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TEC21 2011|11
Sämling und Steckling
TEC21 2011|11
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Berner Rosen

Die Parkanlage Brünnengut in Bern basiert auf dem Konzept einer robusten äusseren Gestalt, die einer differenzierten Bespielung im «Innern» Raum gibt. Die Landschaftsarchitektengemeinschaft David Bosshard, Bern, und Andreas Tremp, Zürich, verbindet ökologische Verträglichkeit mit sozialer Toleranz.

11. März 2011 - Hansjörg Gadient
Bern hat eine institutionalisierte Form der Bürgerbeteiligung mit Mitwirkungsrechten, die im Baugesetz geregelt sind. In Brünnen ist dies die Quartierkommission Bümpliz/Bethlehem (QBB).[1] 27 Vertreterinnen und Vertreter aus dem Quartier treffen sich monatlich und äussern sich regelmässig auch zu Planungsvorhaben. Die Stadt Bern konsultiert die QBB, und aus der Zusammenarbeit erwuchs bereits 1995 der Wunsch, den erforderlichen Grünflächenanteil des neuen Quartiers als einen zentralen Park zu planen. Die 55 000 m² grosse Fläche ging für 6 Mio. Fr. in den Besitz der Stadt Bern über – ein niedriger Preis, mit dem ein Teil des Planungsgewinnes der Landeigentümer abgeschöpft wurde. Das Ergebnis einer breiten Vernehmlassung bei der Bevölkerung und bei interessierten und betroffenen Gruppen wurde im Bericht der Quartierkommission zur Planung dieses Parks zusammengefasst. Erst zehn Jahre später allerdings wurde der internationale landschaftsplanerische Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Eine Überprüfung des Berichtes zeigte, dass seine Forderungen immer noch aktuell waren. Sie fanden als verbindliche Punkte Eingang ins Wettbewerbsprogramm und der Vertreter der Quartierkommission, Hans Stucki, war Mitglied der Jury. So wurde gesichert, dass die Forderungen aus der Bevölkerung auch bei der Bewertung der Arbeiten Gehör fand.

Widersprüchliche Vorstellungen – realisierte Kompromisse

Natürlich habe es «widerläufige» Forderungen der verschiedenen Interessengruppen gegeben, so Stucki, aber man habe sich in der Kommission doch auf Kompromisse einigen können. So wollte beispielsweise der Fussballclub ursprünglich einen künstlichen Rasen, die Gegenseite am liebsten gar kein Spielfeld. Der Kompromiss, ein konventioneller Rasen, wurde ins Programm aufgenommen und schliesslich auch gebaut. Ohne Abstriche haben die Forderungen des Quartiers Eingang in den erstplatzierten Entwurf der Landschaftsarchitekten David Bosshard und Andreas Tremp gefunden.[2] Unter dem poetischen Namen «Rose de Berne» schlugen die beiden ein auf den ersten Blick einfaches, robustes und leicht verständliches Konzept vor, das soziale, ökonomische und ökologische Forderungen zu einer zeitgemässen und starken Synthese führt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass sie nicht nur die Forderungen erfüllen, sondern eine räumlich und gestalterisch überzeugende Antwort gefunden haben auf die Frage, wie heute ein Stadtpark aussehen könnte.[3] Die «Rose de Berne» oder «Berner Rose» ist eine alte Sorte, ein dunkelroter Tafelapfel, dessen Fleisch «grünlichweiss, ziemlich feinzellig, saftig, mit typisch würzigem Aroma und von erfrischendem Geschmack» sei.[4] Der Titel des Wettbewerbsbeitrages bezieht sich auf eine der Entwurfsideen, nämlich im Zentrum der Anlage Obstbäume mit alten Sorten anzupflanzen. Als Streuobstwiese umgeben sie locker die bestehenden Altbauten, die in den Park integriert sind und heute das Herz der Anlage bilden. Den äusseren Rahmen bildet ein U-förmiger, mehrreihiger Kordon aus aufgeasteten Sommerlinden auf einer chaussierten Fläche (Abb. 1). Diese starke Geste fasst alle Elemente des Entwurfs räumlich zusammen und betont dessen Typologie als Park. Das unterscheidet die Parkanlage Brünnengut wohltuend von anderen neuen Parkanlagen, die an einer typologisch unklaren Haltung leiden und oft mehr Platz als Park sind, mit entsprechend eingeschränkter Nutzbarkeit.[5]

Lichtung für Aktivität, Panorama für Beschaulichkeit

Die Nordostecke ist mit einer Rasenzunge besetzt, deren Baumrand sie von der Umgebung abschirmt und zu einer intimen Lichtung macht. Auf dieser ebenen Fläche sind Feste und Veranstaltungen möglich. So gastieren hier der Kinderzirkus Wunderplunder und das Bern- West Fest. Die Nordseite des Parks bleibt offen und erlaubt den Blick auf die Landschaft mit ihren heterogenen Elementen aus Land- und Forstwirtschaft und den Wohnbauten aus den 1960er- und 1970er-Jahren im Vordergrund. Den klaren Raum, den der vorhandene Gehölzrahmen im Osten und das umlaufende Lindenband bilden (Abb. 2, 3), besetzen verschiedene Elemente in freier Anordnung. Im Zentrum liegt ein von Herrenhaus und Pavillon gefasstes, viergeteiltes Buchs- und Rasenparterre, das weniger alt ist, als es aussieht (Abb. 8). Darunter liegt die Autobahn A1, nach deren Bau diese Fläche neu angelegt wurde. Hier soll eine zusammen mit Pro Specie Rara geplante Staudenpflanzung das zurzeit noch etwas sterile Bild beleben. Im Herrenhaus wird nach einer Sanierung eine Kinderkrippe einziehen, deren Aussenspielflächen nördlich und westlich angrenzen werden. Auch der zum Herrenhaus gehörige Bauernhof ist erhalten, für seine künftige Nutzung ist noch kein definitiver Entscheid gefallen. Die Pfrundscheune kann man als Veranstaltungsort mieten, genauso wie den Pavillon gegenüber dem Herrenhaus. Eingefasst wird die Bautengruppe von dem beschriebenen Hain aus Hochstamm-Obstbäumen, in dem ausser Äpfeln auch Birnen, Zwetschgen und weitere Früchte in alten Sorten gezogen werden. Sie stehen auf einer Magerwiese, die ein bis zwei Mal pro Jahr geschnitten wird (Abb. 4). Wo Wege erforderlich sind, werden sie in diese Wiese eingemäht. Ein gebautes Hauptwegenetz erschliesst die Elemente des Parks und verbindet die aussen ankommenden Wege und Strassen miteinander.

sen und zwischen ihren Stämmen wunderbare Hallenräume mit einem dunklen, grünen Licht bieten. Schon jetzt ahnt man diese Qualität im Bereich des Kinderspielplatzes, wo die Spielflächen zwischen die fünf Reihen von Linden integriert sind. Auch die Hartriegel- und Buchenhecken der beiden Themengärten werden bald dicht genug sein, um die gewünschte Raumwirkung zu entfalten. Nur die Obstbäume sind noch sehr jung; ihnen wird man mehr Zeit geben müssen, bis sich das leicht nostalgische Bild einer blühenden Obstwiese einstellen wird. Auf jeden Fall arbeitet die Zeit für diesen Entwurf. Die Vielfalt räumlicher Strukturen, die ausschliesslich mit Pflanzen geschaffen wurde, ist faszinierend: die Säulenhalle aus Lindenstämmen, die mit leichten Birkengruppen besetzte Lichtung im Nordostteil (Abb. 5), die Intimität vermittelnden Heckenräume oder der frei fliessende Raum des Obsthains.

Biodiversität

Ein wichtiges Anliegen war auch der ökologische Wert des neuen Parks. Auf verschiedenen Ebenen wurde für eine hohe Biodiversität gesorgt. Bestehende Bäume wie die aus dem 18. Jahrhundert stammenden Linden beim Herrenhaus wurden geschont, sie bieten vielen Tieren eine Nahrungsgrundlage und Nistmöglichkeiten. Ein wichtiger Entscheid war, die Hauptfläche nicht als konventionellen Rasen, sondern als selten gemähte Magerwiese anzulegen. Solche Wiesen weisen eine viel höhere Biodiversität auf und sind sowohl ökologisch als auch ökonomisch im Unterhalt vorteilhafter. Manchmal sind es einzelne Entscheide, die eine grosse Wirkung haben: Die zweihundert neu gepflanzten Linden sind Sämlinge, d. h., sie sind genetisch nicht völlig identisch, wie es sortenrein vermehrte Bäume wären.[7] Wenn dem Planer vor allem am Design-Effekt seines Entwurfes liegt, wird er wegen deren Einheitlichkeit Klone vorziehen, also genetisch und optisch identische Pflanzen. Wenn die Biodiversität ein wichtiges Kriterium ist, dürfen es wie in Brünnen auch leicht verschiedene Sämlinge sein. Und hier wird sichtbar, was einen besonderen Wert des Entwurfs ausmacht: Die gestalterische Geste des Lindenrahmens ist so stark, dass sie leichte Unterschiede der Baumindividuen gut verkraftet. Der Entscheid für eine robuste Form ermöglicht also Toleranz auf der Ebene der Pflanzenwahl.

Nutzungsdruck und Partizipation

Der Park ist für rund 12 000 Menschen im näheren Einzugsgebiet konzipiert, also für die Einwohnerschaft einer Kleinstadt. Das ist trotz seiner Grösse eine nicht zu unterschätzende Zahl, die einen hohen Nutzungsdruck auf die Anlage ausüben wird. Alois Zuber, Gesamtprojektleiter bei der Stadtgärtnerei, wünscht sich, dass hier wirklich eine Oase für die Bewohnerinnen und Bewohner der angrenzenden Quartiere entstehe, ein Ort, an dem Menschen jeden Alters und verschiedenster Herkunft sich gerne begegnen und sich wohl fühlen.[8] Der Entwurf leistet dazu alles, was es braucht. Aber die künftige Attraktivität ist auch vom Nutzungskonzept abhängig. Nicht nur bei der Planung des Parks, sondern auch bei seinem Betrieb sollten die Quartierbewohner deshalb aktiv beteiligt werden. Schon in der Zusammenfassung der Anwohnerwünsche von 1995 hatten sie selbst gefordert, dass der Betrieb des künftigen Parks in der Verantwortung des Quartiers liegen müsse. Der Wunsch konnte realisiert werden. Was einfach klingt, ist aber wegen der insgesamt 18 Interessengruppen, Träger und Behörden, die involviert sind, ziemlich kompliziert. So obliegen beispielsweise allein die Reinigung und Pflege der Anlage drei Trägern: dem Tiefbauamt, der Stadtgärtnerei und dem vom Quartierverein beauftragten und von einem Sozialprojekt bezahlten Pflegeassistenten. An wen wendet sich also eine Anwohnerin, die findet, es werde zu wenig geputzt? Oder an wen wendet sich der Fussballklub, der ein Vereinsfest veranstalten will, wenn er wissen will, was sonst noch an diesem Samstagnachmittag im Park geplant ist? Und wie kann ich absichern, dass für mein Geburtstagspicknick im August genau diejenige Grillstelle frei ist, die ich mir dafür wünsche? Für alle Anliegen der Parknutzenden wurde deshalb ein virtueller Schalter eingerichtet. Per Brief, E-Mail oder Telefon erreichen die Anfragen den sogenannten «Guichet». Ein Teilzeitangestellter, der eine Ausbildung als Gärtner und als Erwachsenenbildner hat, kümmert sich um alle diese Anliegen, koordiniert Termine und «nimmt sich der Sache an». Die Trägerin und Betreiberin des «Guichet» ist die Stiftung B, die im Auftrag der Stadt Bern nicht nur von aussen an sie herangetragene Anliegen behandelt, sondern selber auch Aktivitäten initiiert, die den Park beleben. Konkret heisst das zum Beispiel, dass die Stiftung die «Obstbaumgruppe» ins Leben gerufen hat, die sich später um die Ernte der Früchte kümmern wird. Auch die Gruppe der Pflanzer hat die Stiftung zusammengeführt und hilft ihr bei ihren Anliegen. Hier und im Fussballklub kommt auch der Wunsch der Integration von Nachbarn aus anderen Ländern zum Tragen. Insgesamt soll die aktive Aneignung der Quartierbewohner gestärkt werden, unter anderem auch, um Vandalismus und übermässigem Littering vorzubeugen. Das Ziel der Stiftung sei, so ihr Geschäftsführer Hans Stucki, dass sich möglichst viele Menschen des neuen Parkes annehmen.

[ Hansjörg Gadient, dipl. Architekt ETH, Landschaftsarchitekt ]
Anmerkungen
[1] Vgl. www.qbb.ch
[2] Der Bericht zum Wettbewerbsergebnis findet sich unter: Grünraum. In: tec 21, Nr. 31/32, 2006, S. 21
[3] Der Wettbewerb war zweigeteilt und enthielt neben dem Ideenwettbewerb für den Brünnengutpark einen Projektwettbewerb für die angrenzende Autobahnüberdeckung, den sogenannten Chaponnière-Park. Aus Platzgründen wird hier auf diesen untergeordneten Teil nicht eingegangen. Er ist im Bericht zum Wettbewerb (s. obige Anmerkung) ausreichend beschrieben.
[4] Sortenbeschreibung von: www.apfel.ch
[5] Ein Beispiel für so einen typologisch unklaren «Platz-Park» ist der unlängst fertiggestellte Leutschenbachpark in Zürich
[6] Der FC Bethlehem hat wegen der Förderung seiner Juniorinnen einen besonders guten Ruf
[7] Sortenrein, also vegetativ über Stecklinge, vermehrte Bäume haben, wenn die Stecklinge von derselben Pflanze stammen, ein identisches Erbgut. Geschlechtlich vermehrte Gehölze dagegen sind aus Samen aufgezogen, bei deren Befruchtung das männliche und das weibliche Genom immer ein wenig unterschiedlich kombiniert sind. Deshalb können sich Sämlinge auch sichtbar voneinander unterscheiden, zum Beispiel was ihre Herbstfärbung oder ihren Habitus angeht
[8] In: Stadtbauten Bern. Parkanlage Brünnengut. Faltblatt. Bern 2010

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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