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werk, bauen + wohnen 04-10
Nicht gebaut
werk, bauen + wohnen 04-10
zur Zeitschrift: werk, bauen + wohnen
Nicht gebaut
Architektur ist dazu bestimmt, gebaut zu werden. Erst wenn Kontext, Konstruktion, Räume, Materialien und Oberflächen physisch abrufbar sind, erwacht ein Gebäude zum Leben. Oft bleibt Architektur jedoch Papier und Modell – und gilt dann als «gescheitert». Trotzdem kann sie sich immer wieder in ihrer visionären Form eines blossen Projekts in den Köpfen festsetzen, ein Eigenleben und eine grosse Wirkungsmacht entfalten oder gleich eine stürmische Debatte auslösen, wie das berühmte Beispiel von Le Corbusiers Wettbewerbsbeitrag für den Völkerbundpalast 1929 zeigt. Jede Architektin, jeder Architekt verfügt über ein mehr oder weniger grosses Portfolio an Ungebautem. Deshalb spürt dieses Heft für einmal jener Architektur nach, die es in der Regel nicht in die Zeitschriften schafft.
Gründe für das Nicht-Bauen gibt es vermutlich mehr als für das Bauen: Die Baukosten mögen aus dem Ruder laufen, der Bauherr hat es sich anders überlegt, die Konjunktur kann einbrechen oder eine Volksabstimmung ein Projekt zu Fall bringen … Manchmal ist es aber einfach nur der Ort, der sich allen Planungen hartnäckig zu widersetzen scheint. Dieter Schnell erzählt die Geschichte des Klösterli-Areals in Bern, an dem zuletzt im 19. Jahrhundert gebaut wurde und sich seither Generationen von Architekten erfolglos die Zähne ausgebissen haben. Auf den Architekturwettbewerb als «Fabrik» unzähliger nicht gebauter Projekte werfen wir einen ungewohnten Blick. Ein Forschungsteam unter Obhut des SIA durfte hautnah bei der Arbeit mehrerer Jurys mit dabei sein und kommt dabei zu bemerkenswerten Erkenntnissen: Entscheidungsprozesse verlaufen nicht unbedingt geradlinig, im Gegenteil.
Ein besonderes Genre der Papierarchitektur stellen die manchmal detailgenauen Rekonstruktionen und Übertragungen literarisch überlieferter Bauten dar. Die Beschreibungen des salomonischen Tempels in Jerusalem oder der beiden Villen des Plinius forderten in späteren Lesarten geradezu zum Zeichnen heraus: Auf den Plänen wuchsen Bauten, die es so nie gegeben hat.
Die Bedeutung des ungebauten Werks steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Mechanismen der Publikation. Dies erkannte das Office for Metropolitan Architecture OMA, das in seiner Automonografie «S,M,L,XL» den drei Projekten Seeterminal Zeebrugge (Bild), ZKM Karlsruhe und Très Grande Bibliothèque in Paris über 180 Seiten Platz einräumt. Die umfangreiche Veröffentlichung verhalf insbesondere der Bibliothek – obgleich nicht gebaut – zu einem respektierten Platz in der jüngeren Architekturgeschichte. Mit dem einen oder anderen nicht Gebauten konfrontiert ist schliesslich Fritz Schuhmacher, Stadtbaumeister in Basel. Im Interview beschreibt er die politische Feinmechanik in einer direktdemokratischen Gesellschaft und erklärt, warum bestimmte Projekte an der Urne einfach keine Gnade finden.
Die Redaktion

Klaus Jan Philipp
Ohne Beweislast: Rekonstruktionen nach literarischen Vorgaben

Frank Boehm
Paris im Jahre Null: Das Projekt für die Très Grande Bibliothèque in Paris von OMA / Rem Koolhaas, 1989 und seine Auswirkungen

Jan Silberberger, Joris Van Wezemael, Sofia Paisiou
Hinter den Kulissen. Was Sie schon immer über Architektur-Wettbewerbe wissen wollten

Dieter Schnell
Ein widerspenstiger Ort: Beplant – heiss diskutiert – nie gebaut: das Klösterli-Areal in Bern

Fritz Schumacher, Stadtbaumeister in Basel, im Gespräch mit Nott Caviezel und Tibor Joanelly
Das Volk hat meistens Recht

Orte: Roman Signer
EFH: Wohnhaus in Haldenstein von Robert Albertin
Wettbewerb für den Neubau des Naturmuseums in St. Gallen
Zum werk-material: Kasernen-Parking in Aarau von Schneider & Schneider Architekten
Zum werk-material: Audi Terminal AMAG Bern von GWJ Architekten
Innenarchitektur: Umbau der Basler Confiserie Bachmann durch HHF Architekten Basel
Umbauten: Umbau und Umnutzung des Kosthauses Triesen (FL) in eine Kindertagesstätte von den Architekten Uli Mayer und Urs Hüssy
Ausbildung: Modellbau im digitalen Zeitalter
Raumplanung: Gemeinnütziger Wohnungsbau – bodenlose Zukunft?
Rezension: Zur Darmstädter Ausstellung über das Werk von Joseph Maria Olbrich
bauen rechten: Zonenkonformität
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werk-material
Schneider & Schneider Architekten, Aarau: Kasernen-Parking, Aarau AG
GWJ Architekten, Bern: Audi Center AMAG, Bern

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