aus schrägen Ebenen, die sich aus dem Asphalt herausschieben bzw. in der Platzkruste einnisten und mehr oder minder entfernte Verwandtschaft zu Naturformen haben, ohne diese nachzuahmen. Ihre schroffen Oberflächen werden aus schwarz besprühtem Spritzbeton mit dunklen Zuschlagstoffen gebildet. Sie nehmen Motive wie Eruption und Erosion auf, die die bizarre Formenwelt der Kanarischen Inseln prägen. Doch auch die reiche und sehr unterschiedliche Vegetation Teneriffas wird zum Thema: Der französische Botaniker und Gartenkünstler Patrick Blanc verwandelte die Dachflächen in wild blühende Gärten bzw. in karge Kakteenlandschaften. Die unterschiedlich großen, locker über den Platz verteilten Baumscheiben komplettieren den Querschnitt durch die Insel-Vegetation: Jeweils ein Baum oder Strauch wird pro Scheibe gelungen in Szene gesetzt.

Die Transformation des schwarzen Lavagesteins in schwarzen Spritzbeton mag vom Konzept her zwar reizvoll erscheinen, überzeugt vor Ort allerdings nur bedingt, zumal der Beton bereits unschöne Alterungsspuren zeigt. Auch werden die Pavillons nur während der Hochsaison als Touristeninformation und zum Verkauf von Kunsthandwerk genutzt und geben in der übrigen Zeit des Jahres beim Näherkommen ein leicht verwahrlostes Bild ab. Dennoch atmet das Gesamtkonzept etwas vom Geist des kanarischen Künstlers und Architekten César Manrique, der stets im Einklang mit der Natur entwarf.

Belebt, bei Tag und bei Nacht

Am Abend wird der Platz durch hunderte von »Lampions« erleuchtet. Das Licht kommt von speziell für den Ort entworfenen, unterschiedlich großen, gläsernen Leuchtkörpern, die an Seifenblasen erinnern und den Platz wie Lichterketten überspannen. Die relativ hellen Leuchten tauchen die Plaza, die selbst im Januar am Abend fast noch belebter ist als am Tag, zusammen mit unter Wasser Strahlern in ein sehr angenehmes Licht und verleihen ihr eine rustikal festliche, leicht märchenhafte Atmosphäre.

Tagsüber und auch am Abend nimmt der Platz bereits jetzt eine wichtige Gelenk- und Mittlerfunktion zwischen Stadt und Hafen wahr. Durch das große (Meer)wasserbecken am Rande der Innenstadt als Verbindungselement zwischen Stadt und Meer, rückt das Wasser endlich zumindest symbolisch wieder an die Stadt heran und wird von ihr umschlossen. Wünschenswert wäre natürlich dennoch, dass die weitreichenden Pläne, die das Meer für die Stadt wieder erlebbar und nutzbar machen sollen, in den nächsten Jahren peu à peu umgesetzt werden. Derzeit liegen sie leider erst einmal auf Eis, so dass die Plaza de España wie ein schöner Torso und Vorbote auf weitere architektonische Interventionen am Rande der Innenstadt strahlt.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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