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hochparterre 01-02|2011
Zeitschrift für Architektur und Design
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S AM wieder auf Kurs

Das Architekturmuseum Basel hat die Schulden getilgt. Parallel zur neuen Ausstellung sagt die Direktion, wohin die Reise geht.

18. Januar 2011 - Roderick Hönig
Wie geht es dem S AM ein Jahr nach der Krise?
Sandra Luzia Schafroth: Es geht uns gut. Wir sind zwar noch immer in der Konsolidierung und diese wird auch nicht von heute auf morgen abgeschlossen sein. Aber die Schulden sind bereinigt. Unser Jahresbudget wurde bis auf Weiteres auf 680 000 Franken angepasst — gegenüber 1,1 Millionen Franken vor der Krise. Das ist zwar ein kleines Budget, dafür ist es bis Ende 2011 gesichert. Projektbezogen versuchen wir, laufend zusätzliche Einnahmen zu generieren; 2010 gelang uns dies in der Höhe von rund 200 000 Franken.

Heisst «Schulden bereinigt», dass das Museum alle offenen Rechungen, insgesamt rund 800 000 Franken bezahlen konnte? Sandra Luzia Schafroth: Ja, wir haben keine offenen Rechnungen aus Altlasten mehr. Wir konnten mit jedem der rund 200 Gläubiger einzelne Vereinbarungen treffen und wir freuen uns, dass wir mit allen Lieferanten auch in Zukunft weiterarbeiten können. Wir konnten Schritt für Schritt die Schuldlast abtragen. Einige Gläubiger haben sogar auf Teile ihrer Forderungen verzichtet. Dank der finanziellen Unterstützung von Stiftungen, privaten Gönnern, einigen Ingenieur- und Architekturbüros, dem SIA (mit einem zinslosen Darlehen von 100 000 Franken) und dem BSA konnten die Rechnungen beglichen werden. Während und besonders nun, nach der Krise, erfuhren wir eine grosse Solidarität aus der ganzen Schweiz, viele Architektur- und Ingenieurbüros, aber auch Kunst- und Kulturinstitutionen, Firmen und Private haben das S AM unterstützt.

Welche neuen Geldgeber sind dazugekommen?
Hubertus Adam: Seit Sommer 2010 bezahlt der Kanton Basel Stadt jährlich 80 000 Franken ans Budget. Mit dem Bund sind wir noch in Verhandlung. Wir glauben aber fest, dass er Architekturvermittlung mehr fördern sollte, weil Architektur ein wichtiger Faktor für die Aussen-, aber auch Innenwahrnehmung der Schweiz ist.

Wie steht es um die Sponsoren?
Sandra Luzia Schafroth: Neue Sponsoren sind seit der Krise noch nicht dazu gekommen, wir haben aber projektbezogen doch einige gewinnen können und unsere aktuellen Gespräche etwa mit Vertretern der Bauindustrie lassen uns hoffen. Die Unsicherheit, die durch die Krise auf Sponsorenseite entstanden ist, ist verständlich, trotzdem ist niemand abgesprungen. Wir sind überzeugt, dass wir das Vertrauen wieder gewinnen können oder sogar bereits wieder gewonnen haben.

Wie viele Ausstellungen pro Jahr sollen mit dem knappen Budget von 680 000 Franken zu sehen sein?
Hubertus Adam: Drei, eine davon eine Eigenproduktion. Was aber nicht heisst, dass Übernahmen weniger kosten und keine Arbeit bedeuten: Fremde Ausstellungen müssen an unsere Räume und auch ans Schweizer Publikum angepasst werden. Je nach Ausstellung ist der Aufwand grösser oder kleiner.

Francesca Ferguson hat 2009 das Museum verlassen. Wieso ist so viel Zeit vergangen, bis eine neue künstlerische Leitung eingesetzt wurde?
Sandra Luzia Schafroth: Das Museum war unter mir inhaltlich keineswegs führungslos, zudem hat mich der künstlerische Beirat stark unterstützt. Wir konnten nach der Sanierung bereits ab Januar 2010 mit einem neuen Programm beginnen — die «Environments-and-counter-Environments»-Ausstellung war ein voller Erfolg und auch die Gesprächsreihe «expanding museum » war gut besucht. Wir mussten in dieser Zeit aber Prioritäten setzen: Die Konsolidierung war vordringlicher. Erst als wir sahen, wie es weitergehen könnte, als die ersten Budgets fixiert und angepasst waren, die erste neue Ausstellung lief und wir viele Gespräche geführt hatten, haben wir dem Stiftungsrat die aktuelle Lösung einer Co-Leitung von «Artistic Director» und «Managing Director» vorgeschlagen. In unseren Augen ging das so schnell wie möglich.

Wieso wurde die Stelle nicht ausgeschrieben?
Sandra Luzia Schafroth: Bevor das Museum nicht wieder einigermassen auf Kurs ist, ist eine Ausschreibung unrealistisch. Die Konsolidierung wird noch einige Zeit dauern. Hubertus Adam ist als künstlerischer Leiter mindestens bis Ende 2012 tätig, dann soll die Stelle international ausgeschrieben werden. Hubertus Adam: In der aktuellen Konsolidierungsphase sind die Aufgaben des Managing Directors vordringlich. Wir sind zwar auf gutem Weg, aber es gibt noch so viel zu tun in diesem Bereich. Zukünftiges Ziel ist ganz klar eine Co-Leitung, bei der die künstlerische und administrative Direktion hinsichtlich der Stellenprozente paritätisch besetzt sind.

Mehr Schweizbezug

Als künstlerischer Leiter haben Sie nicht nur die Aufgabe, das Museum mit Ausstellungen und Debatten zu bespielen, sondern auch die Institution zu profilieren und zu positionieren. Wohin soll die Reise gehen?
Hubertus Adam: Wir wollen das S im S AM wieder stärken, ohne dass sich das Museum, im Sinne einer Nabelschau, nur um die Schweiz kümmert. Mit «grenzüberschreitenden» Ausstellungen wollen wir versuchen, das Museum gegenüber anderen Disziplinen zu öffnen und die Zusammenarbeit — bei der aktuellen Viebrock-Ausstellung etwa mit dem Theater Basel und der Nationalbibliothek Bern — mit anderen Institutionen zu fördern. Damit wollen wir neben Architektinnen und Architekten ein erweitertes, kulturell und an Gestaltungsfragen interessiertes Publikum ansprechen. Wichtige Rolle werden auch Debatten spielen, das heisst, wir wollen nicht nur Ausstellungen organisieren, sondern den Diskurs direkt mit dem Publikum führen.

Können Sie konkrete Beispiele nennen?
Hubertus Adam: 2011 werden wir die Ausstellung des Brückenbauers Jürg Conzett aus dem Schweizer Pavillon der Architekturbiennale Venedig 2010 übernehmen. Danach zeigen wir voraussichtlich «Architektur, wie sie im Buche steht», eine Ausstellung des Architekturmuseums der TU München, die wir für die Schweiz adaptieren. Ende 2011 wird eine Ausstellung zur Schweizer Architektur im Ausland zu sehen sein. Im Vordergrund steht dabei die Frage, welche Büros mit welchen Strategien im Ausland erfolgreich sind. 2012 organisieren wir dann eine Ausstellung zum Thema «Architektur und Biologie». Darin wollen wir aufzeigen, was biologische Forschung mit der Entwurfsgenese in der Architektur zu hat.

Das S AM nennt sich Museum, funktioniert aber wie eine Kunsthalle. Wie steht es um das Thema Sammeln?
Hubertus Adam: Wir wollen und können aufgrund mangelnder räumlicher und personeller Ressourcen nicht zu Institutionen, die archivieren, inventarisieren und konservieren, in Konkurrenz treten. Es gibt zwar diesen Ast im S AM — das Museum besitzt Nachlässe —, aber uns fehlten bislang die Kapazitäten für die Aufarbeitung. Wenn schon «Forschung und Dokumentation », könnten wir uns vorstellen, das Thema «oral history» zu besetzen. Mit der Dokumentation von Interviews und Befragungen von Architekten liesse sich mit vergleichsweise einfachen Mitteln ein Kompetenzzentrum aufbauen. Sandra Luzia Schafroth: Uns fehlt letztlich auch eine Art Kabinett, in welchem man zeitlich flexibel gute Studioausstellungen zeigen könnte. Unsere vier Ausstellungssäle sind kaum einzeln bespielbar.

Selbst wenn wir einen Vortrag veranstalten, müssen wir auf auswärtige Räume ausweichen. Das ist immer ein zusätzlicher finanzieller und personeller Aufwand.

Wie steht es jetzt um eure Publikationen?
Hubertus Adam: Die Katalogreihe mit dem Christoph Merian Verlag wird bei eigenen Ausstellungen fortgeführt — am 21. Januar erscheint anlässlich der Museumsnacht der Katalog zur Anna-Viebrock-Ausstellung. Zu jeder Ausstellung erscheint überdies eine Zeitung mit Grundinformationen für die Besucher und einem Überblick über die aktuellen Aktivitäten des S AM. Beide Publikationen sind deutsch / englisch und, sofern es das Budget erlaubt, auch französisch.

Wenn Sie das S AM zwischen Architekturinstitut, Museum, Kunsthalle und Forum positionieren müssten, wo käme es zu liegen?
Hubertus Adam: Wir wollen ein Kompetenzzentrum für Architektur sein. Das S AM hat darum Kunsthallencharakter mit Forumsaspekten. Weil aber nicht alle Besucher Architekten sind und viele aus dem Ausland kommen, bieten wir auch ein niederschwelliges Angebot an, etwa Architekturführungen. Trotzdem nennen wir uns Museum— vielleicht sind wir eine neue Art eines Museums. Unsere Exponate stehen auch in Basel, der Region, der Schweiz und darüber hinaus.


Wie definieren Sie ihr Zielpublikum?
Hubertus Adam: Unser Stammpublikum sind Architekten oder Menschen aus architekturnahen Bereichen, aber auch solche, die an Kultur im weitesten Sinne interessiert sind. Sandra Luzia Schafroth: Die Besucher sind national und international. Besonders während der Art Basel, der Swissbau und der Uhren- und Schmuckmesse haben wir Besucher aus aller Welt. Viele Reisegruppen machen auf ihrer Schweiztour gezielt im Museum Halt.

Ihr Stammpublikum ist aber klar schweizerisch. Wie sieht es mit dem Schweizanspruch aus?
Hubertus Adam: Wie gesagt, wir wollen das S im S AM stärken, ohne in einen Provinzialismus zu verfallen. Als Schweizerisches Architekturmuseum sehen wir unsere Aufgabe darin, das hiesige Bau- und Planungsgeschehen zu präsentieren und zu reflektieren. Daneben bedeutet das S auch, dem Schweizer Publikum zu zeigen, was anderswo geschieht und erprobt wird.

Macht es Sinn, dass die Person, die das Museum nun inhaltlich positioniert und entwickelt, nachher ihren Sessel für jemand anderes frei macht?
Hubertus Adam: Ich fülle das Museum programmatisch mit Inhalten, bis wir und der Stiftungsrat genauer wissen, was und wohin das S AM will. Die Strategie, die wir entwickeln, muss aber klar Spielräume beinhalten. Meine Aufgabe ist es, unter den gegebenen Rahmenbedingungen sinnvolle Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen.

Kommentar Gelungener Warmstart

Das S AM ist schuldenfrei. Eineinhalb Jahre nachdem bekannt wurde, dass ein 800 000 Franken schwerer Schuldenberg das Museum zu erdrücken drohte, sind die Verantwortlichen mit den rund 200 Gläubigern ins Reine gekommen. Chapeau! Das ist wohl das schönste Weihnachtsgeschenk, das sich das Architekturmuseum 2010 machen konnte. Und es ist die wichtigste Voraussetzung für den Neustart, den das um Hubertus Adam erweiterte operative Team nun nach der Krise hinlegen muss und will. Der neue künstlerische Leiter ist insofern ein Glücksfall, indem er bereits als Kurator und Beirat einen Fuss im Museum hatte und andererseits ein versierter Kenner der Schweizer, aber auch internationalen Szene ist. Sein Anspruch, das Museum neu entlang der Schnittstellen der Architektur zu anderen Disziplinen zu bewegen, lässt hoffen. Mit solchen «grenzüberschreitenden » Ausstellungen können neue Besucher angesprochen und andere Institutionen zu Zusammenarbeiten motiviert werden. Trotzdem: Offen bleibt, was es genau heisst, «das S im S AM stärken, ohne in irgendeinen Provinzialismus zu verfallen ». Hier muss das Museum noch viele Hausaufgaben erledigen. Wie der Schweizbezug aussieht, wird über Erfolg und Misserfolg entscheiden, denn: Auch wenn das Publikum und auch der Anspruch teilweise international sind, kommt der grosse Teil der Besucher aus der Deutschschweiz, ja aus der Region Basel. Auch wie potenzielle, aus der Schweizer Bauwirtschaft stammende Sponsoren auf die Neupositionierung ansprechen, bleibt abzuwarten. Des- halb: Bevor sich das S AM in der internationalen Architekturlandschaft positioniert, sollte es klar machen, wie seine Rolle in der Schweiz aussehen kann und soll.

[Die Gesprächspartner:
Sandra Luzia Schafroth hat das Museum seit dem Abgang von Francesca Ferguson im August 2009 interimistisch geführt. Sie ist heute Managing Director und hat das S AM massgeblich entschuldet.

Hubertus Adam ist bis 2012 künstlerischer Leiter. Der Kunsthistoriker und Architekturjournalist soll in dieser Zeit die Positionierung und Profilierung des Museums verankern.]

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Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

Ansprechpartner:in für diese Seite: Roderick Hönighoenig[at]hochparterre.ch

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